LÄNDERREPORT: SLOWENIEN

Der Weg vom Musterschüler zum Beihilfekandidaten

Bankenprobleme belasten die wirtschaftliche Erholung - Noch Puffer bei den Staatsfinanzen - Reformen dringend nötig

Der Weg vom Musterschüler zum Beihilfekandidaten

Von Daria Orlova *) Einst ein Musterbeispiel für die europäische Integration unter den mitteleuropäischen Staaten, zählt Slowenien heute zur Euro-Peripherie und steht nur knapp davor, als sechstes Land ein Programm der Euro-Rettungsschirme beantragen zu müssen. Wie kam es dazu, und wie soll es für Slowenien nun weitergehen?Die Probleme haben sich bereits kurz nach der Finanzkrise abgezeichnet. Ende 2008 rutschte das Land in eine Rezession, die deutlich tiefer ausfiel als in den anderen EU-Staaten. Allein 2009 ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7,8 % geschrumpft. Erst nach über einem Jahr fand Slowenien wieder auf den Wachstumspfad zurück. Doch nur um vom dritten Quartal 2011 an erneut in den negativen Bereich abzurutschen, wo es sich seitdem befindet. Sowohl für 2012 als auch für 2013 steht mit minus 1,8 % bzw. minus 0,6 % ein Schrumpfen der Wirtschaft zu erwarten. Erst gegen Ende 2013 dürfte dann Licht am Ende des Rezessionstunnels zu sehen sein, sodass die Konjunktur 2014 wohl wieder ins positive Terrain zurückfindet. Sehr offene WirtschaftZurückzuführen ist die gegenwärtige Konjunkturschwäche zum Teil auf die große Offenheit der kleinen slowenischen Volkswirtschaft, die stark unter dem Einbruch der Exportnachfrage ihrer Haupthandelspartner in der EU gelitten hat. Doch die ungünstige Handelsstruktur allein kann man dafür nicht verantwortlich machen. Denn ähnlich wie in Spanien und Irland – wenn auch in kleinerem Ausmaß – wurde der Wirtschaftsaufschwung der Vorkrisenjahre durch einen Kredit- und Bauboom beflügelt, der mit steigender Verschuldung im Banken- und Unternehmenssektor verbunden war. Die Rezession setzte dem Bauboom ein Ende: Allein 2011 ist die Bautätigkeit um 25 % eingebrochen. Das ist ein starker Belastungsfaktor für die Konjunktur, aber auch für das Bankensystem, das seitdem mit einem steigenden Berg an notleidenden Krediten zurechtkommen muss – ebenfalls ähnlich wie in Spanien oder Irland.Der Anteil der notleidenden Kredite im slowenischen Bankensystem beträgt derzeit über 15 %. Noch dramatischer sieht es im Kreditbuch der drei größten Banken des Landes aus, die vor der Krise besonders aktiv Kredite an (Bau-)Unternehmen vergeben hatten. Hier ist nahezu ein Fünftel aller Kredite bereits notleidend. Es erstaunt also wenig, dass die Finanzinstitute nur mit Mühe und Not – und Kapitalspritzen vom Staat – die von der EU vorgeschriebene Eigenkapitalquote (Tier 1) von 9 % einhalten können. Erst diesen Sommer musste der Staat das größte Finanzinstitut des Landes, die Nova Ljubljanska Banka, mit rund 380 Mill. Euro stützen. Das war bereits die zweite Kapitalspritze seit dem Ausbruch der Euroland-Krise. Der Betrag sieht zwar im europäischen Vergleich sehr gering aus, denn es handelt sich ja um Millionen und nicht um Milliarden. Aber die Summe entspricht 1,1 % der Wirtschaftsleistung Sloweniens. Nach den Schätzungen der Ratingagentur Fitch dürfte der slowenische Bankensektor in den kommenden Jahren weitere 8 % des BIP an Kapital benötigen.Dieser Kapitalbedarf wird sehr wahrscheinlich hauptsächlich vom Staat aufzubringen sein. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen neuen EU-Staaten, wo das Bankensystem von ausländischen Finanzinstituten dominiert wird, befindet sich in Slowenien der Großteil des Bankensystems in slowenischer Hand. Etwa 30 % aller Banken sind unmittelbar in staatlichem Besitz. Wenn es den Banken an Kapital fehlt, ist der Staat also auch direkt als Eigentümer gefragt. Einen Plan zur Bewältigung der Bankenkrise hat die Regierung vor Kurzem ausgearbeitet. Die Finanzinstitute sollen die faulen Kredite in einem Umfang von bis zu 4 Mrd. Euro in eine Bad Bank auslagern und für diese staatsgarantierte Papiere erhalten. Der Vorteil der Garantielösung gegenüber den direkten Kapitalspritzen an die kriselnden Banken liegt darin, dass der slowenische Staat diese 4 Mrd. Euro erst einmal nicht auf dem Kapitalmarkt aufnehmen muss. Letzteres wäre heute eher schwierig. Mittelfristig strebt das Sanierungsprogramm dann eine Privatisierung des Bankensektors an.Ob das Programm wie geplant durchgeführt werden kann, ist derzeit aber unsicher. Obwohl es der Regierungskoalition gelungen ist, den Gesetzesentwurf trotz des Widerstands der oberen Kammer durchs Parlament zu bringen, hat die Opposition nun ein Referendum zu dem Gesetz beantragt. Zwar sieht es derzeit danach aus, dass der Referendumsantrag aus formaljuristischen Gründen (Unterschriftkopien statt echter Unterschriften) für ungültig erklärt wird. Doch eine Entscheidung steht noch aus.Die Situation mit dem drohenden Referendum bzgl. der Einrichtung der Bad Bank ist für das politische Leben Sloweniens durchaus charakteristisch. Obwohl die Krise bereits drei Jahre andauert, hat die Politik kaum zu ihrer Lösung beigetragen. Und es liegt nicht daran, dass die aktuelle und die vorherigen Regierungen den Reformbedarf, z. B. im Rentensystem und am Arbeitsmarkt, nicht erkannt hätten. Die Reformabsichten und -pläne sind durchaus da. Es fehlt aber an der Fähigkeit zu deren Durchsetzung. Zu gering ist der Reformkonsens, und zu stark sind die gesellschaftlichen Widerstände gegen die Reformen. Mögliches ReferendumIm vergangenen Jahr musste die Regierung unter Borut Pahor nach der Niederlage beim Referendum über die Rentenreform gehen. Die gegenwärtige Regierung unter Janez JanÜa, die seit Anfang 2012 an der Macht ist, will noch bis Jahresende einen neuen Anlauf unternehmen: Das Rentenalter soll einheitlich auf 65 Jahre (derzeit: 63 für Männer und 61 für Frauen, mit zahlreichen Sonderregelungen) erhöht werden. Zudem ist geplant, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren und den Kostenblock für Staatsbedienstete zu reduzieren. Sollten die Reformen dieses Mal tatsächlich verabschiedet werden, wäre das sehr positiv für die Investorenstimmung gegenüber Slowenien. Denn zum einen würde es zeigen, dass die Regierung auch bei schwierigen Entscheidungen handlungsfähig bleibt. Zum anderen würden dann auch die künftigen Belastungen für den Staatshaushalt deutlich geringer ausfallen. Durch den Erfolg des gesamten Maßnahmenpakets (Bad Bank und Strukturreformen) kann Slowenien durchaus noch vermeiden, Euro-Rettungsmittel beantragen zu müssen. Sollten die Reformen auch dieses Mal scheitern, bleibt dem Land aber immer weniger Spielraum.Noch ist aber fiskalischer Freiraum vorhanden. Denn die Lage der Staatsfinanzen hat sich in den Krisenjahren zwar stark verschlechtert. Das Niveau der Staatsverschuldung dürfte 2012 beispielsweise auf rund 55 % des BIP gestiegen sein, während es 2008 noch 22 % waren. Dieses Verschuldungsniveau ist aber durchaus tragfähig, selbst wenn man die Eventualverbindlichkeiten aus der Sanierung des Bankensystems (ca. 10 % des BIP nach dem Bad-Bank-Konzept) dazurechnet. Die Schuldenstandsquote nimmt sich nicht nur im Vergleich zu den anderen Peripheriestaaten wie Spanien (ca. 90 % des BIP) oder Irland (ca. 115 %) positiv aus, die durchaus ähnliche strukturelle Probleme wie Slowenien aufweisen. Auch relativ zur Eurozone als Ganzem (ca. 94 % des BIP) fällt die Schuldenquote Sloweniens noch unterdurchschnittlich aus.Doch damit es so bleibt, muss das Land sein Budgetdefizit unter Kontrolle bekommen, das sich in den vergangenen drei Jahren entweder unter oder knapp über 6 % des BIP bewegt hat. Eine Konsolidierung ist zwar geplant, die Ziele dürften aufgrund der schlechten Konjunkturentwicklung aber verfehlt werden. Es kommt allerdings in erster Linie auf eine glaubwürdige Konsolidierungspolitik an, nicht auf einzelne Defizitpunkte. Umso mehr sind von der Politik Entschlossenheit und Durchsetzungsfähigkeit gefragt. Die Regierung dürfte mit der Verabschiedung der oben beschriebenen Reformpakete schon dieses Jahr Gelegenheit bekommen, den Finanzmärkten zu zeigen, zu was sie in dieser Hinsicht fähig ist – oder eben nicht.Solange von der politischen und wirtschaftlichen Seite so vieles unklar ist, bleibt Slowenien auf dem Kapitalmarkt in einem Schwebezustand. Die Ratingdynamik kennt seit 2011 nur eine Richtung – nach unten, und zwar mit einem von Jahr zu Jahr schnelleren Tempo. Standard & Poor’s (S & P) und Fitch sehen das Land noch im unteren “A”-Bereich. In der Beurteilung von Moody’s ist Slowenien dagegen nur noch zwei Schritte vom Ramschniveau entfernt. Die Ratingagenturen sind sich allerdings bezüglich der negativen Ratingaussichten einig. S & P hat Slowenien vergangene Woche nach den Meldungen über das mögliche Referendum mit einem “Credit Watch negative” sogar unter verschärfte Beobachtung gesetzt. Das Abrutschen in den spekulativen Bereich ist für Slowenien also durchaus eine realistische Gefahr. EZB-Ankündigung hilftEin noch akuteres Risiko ist die Versorgung mit Liquidität über den Kapitalmarkt, sowohl für den slowenischen Staat als auch für seinen Unternehmens- und Bankensektor. Seit über einem Jahr konnte sich Slowenien keine langfristigen Anleiheemissionen mehr leisten und war auf kurzfristige Refinanzierung angewiesen. Die geforderten Renditen waren mit bis zu 7,6 % für die zehnjährigen Staatsanleihen in der Spitze der Euroland-Krise einfach zu hoch. Mit der Ankündigung des Staatsanleiheankaufprogramms der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich die Marktstimmung auch in Bezug auf Slowenien aufgehellt, wie der Erfolg der zehnjährigen Anleiheemission in Dollar vom Oktober zeigt, die etwa fünffach überzeichnet war. Das Land konnte 2,25 Mrd. Dollar zu 5,7 % aufnehmen und so über die Hälfte seines Refinanzierungsbedarfs decken. Entspannt zurücklehnen kann sich der Portfolioanleger in Slowenien aber nicht. Denn zum einen drohen wieder Turbulenzen von der politischen Seite. Und zum anderen ändert eine erfolgreiche Emission noch nichts daran, dass Slowenien als Teil der Euroland-Peripherie gesehen wird und damit ein Spielball in der Schuldenkrise bleibt, die uns noch mehrere Jahre begleiten dürfte.—-*) Daria Orlova ist Volkswirtin im Makro-Research der DekaBank.