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Der mühsame Weg zum EU-Kommissionschef

Junckers Nachfolger braucht breite Unterstützung

Der mühsame Weg zum EU-Kommissionschef

Von Detlef Fechtner, FrankfurtDieser Tage wird viel telefoniert. Zwar machen im August die meisten EU-Abgeordneten Ferien. Das hält sie aber nicht davon ab, in privaten Gesprächen zu sondieren, wen ihre Fraktion bei den nächsten Europawahlen als Spitzenkandidat ins Rennen schicken sollte. Immerhin hat dieser Spitzenkandidat, so seine Fraktion die meisten Stimmanteile bei der Europawahl 2019 gewinnt, beste Aussichten, der nächste Präsident der EU-Kommission zu werden – so wie es bei den Wahlen 2014 dem damaligen christdemokratischen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker geglückt ist.Eben dieser Juncker wird in gut einem Jahr seine Amtszeit beenden. 2019 wird daher nicht nur ein neuer EZB-Chef, ein neuer Chef der EZB-Bankenaufsicht, ein neuer Präsident des EU-Parlaments und ein neuer Vorsitzender des EU-Rats gesucht, sondern auch der Nachfolger Junckers als EU-Kommissionschef. Der Luxemburger selbst hat bereits früh erklärt, nicht mehr anzutreten. Insofern gibt es derzeit Anlass, viel zu telefonieren, um einen geeigneten Nachfolger zu bestimmen – vor allem in der Fraktion der Christdemokraten, die gute Aussichten haben, wieder stärkste Fraktion zu werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat so gut wie gar keine Chancen, bei der Besetzung des EU-Kommissionschefs mitzureden. Seine Partei En Marche ist im EU-Parlament keine Macht, wird also gewiss nicht als stärkste Fraktion aus den Europawahlen 2019 hervorgehen. Aber auch der Einfluss von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist begrenzt. Ihr mag es womöglich gelingen, die deutschen Christdemokraten im EU-Parlament auf einen bestimmten Kandidaten einzuschwören. Das sind aber gerade einmal 34 der 219 Fraktionsmitglieder. Schwieriger dürfte es für die Kanzlerin werden, auch die Vertreter der griechischen Nea Dimokratia oder der schwedischen Moderata Samlingspartiet für den von ihr favorisierten Kandidaten zu begeistern. Damit nicht genug: Um Präsident der EU-Kommission zu werden, benötigt der jeweilige Kandidat auch Stimmen von Abgeordneten jenseits der eigenen Parteifamilie. Und das wird immer komplizierter. Denn die Fragmentierung des EU-Parlaments dürfte zunehmen. Nach aktuellen Prognosen werden bei der Europawahl im Frühjahr die beiden (gar nicht mehr so) großen Parteien, also Christdemokraten und Konservative sowie Sozialdemokraten und Sozialisten gemeinsam keine Mehrheit mehr im EU-Parlament erreichen. Der künftige EU-Kommissionschef ist somit auf die Zustimmung von mehr als einer konkurrierenden Parteifamilie angewiesen. Stubb und Weber im Gespräch In Brüssel macht die Runde, dass sich der frühere finnische Ministerpräsident Alexander Stubb für den Nominierungsparteitag der Konservativen am 7. November warmläuft. Der Finanzexperte, der kürzlich seinen 50. Geburtstag feierte, hat auf jeden Fall Heimvorteil, schließlich findet die Kandidatenkür in Helsinki statt. Zu den üblichen Verdächtigen, denen Ambitionen für den Posten des EU-Kommissionschefs nachgesagt werden, zählen auch andere Christdemokraten, etwa der Franzose Michel Barnier oder Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.Interesse an der Spitzenkandidatur und damit auch am Amt des EU-Kommissionschefs wird zudem einem nachgesagt, der derzeit im EU-Parlament sitzt: dem Niederbayern Manfred Weber. Seit vier Jahren ist der 46-jährige CSU-Mann Vorsitzender der gesamten konservativen Fraktion im EU-Parlament. Gemeinsam mit Schulz, Juncker und dem Sozialdemokraten Frans Timmermans hat er mehrere Jahre lang die große Koalition in Europa gesteuert. Weber würde insofern als potenzieller Wunschkandidat Merkels passen. Ob er sich jedoch durchsetzt, hängt aber eben längst nicht nur am guten Willen der Kanzlerin.