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Der kleine Lord

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 27.3.2019 Jacob Rees-Mogg (49) wird von vielen als ultrakonservative Witzfigur betrachtet. Man kann sich den Muster-Tory mit dem anachronistischen Habitus nur zu gut mit Zylinderhut in einer Kutsche auf...

Der kleine Lord

Von Andreas Hippin, LondonJacob Rees-Mogg (49) wird von vielen als ultrakonservative Witzfigur betrachtet. Man kann sich den Muster-Tory mit dem anachronistischen Habitus nur zu gut mit Zylinderhut in einer Kutsche auf dem Weg nach Westminster vorstellen. Er hätte so gut ins 19. Jahrhundert gepasst. Der schlaksige Brillenträger in den irgendwie zu groß wirkenden Anzügen wurde schon vor 20 Jahren vom britischen Komiker Sasha Baron Cohen, der später mit den von ihm verkörperten Figuren Borat und Brüno Furore machen sollte, in seine Show geladen. Damals mimte Cohen noch Ali G und sprach ihn mit “Lord Rees-Mogg” an, obwohl nur sein Vater, der ehemalige Chefredakteur der “Times”, einen Adelstitel besaß. Das Video ist heute noch bei Youtube abrufbar und zeigt, dass sich Rees-Mogg wirklich von nichts aus dem Konzept bringen lässt, auch nicht von der Frage, welcher Klasse Pakistanis angehören. Denn in Wirklichkeit ist der Chairman der European Research Group, in der sich die EU-Gegner unter den Unterhausabgeordneten der Tories zusammengeschlossen haben, nicht nur als Politiker, sondern auch als Investor durchaus ernst zu nehmen.Rees-Mogg verkörpert das konservative britische Establishment wie kein anderer. Der Vater seiner Frau, Helena Anne Beatrix Wentworth Fitzwilliam de Chair, gab einst mehrere Bände von Napoleons Memoiren auf Englisch heraus. Der erzkatholische Vater von sechs Kinder mit Namen wie Anselm Charles Fitzwilliam oder Sixtus Dominic Boniface besuchte natürlich das Eliteinternat Eton. Danach studierte der leidenschaftliche Kricket-Fan am ehrwürdigen Trinity College zu Oxford Geschichte. Dort war er auch Präsident der konservativen Studentenvereinigung. Karrierestart bei RothschildNach dem Studium arbeitete er zunächst für Rothschild, dann für Lloyd George Management in Hongkong. Die Firma gehörte Robert Lloyd George, dem Großenkel des liberalen Premierministers, der von 1916 bis 1922 amtierte. Vor zwölf Jahren gründete Rees-Mogg mit einigen Kollegen und der Hilfe des Hedgefondsmanagers Crispin Odey sein eigenes Investmentvehikel: Somerset Capital Management. Seit 2010 sitzt “David Camerons schlimmster Alptraum”, wie ihn eine Kolumnistin der “Sunday Times” einst bezeichnete, für den Wahlkreis North East Somerset im Unterhaus. Er gehörte schon immer zu den Euroskeptikern. Allerdings hat er einen ganz anderen Einfluss als andere Hinterbänkler wie etwa William Cash, mit dem sich der französische Botschafter Jean-Pierre Jouyet wohl kaum zum Lunch im Reform Club an der Londoner Renommiermeile Pall Mall treffen würde.Rees-Mogg hat eine vergleichsweise junge Anhängerschaft, seitdem eine konservative Online-Kampagne unter dem Namen “Moggmentum” versucht, an die Mobilisierungserfolge der linken Momentum-Kampagne anzuknüpfen, die Jeremy Corbyn an die Spitze von Labour beförderte. Er füllte jüngst die 2 300 Sitze des London Palladium, als ihn der konservative “Spectator” zu einer Diskussionsveranstaltung geladen hatte. Dem Meinungsforscher Yougov zufolge kommt er nach Beliebtheit unter den konservativen Politikern auf Rang 6. Fast drei Viertel der Befragten hatten schon von ihm gehört, aber nur knapp ein Fünftel sah ihn positiv.Im Dezember stellte er die Machtfrage. Allerdings sprachen nur 117 Abgeordnete in einem parteiinternen Verfahren Theresa May das Misstrauen aus. Wenn er sich nun überraschend hinter den Deal der Premierministerin stellt, dürfte das mehr Ausdruck seiner Sorge sein, dass es am Ende gar nicht zum Brexit kommt, als Zeichen eines grundlegenden Sinneswandels.