KOMMENTAR

Der Preis der Angst

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die wirtschaftlichen Schäden, die durch den Lockdown hervorgerufen wurden, nun der britischen Regierung in die Schuhe geschoben werden. Dabei hatte der libertär gesinnte Premierminister Boris Johnson bis...

Der Preis der Angst

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die wirtschaftlichen Schäden, die durch den Lockdown hervorgerufen wurden, nun der britischen Regierung in die Schuhe geschoben werden. Dabei hatte der libertär gesinnte Premierminister Boris Johnson bis zuletzt gezögert, Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie zu verhängen, und stattdessen auf den viel zitierten Common Sense gesetzt. Britische Experten hatten das Konzept der Herdenimmunität vertreten. Großbritannien wollte seinen eigenen Weg gehen.Doch der Bevölkerung fehlte nach dem zermürbenden Kulturkampf um den EU-Austritt schlichtweg das Vertrauen in die Regierung, das dafür nötig gewesen wäre. Mit jedem Horrorvideo aus den Krankenhäusern Norditaliens und Spaniens wuchsen die Zweifel an ihrer Kompetenz. Ambitionierte Wissenschaftler warnten vor Hunderttausenden von Toten, sollte man ihren Empfehlungen nicht folgen. Hinzu kam der von der Opposition geschickt geschürte Verdacht, es gehe den Tories nur um den Schutz der Interessen der Wirtschaft. Und weil Johnsons Strategen fest an die Meinungsforschung glauben, wurden mit zeitlicher Verspätung auch in Großbritannien weite Teile der Wirtschaft in dem naiven Glauben geschlossen, man versetze sie lediglich in eine Art Winterschlaf, aus dem man sie jederzeit wieder aufwecken könne. Weil Eltern und Lehrer danach verlangten, machte man die Schulen dicht. Und die Tories wurden plötzlich zur Schutzmacht des maroden National Health Service (NHS).Nun zeigt sich allmählich der Preis der Angst vor dem Virus. Wenn die Lohnsubventionierung durch das Coronavirus Job Retention Scheme im Oktober ausläuft, könnten Millionen ihre Arbeit verlieren. Das ist – im Verbund mit dem Auslaufen der Brexit-Übergangsphase Ende des Jahres – keine gute Grundlage für die erhoffte V-förmige Erholung. Die unvermeidliche Suche nach den Schuldigen wird das politische Klima weiter vergiften.