ANSICHTSSACHE

Der Gemeinsame Vertreter: Sprachrohr und Ohr zugleich

Börsen-Zeitung, 22.2.2013 Unternehmensanleihen als Bestandteil der Fremdkapitalfinanzierung haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Vor allem vor dem Hintergrund des unternehmensseitigen Strebens nach höherer Flexibilität hinsichtlich...

Der Gemeinsame Vertreter: Sprachrohr und Ohr zugleich

Unternehmensanleihen als Bestandteil der Fremdkapitalfinanzierung haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Vor allem vor dem Hintergrund des unternehmensseitigen Strebens nach höherer Flexibilität hinsichtlich ihrer Fremdkapitalstruktur wird der Bedarf an solchen Corporate Bonds weiter steigen. Dies betrifft zunehmend Emittenten, deren Eigenkapital nicht börsennotiert ist und denen es an Erfahrung im Umgang mit kapitalmarktorientierten Investoren mangelt. Nicht nur im InsolvenzfallMit dem neuen Schuldverschreibungsgesetz 2009 (SchVG) wurden die Befugnisse des sogenannten Gemeinsamen Vertreters (GV) deutlich erweitert. Er ist nun nicht nur reiner Gläubigervertreter im Insolvenzfall, sondern kann vielmehr über die gesamte Laufzeit der Schuldverschreibung wirken. Dabei kann er bereits in den Anleihebedingungen vom Emittenten als sogenannter Vertragsvertreter bestellt werden.Die unbestrittene Rolle des GV sowohl als “Anwalt der Gläubiger” im Sanierungs- oder Insolvenzfall als auch als “Mittler zwischen Emittent und Gläubigern” in Sondersituationen kann zur Funktion des GV als Bond-Investor-Relations-Manager des Emittenten gewinnbringend weiterentwickelt werden. Den spezifischen Informationsbedürfnissen von Bondinvestoren wird in der Praxis bislang vor allem bei kleinen und mittelständischen Emittenten nicht ausreichend Rechnung getragen. Gute IR-Arbeit reduziert durch Transparenz und verlässliche Guidance das Informations- und Schätzrisiko für Investoren und erhöht durch mehr Aufmerksamkeit die Liquidität des gehandelten Wertpapiers. Dies führt zu niedrigeren Risikoaufschlägen bei der Bewertung sowohl von Eigen- als auch von Fremdkapitalinstrumenten.Der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK) hat einen umfassenden Leitfaden für die Praxis entwickelt, in dem u. a. “10 Goldene Regeln” im Umgang mit Bondinvestoren formuliert wurden. Der Berufsverband der Investment Professionals (DVFA) hat mit der Verabschiedung seiner Standards für Bondkommunikation auf die aus seiner Sicht “dringend notwendigen Verbesserungen der Kommunikation von Bondemittenten mit Bondinvestoren und -analysten” reagiert. Zu Recht verlangt die Deutsche Börse in ihrem Regelwerk, dass bestimmte Kennzahlen zur Kapitaldienstdeckung, zur Verschuldung und zur Kapitalstruktur von Anleiheemittenten regelmäßig zu veröffentlichen sind. Gemeinsam mit dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) hat die DVFA in den “Standards für Unternehmensanleihen unter dem SchVG” klare Erwartungen an Bondemittenten hinsichtlich der Rolle des GV formuliert.Für Emittenten wäre es zumindest fahrlässig, diese Erwartungen nicht ernst zu nehmen. Mit dem erhöhten Bedarf an kapitalmarktorientierter Fremdfinanzierung steigt auch der Wettbewerb um das zur Verfügung stehende Kapital. Unternehmen sollten sich dieses Umstandes bewusst sein, wenn sie nicht riskieren wollen, dass sich ihnen diese Quelle der Finanzierung verschließt. Gerade Unternehmen, deren Aktien nicht gelistet sind, bietet die Bestellung eines GV die Chance, ein Zeichen an den Kapitalmarkt zu senden, zumal sie in der Regel nicht auf bestehende interne Kommunikationsressourcen zurückgreifen können. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Cometis verweisen Investoren explizit darauf, dass “eine transparente Finanzberichterstattung, die den Fremdkapital-Investor umfassend über die Entwicklung des Unternehmens und seiner Finanzen informiert, ein Hinweis auf dessen Kapitaldienstfähigkeit sein kann”. DVFA und BDI fordern gar ein Teilnahmerecht des GV an sämtlichen Kapitalmarktgesprächen und Unternehmensveranstaltungen des Emittenten.In welchem Maße ein Emittent diesen Forderungen nachkommen möchte, ist (noch) ihm überlassen. Die Veröffentlichung der von der Börse geforderten Kennzahlen sollte aber nur als ein “Startpunkt” in Richtung zunehmend zielgruppenorientierter Berichterstattung verstanden werden. Regelwerke sind anzupassenEin weiterer wichtiger Aspekt ist das Einholen von Einschätzungen und Meinungen des Kapitalmarkts. Kommunikation darf nicht als Einbahnstraße verstanden werden. Vielmehr kann ein Emittent aus der Rückmeldung von Investoren und Multiplikatoren wertvolle Erkenntnisse für seine zukünftige Finanzierungsstrategie gewinnen. Bereits bei der Gestaltung des Emissionsprozesses berücksichtigte Investoreninteressen erhöhen die Chance einer erfolgreichen Platzierung. Der aus der Bestellung eines GV resultierende Dialog mit Investoren wird regelmäßig zu einem besseren Zugang des Emittenten zum Kapitalmarkt führen. Gleichzeitig können Investoren fundiertere Investitionsentscheidungen treffen.Anleiheemittenten sind daher aufgerufen, sich des Instruments des GV aktiv zu bedienen. Investoren sind aufgefordert, ihr Bedürfnis nach mehr Informationen noch hörbarer einzufordern und zu erkennen, dass der GV hierfür ein geeignetes Instrument ist. An die Börsen wird appelliert, die Bestellung eines GV in ihre Regelwerke verbindlich aufzunehmen. Die eine Emission begleitenden Banken sind gleichermaßen aufgerufen, das ihre dazu beizutragen, dass die Bestellung eines GV bei der Begebung von Anleihen zur Regel wird. Bei allem Bewusstsein, dass die Bestellung eines GV auch mit Kosten verbunden ist: Die volks- und betriebswirtschaftlichen Vorteile überwiegen.Noch wichtiger: Die Zukunft der Anleihemärkte wird stark davon abhängen, ob Investoren auch zukünftig genügend Vertrauen in die Transparenz und Seriosität der Emittenten und der Märkte haben. Dazu kann die Etablierung des Konstrukts des Gemeinsamen Vertreters einen entscheidenden Beitrag leisten.—-Kay Bommer ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des DIRK – Deutscher Investor Relations Verband. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Kay Bommer Der Gemeinsame Vertreter kann das Vertrauen in Transparenz und Seriosität der Anleihemärkte erhöhen.