IM BLICKFELD

Der Eine-Billion-Euro-Poker geht in die Verlängerung

Von Detlef Fechtner, Brüssel Börsen-Zeitung, 26.6.2013 Für einen kurzen Moment schien es vergangene Woche so, als hätten sich das Europäische Parlament und die nationalen Regierungen auf einen Kompromiss über die Finanzierung der Europäischen Union...

Der Eine-Billion-Euro-Poker geht in die Verlängerung

Von Detlef Fechtner, BrüsselFür einen kurzen Moment schien es vergangene Woche so, als hätten sich das Europäische Parlament und die nationalen Regierungen auf einen Kompromiss über die Finanzierung der Europäischen Union in den nächsten sieben Jahren geeinigt. Wohlgemerkt: Für einen kurzen Moment. Wohlgemerkt: Schien es so.Doch die frohe Botschaft, die der irische Ratsvorsitz am vergangenen Mittwoch nachts um halb elf vermeldete, erwies sich schon recht bald als trügerisch. Tags drauf wetterten jedenfalls Sozialdemokraten, Linke und Grüne über die vermeintlich absichtsvoll irreleitenden Erklärungen der irischen EU-Ratspräsidentschaft. Und sogar im Lager der Konservativen rumorte es. Reimer Böge, ein norddeutscher CDU-Abgeordneter und ganz gewiss nicht als Heißsporn bekannt, quittierte aus Unmut sogar kurzerhand seinen Dienst als Berichterstatter für den Haushalt.Die Irritationen haben die Suche nach einem Kompromiss über den künftigen Haushalt der EU nicht eben erleichtert. Gestern verabredeten die Fraktionen dem Vernehmen nach, dass das Thema “Mehrjähriger Finanzrahmen” gar nicht erst auf die Tagesordnung des EU-Parlaments Anfang Juli kommt. Denn da sogar die Christdemokraten zerstritten sind, dürfte die aktuelle Vorlage ohnehin keine Mehrheit finden – die Stimmen der britischen Konservativen allein reichen nun einmal nicht.Der Poker um den rund 1 Bill. Euro schweren Haushaltsplan geht somit in die Verlängerung. Aus Kreisen des EU-Parlaments verlautet, dass bereits am Rande des EU-Gipfels morgen und übermorgen das eine oder andere Gespräch geführt werden soll. Aber die Aussichten, dass die Vertreter der drei Institutionen – Martin Schulz für das EU-Parlament, Enda Kenny für den irischen Ratsvorsitz und damit als Klassensprecher für die nationalen Regierungen und José Manuel Barroso für die EU-Kommission – sich bei einer kurzen Plauderei im Flur einig werden, sind doch eher überschaubar. Wahrscheinlicher ist, dass das Dossier an den litauischen Ratsvorsitz weiterwandert, der nächste Woche die Geschäfte übernimmt.Dabei sind die Verhandlungsparteien in gar nicht mehr so vielen Punkten weit voneinander entfernt. Über die Zahlen besteht sogar schon Einvernehmen. Auf ein Gesamtvolumen von 960 Mrd. Euro haben sich im Februar die Regierungschefs geeinigt, das ist ziemlich genau 1 % des Bruttoinlandsprodukts der EU. Erfahrungsgemäß steigt die Summe während der siebenjährigen Laufzeit des Finanzplans noch etwas, weil die Regeln vorsehen, dass die Inflation berücksichtigt wird. Kurzum: Aller Voraussicht nach hat die EU also von 2014 bis 2020 etwas mehr als 1 Bill. Euro zu Verfügung.Die Europaabgeordneten wollen, obwohl ihnen im Grunde eine wesentlich größere Zahl vorschwebt, diesen Betrag gar nicht mehr infrage stellen. Ihr Widerstand gegen den Vorschlag des Rats hat andere Gründe. Sie pochen darauf, als europäischer Mitgesetzgeber mehr Einfluss darauf zu erhalten, wofür das Geld ausgegeben wird. Vorgesehen ist, dass der größte Posten in Agrarsubventionen fließt (siehe Grafik). Die EU-Kommission versucht das zu vertuschen, indem sie Struktur- und Regionalfonds, also die Mittel für Wettbewerbsfähigkeit und Kohäsion, zusammenzählt und dadurch auf einen höheren Betrag kommt – allerdings auf diese Weise auch die Hilfen für bulgarische Regionalprojekte und die Mittel für den Fusionsreaktor Iter oder das Navigationsprogramm Galileo unter einer Überschrift zusammenfasst. Das EU-Parlament verlangt Flexibilität: Ein bestimmter Teil der Ausgaben soll jährlich umgewidmet werden können. Im Gespräch ist eine Größenordnung von 4 Mrd. Euro per annum. Zudem bestehen die Abgeordneten auf einer Revisionsklausel – also auf die Chance zu einer Neuverhandlung während der Laufzeit. Der Rat bietet dazu nur eine Vereinbarung auf einstimmiger Basis an – also mit Vetorecht für jedes einzelne Land. Dadurch aber wird eine Anpassung so gut wie unmöglich. Schließlich hätte das EU-Parlament gerne noch den Einstieg in eigene Mittel der EU – also zumindest die Perspektive, dass die EU irgendwann selbst Steuern erheben oder Einnahmen generieren kann. Davon wollen aber einige Regierungen nichts wissen, schon gar nicht die deutsche. Auch was die Forderungen nach Flexibilität und nach Revision angeht, dürfte die Bundesregierung zu den hartnäckigsten Widersachern zählen. Insofern ist bislang nicht absehbar, wie lange die Verlängerung dauern wird.