Der Schlussspurt Bulgariens und Kroatiens in die Eurozone
Von Andreas Heitker, BrüsselIn Sofia und Zagreb knallten am Freitag die Sektkorken: Der bulgarische Lew und die kroatische Kuna wurden in den Wechselkursmechanismus (WKM) II aufgenommen und zugleich auch in die europäische Bankenunion. Das bedeutet: Der Weg in die Eurozone ist für Bulgarien und Kroatien jetzt unumkehrbar. Die Einführung des Euro setzt zwar noch eine mindestens zweijährige erfolgreiche Zeit im WKM II voraus. Ein Vetorecht gegen die endgültige Aufnahme in den Euroraum gibt es aber nicht mehr, auch nicht von der Europäischen Zentralbank (EZB). Es geht jetzt nur noch um die Frage des Wann und nicht mehr des Ob.Anders als bei früheren Beitritten mussten die beiden Länder bereits im Vorfeld zahlreiche Reformen unter anderem im Bankensektor auf den Weg bringen. Denn heute bedeutet ein Eintritt in die Eurozone zwingend auch eine Teilnahme an der Bankenunion, die es ja bei früheren Erweiterungsrunden noch gar nicht gegeben hat. Daher wurden bereits vor der WKM-II-Aufnahme genau die Aufsicht, die Unabhängigkeit der Zentralbank, die Einhaltung von Fiskalregeln, aber auch das Justizsystem oder das Thema Korruption durch die EZB und die EU-Kommission unter die Lupe genommen.Als Bulgarien im Juli 2018 und Kroatien genau ein Jahr später offiziell ihr Interesse an einer WKM-II-Aufnahme bekundet hatten, waren sie eine Reihe von politischen Verpflichtungen eingegangen. Diese sehen die EU-Institutionen jetzt als erfüllt an. So musste Bulgarien etwa die Aufsicht auch über den Nichtbanken-Finanzsektor verbessern – genau wie den Insolvenzrahmen, den Kampf gegen Geldwäsche und die Governance staatlicher Unternehmen. In Kroatien stand ebenfalls das Thema Geldwäsche auf der Agenda, aber auch die Erstellung von Statistiken, die Verwaltung im öffentlichen Sektor sowie die finanziellen und administrativen Belastungen von Unternehmen.Dass noch nicht alle Probleme zur vollsten Zufriedenheit gelöst sind, lässt sich im EZB-Konvergenzbericht vom Juni nachlesen, wo beispielsweise erwähnt wird, dass das bulgarische Recht noch nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem erfüllt. Neue Probleme durch Corona Aus dem EU-Parlament kommen zugleich Vorwürfe, dass die Regierung in Sofia nicht nur systematisch Staatsbürgerschaften verkaufe, um Einnahmen zu generieren, sondern auch wie eine Steueroase agiere. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold verweist darauf, dass Unternehmensgewinne hier mit lediglich 10 % versteuert würden und sogar noch geringere Sätze möglich seien. “Damit schwächt Bulgarien besonders das Nachbarland Griechenland. Bevor Bulgarien in den Euro aufgenommen wird, muss sich die Eurozone auf gemeinsame Mindeststeuersätze einigen”, fordert daher Giegold. Dass auch die Korruption im Land immer noch ein zentrales Problem ist, beweisen die Großdemonstrationen in Sofia und anderen Städten vom Wochenende.Nach der Aufnahme in den WKM II rücken für Bulgarien und Kroatien jetzt aber erst einmal verstärkt auch die Maastricht-Kriterien in den Fokus. Die meisten dieser Vorgaben erfüllen die Länder aktuell zwar (siehe Grafik). Allerdings hat Bulgarien noch Probleme mit der Inflation und Kroatien mit der hohen Verschuldung.Und die Auswirkungen der Corona-Pandemie könnten noch ganz neue Probleme mit sich bringen, vor allem beim Etatdefizit und der Verschuldung. Die EU-Kommission schätzt, dass der positive Kurs Kroatiens durch die hohen Krisenausgaben abrupt abreißt und das Land in diesem Jahr auf einen Schuldenstand von fast 89 % zurückfällt. Wie man mit dieser coronabedingten Verschlechterung künftig in der Eurozone umgehen soll, ist noch längst nicht entschieden. Auch beim Thema Inflation besteht nach Einschätzung der EZB aktuell noch eine hohe Unsicherheit darüber, wie sich die Raten künftig entwickeln werden.Theoretisch wäre eine Euro-Einführung in Bulgarien und Kroatien ab 2023 denkbar. Es wären die ersten Neuzugänge im Euro-Club seit dem Beitritt Lettlands (2014) und Litauens (2015). Die Spreizung der Wirtschaftskraft innerhalb der Währungsgemeinschaft würde damit noch einmal ein Stück größer werden, gehören beide Länder doch zu den ärmsten in der EU. Bulgarien kam 2019 gerade einmal auf ein Bruttoinlandsprodukt von 8 680 Euro pro Kopf, Kroatien von 12 620 Euro. Die Eurozone liegt aktuell bei durchschnittlich 34 770 Euro.Zudem: Die Begeisterung über den Euro-Kurs ihrer Regierungen hält sich in der Bevölkerung in Grenzen. In einer Umfrage von 2019 sagten nur 42 % der Kroaten, sie fänden den Euro gut; 54 % lehnten ihn ab. In Bulgarien waren die Quoten mit 40 % zu 45 % auch nicht sehr viel besser.