Der Wunsch nach Kontrolle im Flüchtlingsdilemma

Von Jan Schrader, Frankfurt Börsen-Zeitung, 18.11.2015 Wie schön wäre es doch, wenn niemand mehr aus der Not heraus sein Land verlassen müsste, um woanders in Frieden und Wohlstand zu leben. Der Wunsch wird dieser Tage wieder häufiger geäußert,...

Der Wunsch nach Kontrolle im Flüchtlingsdilemma

Von Jan Schrader, FrankfurtWie schön wäre es doch, wenn niemand mehr aus der Not heraus sein Land verlassen müsste, um woanders in Frieden und Wohlstand zu leben. Der Wunsch wird dieser Tage wieder häufiger geäußert, erlebt die Bundesrepublik doch derzeit eine regelrechte Welle an Zuwanderern. Am Montagabend erklärte auf einem festlichen Abenddinner vor geladenen Gästen in Frankfurt die KfW, die Fluchtursachen angehen zu wollen. Sie hilft demnach nicht nur im Inland bei der Unterbringung der Zuwanderer, sondern unterstützt in krisengeschüttelten Ländern die Menschen vor Ort – “damit sie erst gar nicht Flüchtlinge werden”, wie das Vorstandsmitglied Norbert Kloppenburg sagte, verantwortlich für die internationale Finanzierung. Waren demnach vor rund drei Jahrzehnten Konflikte wie etwa mit den Tuareg im Norden Malis ein regionales Phänomen, so habe der jüngste Konflikt in dem Land bereits globale Auswirkungen. Ziel müsse es sein, “das Leben in der Region zu erleichtern”, sagte Kloppenburg auf der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte getragenen Veranstaltung.Die Forderung, die Fluchtursachen zu bekämpfen, klingt einleuchtend. Sie ist der kleinste gemeinsame Nenner im Streit um die Frage, wie offen gegenüber Migranten und Flüchtlingen die reiche Welt sein sollte und auch sein muss, ohne dabei die Kontrolle über die Zuwanderung zu verlieren, so wie das in den vergangenen Wochen zum Teil bereits der Fall gewesen ist. Weil die Ungleichheit zwischen den reichen und armen Ländern enorm ist und Konflikte und Kriege vielerorts andauern, wird die Druck zur Auswanderung nach Europa auch in den kommenden Jahrzehnten hoch sein. Die KfW hilft über die Entwicklungsbank etwa in Flüchtlingslagern und deren Umgebung und will Anreize gegen die Ausreise setzen. Mehr MigrationDoch führen mehr Hilfen tatsächlich zu weniger Migration? Ein steigendes Pro-Kopf-Einkommen jedenfalls kann in ärmeren Ländern auch zu mehr statt weniger Emigration führen, wie Paul Collier, Afrika-Ökonom an der Universität in Oxford, in seinem Buch “Exodus” argumentiert und dabei auch auf Daten der Weltbank verweist. Denn wenn die Armut nicht mehr ganz so bitter sei, werde plötzlich auch eine Ausreise finanzierbar, während das Wohlstandsgefälle weiterhin hoch bleibe und die bereits in reichen Ländern lebenden Landsleute einen weiteren Anreiz zur Ausreise darstellten. In der globalisierten Welt tun sich für viele Menschen Möglichkeiten zur Ausreise auf, die es ein oder zwei Generationen zuvor nicht gab, wie Kloppenburg sagt. Will die KfW dagegen etwas tun?Wie auch immer die Antwort ausfällt – eine Förderbank muss nicht Flucht und Migration verhindern und dem Wunsch nach Kontrolle gerecht werden. Die anhaltend breite Kluft zwischen Reich und Arm sollte jedenfalls Grund genug sein, mehr für Menschen in Not zu tun. ——–Um den Flüchtlingsstrom nach Europa zu bremsen, setzt die KfW auf mehr Hilfen vor Ort.——-