Der Dritte im Bunde der chinesischen Lichtgestalten

Chinas Präsident Xi Jinping wird von der Partei auf eine Stufe mit Mao Tse-tung und Deng Xiaoping gestellt

Der Dritte im Bunde der chinesischen Lichtgestalten

Von Norbert Hellmann, SchanghaiAn der aktuellen Machtfülle des chinesischen Präsidenten und Parteichefs Xi Jinping (64) gibt es schon lange keine Zweifel mehr. Nun aber ist ihm von der Kommunistischen Partei ein neuer Status als charismatischer Führer verliehen worden, der ihm auf unbestimmte Zeit und damit vielleicht auch über seinen weiteren fünfjährigen Turnus als Staatspräsident hinweg eine Rolle als die bestimmende politische Figur im Reich der Mitte zuweist. Neuer Status besiegeltFür den neuen Status ist eine Modifizierung der Verfassung der Kommunistischen Partei nötig. Diese ist am Dienstag zum Abschluss des großen Parteitags, mit dem alle fünf Jahre die politischen Weichen neu gestellt werden, nun auch tatsächlich erfolgt: Wie erwartet nimmt die Kommunistische Partei nun das Gedankengut von Xi Jinping als eine politische Ideologie in ihre Verfassung mit auf – und zwar mit expliziter Namensnennung. Eine solche Sonderstellung war den Amtsvorgängern Hu Jintao und Jiang Zemin nicht vergönnt gewesen.Xi wird damit eine Ehre erwiesen, die ihn praktisch auf eine Stufe mit Mao Tse-tung, dem Gründer der Volksrepublik, und ihrem wichtigsten Reformarchitekten Deng Xiaoping stellt, deren politische Leitmaximen als “Gedanken von Mao Tse-tung” und “Theorie von Deng Xiaoping” in der Partei-Charter für die Ewigkeit festgehalten wurden.Nach der von den über 2 300 Parteidelegierten einstimmig erfolgten Annahme der Beschlussfassung über die Verfassungsänderung sollen nun “Xi Jinpings Gedanken zu einem Sozialismus chinesischer Prägung in einer neuen Ära” auch offiziell als wichtigste Richtschnur und Handlungsmaxime für die Partei gelten. Damit ist es dem Präsidenten bereits in seiner ersten fünfjährigen Amtszeit gelungen, die gesamte Partei hinter sich zu scharen und eine lange nicht mehr gekannte Machtkonzentration zu besiegeln. Gefeierter VisionärIn der Eröffnungsrede zum Parteitag vor einer Woche hatte der Präsident bereits klar erkennen lassen, dass Chinas gesellschaftlicher Werdegang in allen Aspekten von Parteivorgaben dominiert wird. Gleichzeitig haben chinesische Medien und die staatliche Agentur Xinhua bereits seit Wochen Xi in einer einzigartigen Reverenzerweisung mit Artikelkaskaden auf eine Art und Weise gefeiert, die deutlich machen soll, dass die außen- und innenpolitischen sowie wirtschaftlichen Errungenschaften Chinas der letzten fünf Jahre fast ausschließlich auf die Visionen von Xi zurückgeführt werden können.Die Fixierung auf die Person Xis als eine Art Lichtgestalt ist auch ähnlich wie früher bei Mao daran zu erkennen, dass Reden des heutigen Präsidenten in früheren politischen Stationen, etwa als Parteisekretär oder Gouverneur der Provinzen Fujian, Zhejiang und Schanghai in den Rang von visionären Botschaften erhoben werden. Trotz der exponierten Rolle, die Xi nun zukommt, und der Verschärfung der sozialen Kontrolle und Medienüberwachung sind Vergleiche mit der Mao-Zeit und den Schrecken der Kulturrevolution jedoch eher fehl am Platze.Im Gegensatz zu Mao, dessen revolutionären Umstürze und Vernachlässigung der Wirtschaft Chaos säten und Millionen von Menschenleben kosteten, ist der eher technokratisch gesinnte und als strategischer Langfristplaner bekannte Xi bereits in seinem früheren politischen Wirken mit wohlgeordneten Konzepten zur Armuts- und auch Korruptionsbekämpfung aufgefallen. Als entscheidende Frage gilt nun, ob die Weichenstellungen des Parteitages Xi eine Stellung als Chinas Machthaber auf Lebenszeit ermöglichen.In den vergangenen Wochen ist viel darüber spekuliert worden, ob Xi im Sinne hat, das gegenwärtige System eines Führungswechsels im Zehnjahresrhythmus auszuhebeln, um dann auch nach 2022 auf dem Präsidentenstuhl zu bleiben. Es gilt als eher unwahrscheinlich. Denkbar wäre allerdings, dass Xi kraft des ihm jetzt verliehenen Status im Range des Parteivorsitzenden bleibt, für den es keine explizite oder implizite Altersregelung gibt. Dies würde dann zu einem Szenario führen, bei dem im Jahr 2022 ein neuer Präsident antritt, der aber dann weiterhin unter der Aufsicht von Xi als Partei-Chairman und ideologischem Taktgeber stünde. Brave GefolgsmännerIm jedem Fall aber führt Xi Jinpings gefestigte Machtposition nun zu einem gewissen Spannungsverlust, wenn am heutigen Mittwoch die neuen Vertreter des ständigen Ausschusses des Politbüros als Führungsriege Chinas für die nächsten fünf Jahre der Öffentlichkeit präsentiert werden. Denn sie werden im Gegensatz zu früher, als der Präsident nur Primus inter Pares im Führungskollektiv war, nun eher als treue Gefolgschaft von Xi gelten, die kaum eigene Akzente zu setzen vermag.