NOTIERT IN MAILAND

Der wundersame Wandel des Professore

Der ehemalige EU-Kommissar und geschäftsführende Regierungschef Italiens, Mario Monti, hat sich gewandelt: vom parteiunabhängigen Professore zum aktiven Wahlkämpfer, der seine Meinung klar äußert. Monti spricht allerdings immer noch lieber auf dem...

Der wundersame Wandel des Professore

Der ehemalige EU-Kommissar und geschäftsführende Regierungschef Italiens, Mario Monti, hat sich gewandelt: vom parteiunabhängigen Professore zum aktiven Wahlkämpfer, der seine Meinung klar äußert. Monti spricht allerdings immer noch lieber auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos als vor unschlüssigen italienischen Wählern. Auch im ökonomischen Umfeld und bei Regierungschefs kommt er besser an. Vergangene Woche sank die Zustimmung in der Bevölkerung zu Monti weiter. Laut Meinungsforschern gab er einen weiteren Punkt auf 9 % ab. Gemeinsam mit den Zentrumsparteien von Ferdinando Casini (UdC) und Gianfranco Fini (FI) kommt er auf knapp 15 %.Monti hat sich mit seinem Schritt in die Politik viele Sympathien verscherzt. Der aristokratisch wirkende Professor kann nicht überzeugen, dass er der “Reformer par exzellence” sei, für den er sich ausgibt. Denn seine beiden Partner, Casini und Fini, mischen seit über einem Vierteljahrhundert in der italienischen Politik kräftig mit. Sie zählen in Rom zu den politischen Dinosauriern. Beide waren einst Koalitionspartner ihres inzwischen größten Gegenspielers, Silvio Berlusconis. Insofern wirkt Monti damit, dass er das Uralt-System der politischen Mauschelei in Italien abschaffen will, unglaubwürdig.Was er mittelfristig anstrebt, bleibt unklar. “Als Regierungschef eines Expertenkabinetts war Monti glaubwürdig, als politischer Kandidat ist er dies nicht mehr”, brachte es der 41-jährige Rechtsanwalt Umberto Ambrosoli auf den Punkt. Ambrosoli ist Kandidat der Bürgergesellschaft und der Sozialdemokraten und peilt das Amt der Präsidenten der norditalienischen Region Lombardei an. *Infolge der Wirtschaftskrise und des ungewissen Wahlausgangs herrscht in Mailand eine eher düstere Stimmung. Die Zukunft ist ungewisser als je. Selbst die Herrenmode gibt sich in Mailand bedeckt. Um magere 1,9 % stieg der Umsatz der italienischen Modebranche im Schlussquartal 2012, ein Jahr zuvor waren es noch 10,9 %. Bei der Herrenmodewoche in Mailand, Mitte Januar, wurde wenig Optimismus gezeigt. “Arbeit”, “Einfachheit” und “Tradition” standen im Mittelpunkt der Schauen. So entwarf Starstilist Tomas Meier für Bottega Veneta eine äußerst düstere, von militärischer Strenge geprägte Kollektion. Er zeigte schlichte Einfachheit, hochgeschlossene Jacken und Mäntel sowie dreiteilige Anzüge. Optimismus sieht anders aus. Allerdings verzeichnet Meier, besser gesagt Bottega Veneta, die zum französischen PPR-Imperium zählen, Jahr für Jahr neue Rekordumsätze. Insofern liegt in der neuen Strenge der Mailänder Herrenmode zweifellos das Rezept für künftige Erfolge.”The show must go on” war das Motto der Modefamilie Missoni beherzigt. Obwohl Vittorio Missoni, der mit seinen Geschwistern Luca und Angela das Unternehmen leitet, immer noch nach einem mysteriösen Flugzeugunglück in Venezuela gesucht wird, präsentierte Missoni bei der wichtigen Herrenmodewoche seine Kollektion. Ein langer Applaus und eine Schweigeminute galten dem verschollenen Familienmitglied. Von der 14-köpfigen Familie war jedoch niemand präsent. “Die Schau ist öffentlich, die Trauer privat”, kommentierte Designerin Angela Missoni. Der Erfolg des 1953 gegründeten Woll-Modekonzerns basierte nicht nur auf der farbenfrohen Zickzack-Strickmode, sondern auch auf der Familie. In den meisten Werbespots ist der Clan, Großeltern Ottavio und Rosita, die drei Sprösslinge Vittorio, Luca (technischer Direktor) und Designerin Angela mit ihren Kindern, abgebildet. So ist Missoni nicht nur ein Aushängeschild für die Mailänder Modebranche, sondern auch für den Familienkapitalismus Norditaliens schlechthin. Dieser strebt mehr und mehr an die Börse. Es gibt berechtigte Chancen, dass Missoni nun an die Börse geht, um sich frisches Kapital zu beschaffen, wird in Mailand gemunkelt. Als mögliche Börsen-Kandidaten werden auch Nobelschneider Ermegildo Zegna und die Designerin Alberta Ferretti genannt. Der Erfolg der beiden Luxusmodefirmen Salvatore Ferragamo (IPO 2011) und Brunello Cucinelli (2012) mit Kursgewinnen bis zu 80 % soll die neuen Kandidaten stimulieren.