Der Preis der Gesundheit
Gesundheitsvorsorge hat ihren Preis. Und darüber, wer diesen zahlt, wird in den USA derzeit heftig gestritten. Die Kritik konservativer Politiker an der Gesundheitsreform lautet grob zusammengefasst: “Obamacare” sei nicht bezahlbar. Die jungen Versicherten würden in zu teuren Policen ausgebeutet, um die Gesundheitsvorsorge für Alte und Kranke zu bezahlen. In Deutschland mag dies als normales Prinzip einer Sozialversicherung anerkannt sein: Alle zahlen ein, damit jene, die das Schicksal hart trifft, Hilfe bekommen. In den Vereinigten Staaten geißeln dies die meisten Republikaner hingegen als Sozialismus. Natürlich wird auch in den USA den Armen und Schwachen geholfen – in der Notaufnahme. Aber Rundum-Gesundheitsvorsorge muss man sich leisten können. Wer eine Vorerkrankung hatte, war bislang außen vor.Mit Obamacare ist dies nun anders und tatsächlich kommt es teils wie von den Konservativen befürchtet. Der Pharmagroßhändler Express Scripts hat in einer Studie ermittelt, dass Versicherte, die ihre Policen über die neuen Krankenversicherungsbörsen erworben haben, in den ersten sieben Monaten des Jahres zwar nur 1,3 % aller Spezialmedikamente erhielten. Dabei stehen sie allerdings für 38 % der Ausgaben, da sie wegen des häufigeren Auftretens schwerer Befunde teurere Mittel verschrieben bekommen. Über die Hälfte der Kosten entstehen demnach für die Behandlung von HIV-Infizierten. “Wir mutmaßten ursprünglich, dass es sich um einen kränkeren Bevölkerungsanteil handelt. Das kann ich jetzt offiziell bestätigen”, sagt auch Michael Showalter, Vertriebschef des Pharmahändlers Prime Therapeutics. Die Zahl der HIV-Patienten sei mehr als dreimal so hoch als bei anderen Versicherungstypen. Die Zahl der an Hepatitis C erkrankten liege um 160 % höher.Allerdings haben die Studien auch gezeigt, dass die Argumentation der Republikaner angesichts der Beschaffenheit der Gesundheitsreform auf tönernen Füßen steht. Während die über ihren Arbeitgeber Krankenversicherten eine umfangreiche Kostendeckung aufweisen, wählen viele Kunden, die eine eigene Police erwerben, einen hohen Selbstbehalt. Im Schnitt führt dies dazu, dass die Versicherer pro selbst Versichertem immerhin 10 % weniger monatlich für Arzneimittel ausgeben.Daher dürften auch die Demokraten frohlocken. Denn letztlich zeigt der hohe Anteil an schwer Erkrankten, dass diese vom normalen Zugang zur Gesundheitsvorsorge bislang ausgeschlossen waren. Dies zu ändern war ein wesentliches Ziel der Reform. Auch sei das Durchschnittsalter der neu Versicherten sechs Jahre höher als bislang. Die Befürchtung, zu viele Problemfälle könnten die Finanzierbarkeit aushebeln, ist zwar noch nicht vom Tisch. Hoffnung gibt es aber. Laut Express Scripts wiesen von den früh angemeldeten Versicherten etwa 13,3 % einen zu hohen Cholesterinspiegel auf. Bei den im Sommer angemeldeten waren es nur noch halb so viele. *Allerdings sind teure Neuversicherte längst nicht die einzige Ursache für möglicherweise zu hohe Gesundheitsvorsorgekosten. Teils unerklärliche Preisanstiege bei einigen Generika von mehr als 1 000 % in weniger als einem Jahr haben in den USA nun die Politik auf den Plan gerufen. So kostete etwa eine 500-Tabletten-Packung des Antibiotikums Doxycycline Krankenhäuser und Apotheken im Oktober 2013 gerade mal 20 Dollar. Im April 2014 wurden für eine solche Packung aber 1 849 Dollar aufgerufen. Der Preis für ein Fläschchen des Cholesterinsenkers Pravastin kletterte in der gleichen Zeitspanne von 27 auf 196 Dollar. Andere Generika legten geringere Preissteigerungen hin, die aber ebenfalls mehrere hundert Prozent ausmachten. Manchmal können Medikamentenpreise zwar steigen, wenn es etwa durch Produktionsprobleme oder Fabrikschließungen zu einer Angebotsverknappung kommt. Die Höhe der Preisanstiege hat indes die Vermutung aufkommen lassen, dass es sich um unlautere Geschäftspraktiken handelt. “Generika waren dazu gedacht, Medikamente für Millionen Amerikaner bezahlbar zu machen”, betont Senator Bernard Sanders aus Vermont. Daher werde man den seltsamen Preisanstiegen nun auf den Grund gehen.