Der steigende Preis der höheren Bildung
Einige Dinge haben Seltenheitswert und werden daher besonders wertgeschätzt. So kommen etwa die Menschen im US-Bundesstaat Alabama sehr selten dazu, Schlitten zu fahren. 20 Zentimeter Neuschnee Ende Februar 2015 bedeuteten für die Stadt Huntsville daher nicht nur Verkehrschaos und den stärksten Schneefall seit Beginn der Aufzeichnungen 1895. Es wurde auch im Schnee getanzt.Fast ebenso selten wie Schnee in Alabama ist kostenlose Hochschulbildung in den USA. Stipendien für Athleten sind hiervon auszunehmen. Diese zahlen schließlich mit mehr als 40 Stunden Wochenarbeitszeit – neben dem Studium. Eine umso mehr geschätzte Ausnahme war daher lange die New Yorker Cooper Union for the Advancement of Science and Art. Die 1859 in Manhattans East Village von Industriemagnat Peter Cooper gegründete Universität baut auf dem Prinzip auf, den besten Schülern die beste Ausbildung zuteilwerden zu lassen – ungeachtet von Rasse, Religion, Geschlecht, Vermögen oder sozialem Status. Angelehnt war dies an die 1794 gegründete französische École Polytechnique. Über eine Stiftung sollte der Zugang stets frei bleiben und war dies auch mehr als 130 Jahre über den Tod des Gründers im Jahr 1883 hinaus. Seit Herbst 2014 hat sich die kostenfreie Ausbildung in der Cooper Union allerdings erledigt – zumindest für neue Studenten. Statt 100 % werden nun nur noch gut 50 % der Studiengebühren erlassen. Die Kosten für Studierende sind damit immens gestiegen, und Cooper Union ist vom günstigsten plötzlich zu einem recht teuren College mutiert – das aber noch die Steuervorteile einer Stiftung genießt. So muss etwa auf das im Besitz befindliche Chrysler Building keine Grundsteuer gezahlt werden.Derzeit beträgt die Studiengebühr 19 800 Dollar im Semester. Davon werden den Studenten 10 000 Dollar über ihr Stipendium erlassen. 19 600 Dollar im Jahr werden damit künftig fällig. Mit einer unbezuschussten Studiengebühr von jährlich 39 600 Dollar kratzt Cooper bereits an der höchsten Preiskategorie der US-Hochschullandschaft. So kostet etwa ein Studium an der renommierten Princeton University mit 41 820 Dollar Studiengebühr im Jahr nur unwesentlich mehr. Inklusive Wohnkosten und weiterer Gebühren kommt noch einmal fast die Hälfte hinzu, und in Princeton beläuft sich der Preis auf fast 60 000 Dollar. Auch bei der Cooper Union sind Aufwendungen für Bücher, Wohnung und Essen nicht inklusive.Der Wechsel vom kostenlosen auf einen kostspieligen Unizugang hat New Yorks Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman auf den Plan gerufen. Der 60-Jährige, der sich sonst mit Investmentbanken duelliert, will die schlechten Investitionsentscheidungen untersuchen, die eine Erhebung von Studiengebühren letztlich erzwungen haben. Ein Sprecher der Hochschule sicherte Schneiderman volle Kooperation zu. Man habe hart dafür gearbeitet, nach Jahrzehnten mit hohen Verlusten wieder auf einem soliden finanziellen Fundament zu stehen.In der Kritik steht damit auch George Campbell Jr., der die Universität von 2000 bis 2011 geleitet hatte. Neben einigen Immobiliengeschäften will sich Schneiderman dessen üppige Bonuszahlungen ansehen. Zum Abschied gab es für Campbell knapp 1,1 Mill. Dollar in sechs jährlichen Raten. Schon in seiner aktiven Zeit hatte der heute 72-Jährige ungewöhnlich hohe Boni ausgehandelt. So verdiente er etwa 2009 knapp 670 000 Dollar – 175 000 Dollar davon als Bonus.Campbell ist sich keiner Schuld bewusst. Sein Basislohn sei so niedrig gewesen, dass ein höherer Bonus “durchaus angemessen” gewesen sei. In dieser Einschätzung spiegelt sich Campbells Einstellung zur Bezahlung von Führungskräften generell wider. Als Board-Mitglied des Energiekonzerns Con Ed hatte er einem nachträglichen Zusatzbonus von 20 % für alle Vorstände 2012 zugestimmt – in dem Jahr, in dem mehr als 230 000 New Yorker Kunden wegen des Tropensturms “Sandy” ihren Strom verloren und teils erst nach Wochen wiedererlangt hatten. Ohne Strom im Winter? Vielen New Yorkern dürfte da kaum nach Tänzen im Schnee zumute gewesen sein. Aber New York ist nicht Alabama, und Schneestürme sind hier ebenso häufig wie kostspielige Bildungseinrichtungen.