Deutlich mehr Selbstanzeigen als erwartet

Viele Steuersünder wollen selbst jetzt noch reinen Tisch machen

Deutlich mehr Selbstanzeigen als erwartet

bl Mailand – Noch immer gibt es viele Selbstanzeigen im Zusammenhang mit undeklarierten Steuern. Ein entscheidender Grund dafür war die Ausweitung des automatisierten Informationsaustausches zwischen Banken, Versicherungen, Trusts und anderen Finanzinstituten sowie den Steuerverwaltungen auf immer mehr Länder. Ein wichtiger Stichtag war der 30. September 2018: Seither gibt es auch einen automatischen Informationsaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland.Selbstanzeigen sind jedoch auch jetzt noch möglich. Und davon machen Steuerflüchtlinge aus Deutschland mit bisher undeklarierten Vermögen in Österreich, Liechtenstein oder der Eidgenossenschaft regen Gebrauch. Das spürt auch Alexander Littich, Steuerexperte bei Ecovis im bayerischen Landshut. Bei Ecovis gab es 2018 in Bayern etwa 10 bis 20 % so viele Selbstanzeigen wie zur Hochzeit in den Jahren 2013/14. Allein 2014 hatte es in Deutschland 38 300 Selbstanzeigen gegeben. Die Steuernachzahlungen beliefen sich damals auf 1,3 Mrd. Euro. Die jetzigen Fälle sind häufig kompliziert: Erbrechtsfälle etwa oder Sachverhalte, die im Rahmen von Scheidungen bekannt werden oder Unwissenheit. Littich rät, die Ruhe zu bewahren, denn “nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird”. Doch er empfiehlt dringend auch jetzt noch eine Selbstanzeige. Unentdeckte Fälle Denn vielfach haben die Kantone die Fälle noch gar nicht entdeckt und deshalb gar nicht an die deutschen Finanzbehörden gemeldet. “In einzelnen Kantonen sind freiwillige steuerliche Nachmeldungen noch möglich. Eine Tatentdeckung liegt erst dann vor, wenn der zuständige Finanzbeamte die Steuerakte des Steuerpflichtigen tatsächlich daraufhin überprüft, ob er ausländische Kapitaleinkünfte auch korrekt erklärt hat: Die Chancen, nicht entdeckt zu werden, sinken”, meint Littich. Zwar ist nach Ansicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) eine (straflose) Selbstanzeige ab 30. September 2018 eigentlich nicht mehr möglich. Doch die einzelnen Kantone haben Spielräume und behandeln solche Fälle sehr unterschiedlich. Während der Kanton Schwyz sehr streng ist und Selbstanzeigen für die vom automatischen Informationsaustausch betroffenen Konti nicht mehr möglich sind, akzeptieren einige Kantone eine straflose Selbstanzeige bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Informationen des Austauschstaates bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung effektiv eintreffen. Das gilt etwa für die Kantone Zürich oder Bern. Die Steuerbehörden sind nach Einschätzung des Zürcher Rechtsanwalts und Steuerberaters Daniel Holenstein, der Ecovis bei Recherchen zu dem Thema unterstützt hat, derzeit vielfach mit der Abarbeitung der vielen Selbstanzeigen beschäftigt und hätten bisher weder Zeit noch Mittel gehabt, nach nicht deklarierten Steuersündern zu suchen. Säumige Steuersünder haben also noch Chancen. “Doch es ist Eile geboten”, meint Littich. Denn bis der Betroffene alle Unterlagen zusammen hat, vergeht Zeit, in der der Fall entdeckt werden kann. Eile ist gebotenUnterlagen aus Österreich oder aus der Schweiz kämen nach vier bis sechs Wochen, aus Panama nach sechs Monaten. Ecovis hat eine Checkliste mit den Unterlagen zusammengestellt, die zusammenzutragen sind, damit ein Berater den Sachverhalt prüfen kann. Doch häufig fehle der Überblick “und wir müssen sogar noch Konten suchen”, berichtet Littich. “Im Notfall nehmen wir eine Schätzung vor und machen einen Sicherheitsaufschlag, sollte der Betroffene etwas vergessen haben”, meint er. Nachgezahlt werden müssen die Steuern für zehn Jahre plus Zinsen.