LEITARTIKEL

Der Yuan streift die Fesseln ab

Manchmal gelingt es, aus der Not eine Tugend zu machen. Zumindest ist es einen Versuch wert. Chinas Zentralbank hat bemerkenswerte Maßnahmen getroffen, um sowohl an der Währungsfront wie auch auf geldpolitischer Ebene auf missliche Situationen zu...

Der Yuan streift die Fesseln ab

Manchmal gelingt es, aus der Not eine Tugend zu machen. Zumindest ist es einen Versuch wert. Chinas Zentralbank hat bemerkenswerte Maßnahmen getroffen, um sowohl an der Währungsfront wie auch auf geldpolitischer Ebene auf missliche Situationen zu reagieren, die von einer unerwarteten weiteren Verschärfung des Handelsstreits mit den USA heraufbeschworen worden sind. Dabei wird in gewisser Weise auf reformerische Akzente gesetzt.Einerseits wurde beim chinesischen Yuan und dem Austauschverhältnis zum Dollar ein Bann gebrochen, indem die People’s Bank of China (PBOC) Anfang August in Reaktion auf eine neue Strafzollsalve aus den USA mit dem Verzicht auf weitere Stützungsmaßnahmen den Wechselkurs über die an den Devisenmärkten als wichtige Grenze geltende Marke von 7 Yuan je Dollar gehen ließ. Zwei Wochen später wurde auf geldpolitischer Ebene ein kleiner, aber feiner Liberalisierungsschritt eingeleitet.Mit der Einführung eines neuen, stärker marktgebildeten Referenzzinssatzes für Kreditkonditionen gesellt sich eine neue Benchmark zum starren Leitzinssatz hinzu. Sie soll es erlauben, dämpfend auf die Kreditkosten im Reich der Mitte einzuwirken. Und zwar ohne eine förmliche Leitzinssenkung vorzunehmen, mit der sich gefährliche Nebenwirkungen in Form von Abwärtsdruck auf die Währung sowie Assetpreisblasen an Wertpapier- und Wohnimmobilienmärkten zu verbinden pflegen.China ist noch weit von einem den Marktkräften überlassenen flexiblen Wechselkurssystem entfernt und steht erst am Anfang von Reformen hin zu einer durchgängig marktgesteuerten Zinsbildung. Dennoch sind beide Maßnahmen zumindest Ansätze von Liberalisierungsschritten, mit denen man sich westlichen Praktiken annähert und die man beispielsweise auch in den Reformempfehlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) stets wiederfindet. Die neuerliche Ausrufung von US-Strafzöllen hat den Yuan zwangsläufig weiter unter Druck gesetzt. Für die PBOC war dies Anlass genug, sich von den psychologischen Fesseln der 7-Yuan-Marke zu lösen und das Spielchen mit immer neuem Stützungsbedarf bei jedweder handelspolitischen Attacke aus Washington aufzugeben.Aus ökonomischer Sicht spricht nichts dagegen, den Yuan etwas mehr atmen zu lassen beziehungsweise die mit weiteren Verschärfungen des Handelsstreits einhergehende Beeinträchtigung der heimischen Wirtschaftsdynamik reflektieren zu lassen. In Washington wird dies freilich in einem ganz anderen Licht gesehen. Die US-Regierung nahm dies zum Anlass, China nun offiziell als Währungsmanipulator zu brandmarken. Dabei wird auch der Verzicht auf Stützungsmaßnahmen als eine zielgerichtete Abwertungsattacke definiert.Die Aufgabe der 7-Yuan-Schwelle ist zweifelsohne ein Warnschuss, der sich aber bislang mit einer relativ geringfügigen Schwächung des Yuan verbindet. Von einer Abwertung, mit der sich reelle Vorteile im Außenhandel erzielen lassen, ist man weit entfernt. Nach wie vor gibt es wenig Anzeichen dafür, dass die PBOC im Rahmen ihres Wechselkurssteuerungssystems eines Managed Float den Managing-Aspekt aufgibt und eine starke Abwertungsbewegung zulässt, mit der man sich unweigerlich Kapitalfluchtprobleme einfangen würde. In jedem Fall aber hat es gewisse Vorteile, die Fluktuationsbreite des Yuan in den kommenden Wochen und Monaten zu erhöhen. Wenn die Märkte nicht mehr auf eine Grenze mit runden Zahlen schielen, hilft dies, Panik einzudämmen. Abgesehen davon wird ein gewisser Freiraum für eine neuerliche Aufwertung geschaffen, der sich möglicherweise als Goodwill-Geste im Rahmen künftiger Anläufe zu einem Handelspakt oder Waffenstillstandsvereinbarungen mit den USA einsetzen lässt.Der einstweilige Befreiungsschlag beim Yuan strahlt nun auch auf die Geldpolitik aus und schafft einen gewissen Freiraum für Lockerungsgesten, mit denen man sich bislang zurückhielt, um Belastungen an der Währungsfront und Druck auf die 7er Marke zu verhindern. So hat sich die Zentralbank nun einen Ruck gegeben und früher als erwartet eine neue Zins-Benchmark eingeführt, an der sich Konditionen für Neukredite nun abseits der seit 2015 unveränderten Leitzinsmarke für einjährige Darlehen orientieren sollen. Der Zeitpunkt ist gut gewählt, denn dies könnte es der PBOC erlauben, auf weitere erwartete US-Zinssenkungen flexibler zu reagieren und die Kreditzinsen leicht abwärts zu schleusen, ohne gleich in einen unerwünschten Leitzinswettlauf mit den USA einzutreten.——Von Norbert HellmannDer Handelsstreit mit den USA animiert Chinas Zentralbank, den Yuan beweglicher zu machen. Dies bringt auch Freiräume in der Geldpolitik. ——