LEITARTIKEL

Der Kalte Frieden

Donald Trump hat die Europäer in seltener Weise gegen Amerika vereinigt. Seit seinem Amtsantritt sind die Vereinigten Staaten vom Pariser Übereinkommen für den Klimaschutz zurückgetreten, haben sich aus der Unesco zurückgezogen, Sanktionen gegen...

Der Kalte Frieden

Donald Trump hat die Europäer in seltener Weise gegen Amerika vereinigt. Seit seinem Amtsantritt sind die Vereinigten Staaten vom Pariser Übereinkommen für den Klimaschutz zurückgetreten, haben sich aus der Unesco zurückgezogen, Sanktionen gegen China und andere angedroht und ihre Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Ausgerechnet der 8. Mai markiert nun einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte des transatlantischen Bündnisses. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Trump den Tag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg wählte, um den Atom-Deal mit dem Iran aufzukündigen.Teheran und Peking waren die großen Gewinner des Abkommens von 2015, das von den kriegsmüden USA aus einer Position der Schwäche ausgehandelt wurde. Für das Zugeständnis, ein paar Jahre lang auf den Bau von Atomwaffen zu verzichten, verschaffte Trumps Vorgänger Barack Obama dem theokratischen Regime Zugang zu den Mitteln, die ihm die Entwicklung fortgeschrittener Raketentechnologie, außenpolitische Abenteuer im Jemen, im Libanon und in Syrien sowie die Unterstützung der Hamas im Gaza-Streifen ermöglichten. Der Vorteil für die Volksrepublik China? Sie wurde nicht mehr für ihr Interesse am iranischen Öl an den Pranger gestellt.Auch den Fürsprechern des Abkommens im Westen war klar, dass es sich um einen schlechten Deal handelte. Es verhinderte aber vorerst einen weiteren Krieg in der Region. Technokraten mag zwar erfreuen, dass Teheran sich an die Buchstaben des Abkommens hält. Die vom Westen erhoffte Annäherung blieb jedoch aus. Die Lebensbedingungen der Menschen im Iran verbesserten sich durch das Entgegenkommen nicht, die ohnehin schwache Demokratiebewegung wurde blutig niedergeschlagen. Die Hoffnungslosigkeit der Bevölkerung drückt sich in Phänomenen wie zunehmender Drogenabhängigkeit, Selbstmorden und psychischen Erkrankungen aus, die von ihren Herrschern sonst nur im dekadenten Westen verortet werden. Dafür blühten die Geschäfte des Regimes mit Großunternehmen aus aller Welt. Am schnellsten waren Flugzeughersteller wie Airbus und Boeing. PSA Peugeot Citroën und Renault bauten ihre Präsenz im Iran aus. Total und China National Petroleum Corp. sicherten sich als Partner von Petropars die Lizenz zur Ausbeutung eines der größten Gasfelder der Welt. Die britische Finanzbranche hatte wenig Appetit auf Persien, nachdem Großbanken wegen Umgehung von US-Sanktionen satte Geldstrafen aufgebrummt wurden. Jetzt sind europäische Firmen erneut ins Visier geraten. Würden sie von den nun geplanten Sanktionen ausgenommen, wären die Maßnahmen nur eine leere Geste des US-Präsidenten. Auf ihre Politiker brauchen Europas Konzerne nicht zu hoffen. Wer Geschäfte in Dollar oder in den Vereinigten Staaten machen will, wird sich dem Willen Washingtons fügen müssen. Trump bietet dafür all den Frustrationen, die sich aus den ökonomischen und politischen Machtverhältnissen dieser Welt ergeben, eine Projektionsfläche: verkörpert er doch – von seiner Großmannssucht bis hin zu seiner vermeintlichen Ungebildetheit – all die schlechten Eigenschaften, die Amerikanern jenseits des Atlantik gerne unterstellt werden. Es wäre allerdings falsch, die tiefgehenden Veränderungen in den Beziehungen zu Europa an seiner Person festzumachen. Seine Vorgänger waren auch keine Schutzheiligen des Multilateralismus. Richard Nixon verbot einst Ausfuhren von Sojabohnen, was Tokio damals dazu veranlasste, über die Unzuverlässigkeit des wichtigen Handelspartners zu klagen. Ronald Reagan zwang Japan, bei den Autoexporten auf die Bremse zu treten. Und William Clinton war zu fast allem bereit, damit US-Unternehmen Großaufträge im Ausland erhielten. Dass sich auf dem alten Kontinent in den vergangenen Jahren viel geändert hat, wird gerne ausgeblendet, wenn es um das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten geht. Brüssel tritt zunehmend selbstsicher auf. Das Bestreben, selbst zur militärischen Macht zu werden, zeigt, wohin die Reise geht. Das Bekenntnis zum Multilateralismus ist mit dem Wunsch verbunden, Europa möge endlich die Supermacht werden, für die es sich schon lange hält. Wenn auf den Kalten Krieg so schnell kein Kalter Frieden zwischen ehemaligen Verbündeten folgen soll, wäre es an der Zeit, gemeinsam mit den USA auf ein neues Abkommen mit dem Iran zu dringen, das Atomwaffen für die Mullahs unerreichbar macht.—-Von Andreas HippinStatt sich zu streiten, sollten Europa und die USA auf ein neues Abkommen mit dem Iran dringen, das Atomwaffen für die Mullahs unerreichbar macht.—-