DIE ÖKONOMISCHE ORDNUNG ZERBRICHT

Der Verlust des Vertrauens

Rückhalt für Notenbanken in der Öffentlichkeit teils dramatisch gesunken - Angst vor Krise des Geldsystems

Der Verlust des Vertrauens

Von Mark Schrörs, FrankfurtIn der Weltfinanzkrise, vor allem im Jahr 2008, hat primär das beherzte Eingreifen der Notenbanken verhindert, dass die Krise in eine große Depression wie in den 1930er Jahren mündete. Sie griffen zu beispiellosen Liquiditätsspritzen, Leitzinssenkungen und ersten Wertpapierkäufen. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, preist die Notenbanker denn auch als “Helden der Krise”.Dennoch stehen die Währungshüter heute unter Beschuss wie nie: In den USA hat der künftige Präsident Donald Trump Fed-Chefin Janet Yellen so scharf attackiert, das schon spekuliert wurde, wie lange sie das mitmacht. In Euroland hat Finanzminister Wolfgang Schäuble der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Mitschuld am Erstarken populistischer Bewegungen wie der AfD gegeben. Und in Großbritannien hat Regierungschefin Theresa May die Bank of England mitverantwortlich gemacht für die wachsende Ungleichheit.Zugleich nimmt auch in der Öffentlichkeit die Kritik zu – und das Vertrauen ab. Beispiel EZB: Laut Eurobarometer überwiegt die Zahl der EU-Bürger, die der EZB misstrauen, jene, die ihr vertrauen, längst deutlich (siehe Grafik). Nun ist zwar das Vertrauen in alle EU-Institutionen gesunken. Für die EZB ist das aber besonders dramatisch, weil für eine Zentralbank das Vertrauen der Öffentlichkeit ein besonders hohes Gut ist. Kein Wunder, dass das auch in EZB-Kreisen viele mit Sorge erfüllt.Die Gründe für den Vertrauensverlust der Zentralbanker sind mannigfaltig. Dazu beigetragen hat sicher, dass auch sie die Finanzkrise nicht haben kommen sehen. Schlimmer noch: Eine zu lockere Geldpolitik, allen voran der US-Notenbank Fed Anfang, Mitte der 2000er Jahre, ist mindestens mitverantwortlich für das Entstehen der finanziellen Ungleichgewichte, die sich in der Krise entluden. So sehr den Notenbankern Respekt gebührt für ihr Handeln in der Krise, also gegen eine Schockstarre im Finanzsystem – ihre vorherige Mitschuld schmälert dieses Verdienst. Galten sie in der Zeit der “Great Moderation” als Art Magier, die den Schwankungen von Wachstum und Inflation ein Ende bereitet haben, war dieser Nimbus mit der Krise dahin. Exzessive ErwartungenEin anderer Grund für den schwindenden Rückhalt ist, dass zumindest sehr fraglich ist, ob die Notenbanken spätestens seit 2010 mit ihrer Politik des immer billigeren Geldes, mit der sie das Wachstum aufzupäppeln versuchen, mehr Nutzen stiften, als Schaden anrichten. Selbst die Zentralbank der Zentralbanken BIZ deutet an, dass die Endbilanz womöglich nicht allzu positiv ausfällt. Teils exzessive Erwartungen an die Wirtschaftsbelebung durch die ultralockere Geldpolitik, die die Notenbanken selbst mitgeschürt haben, erfüllten sich jedenfalls bislang vielfach nicht. Eine schlechte wirtschaftliche Lage aber ist immer auch schlecht für die Reputation der Zentralbanken. In Euroland kommt der EZB auch teuer zu stehen, dass sie bei der Krisenbewältigung von der Politik oft allein gelassen worden ist. Zugleich wächst längst die Sorge, dass die Notenbanken mit ihrer anhaltenden Niedrigzinspolitik und den fortgesetzten Markteingriffen selbst bereits die Grundlage für die nächste Finanzkrise legen – ergo, dass sie nichts aus ihren Fehlern gelernt haben.In jedem Fall aber haben sie immer tiefer in die Instrumenten- und Trickkiste gegriffen und dabei nicht nur viele Tabus gebrochen und ihre Mandate mindestens extrem gedehnt – sondern auch manche geld- und wirtschaftspolitische Vorstellung komplett auf den Kopf gestellt: Der Kauf von Staatsanleihen, der die lange Zeit hoch gehaltene Trennung von Geld- und Fiskalpolitik verwässert, ist ein Beispiel. Der Kauf von Unternehmensanleihen durch die EZB, der Erwerb von Aktien durch die Bank of Japan – das alles ist nichts, was nach gängiger Definition Aufgabe einer Zentralbank ist. Nach Ansicht von immer mehr Bürgern ist die Geldpolitik außer Rand und Band.Ein besonderes Beispiel dafür sind die Null-, aber vor allem auch die Negativzinsen. Sie brechen mit der Vorstellung, dass Geld einen Preis hat; sie führen das gängige Verständnis von Sparen versus Schuldenmachen ad absurdum. Solche psychologischen Effekte haben viele Notenbanker unterschätzt. Wenig hilfreich ist da auch eine Debatte über die Abschaffung des Bargelds. So etwas schürt das ungute Gefühl, dass noch die letzten Grenzen beseitigt werden sollen, um diese extreme Geldpolitik auf die Spitze zu treiben.Hinzu kommt schließlich, dass die Notenbanken nicht nur als Helfer oder gar Teil des Bankensystems wahrgenommen werden, das drastisch an Ansehen eingebüßt hat. Sie gelten als Teil eben jener “Elite”, die von immer mehr Bürgern missbilligt, ja teils verachtet wird. Die Geldpolitiker werden mitverantwortlich gemacht für das Gefühl einer zunehmenden Ungleichheit, das Populisten aufgreifen – auch wenn über die Nettoeffekte der ultralockeren Geldpolitik auf die Vermögensverteilung trefflich gestritten wird. Teils zahlen die Notenbanken den Preis dafür, dass sie sich von der Politik haben vereinnahmen lassen – und selbst zum politischen Akteur mutiert sind.Die große Gefahr bei all dem ist, dass am Ende nicht nur das Vertrauen in die Institution Zentralbank schwindet und die Unabhängigkeit der Geldpolitik in Zweifel steht – sondern, dass auch das Vertrauen in die Währungen und das Geldsystem insgesamt riskiert wird.Bei aller Kritik an EZB & Co. scheint es so weit aber noch nicht zu sein: So hat die Unterstützung für den Euro weit weniger gelitten als das Vertrauen in die EZB (siehe Grafik). Bemerkenswerterweise hat in Deutschland der Rückhalt seit 2010 gar zugelegt. Und auch ein Vertrauensverlust in den Dollar – die globale Leitwährung – ist nicht auszumachen. Die Notenbanker sollten das aber keineswegs als gegeben nehmen – oder gar als Freibrief verstehen, immer so weiterzumachen. Nach Weltfinanzkrise und Euro-Schuldenkrise sowie Anfängen einer Demokratiekrise ist eine Krise des Währungs- und Geldsystems das Letzte, was es jetzt braucht. Dann würden die “Helden der Krise” endgültig zu tragischen Helden.