Deutsche Industrie dringt auf Reform
wf Berlin
Welches neue Modell es auch immer sein wird – die Gewerbesteuer muss aus Sicht der deutschen Industrie dringend durch eine andere Form der Kommunalfinanzierung ersetzt werden. Monika Wünnemann, Leiterin der Steuerabteilung des Industrieverbandes BDI, rief in einer Diskussionsrunde in Berlin die Politik auf, dieses Thema unbedingt auf die Agenda der nächsten Legislaturperiode zu setzen. Wettbewerbsfähige Steuern und stabile öffentliche Haushalte seien ein wesentlicher Standortfaktor, unterstrich Wünnemann. Die Coronakrise habe deutlich die Schwäche der Gewerbesteuer für die Kommunalfinanzierung gezeigt.
Die Gewerbesteuer ist zusammen mit der Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Vor der Coronakrise nahmen die Städte und Gemeinden daraus gut 55 Mrd. Euro ein bei gesamten Steuereinnahmen von knapp 72 Mrd. Euro im Jahr. Für das Krisenjahr 2020 gingen die Steuerschätzer im November davon aus, dass die stark konjunkturabhängigen Gewerbesteuereinnahmen auf 43 Mrd. einbrechen. Aggregierte Zahlen liegen noch nicht vor. Den Schätzern zufolge wird das Aufkommen erst 2024 wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen. Die Unternehmen tragen an der Gewerbesteuer schwerer als an der Körperschaftsteuer, die sich vor der Krise auf 32 Mrd. Euro summierte. 2020 zahlten die Unternehmen etwas mehr als 24 Mrd. Euro Körperschaftsteuer.
„Falsch für die Kommunen“
„Die Gewerbesteuer ist die falsche Steuer für die Kommunen“, sagte Tobias Henze vom Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln in der Diskussionsrunde. Die Steuer sei nicht nur stark konjunkturanfällig, der Finanzausgleich in den Ländern für die Gemeinden sei auch intransparent und unverständlich. Henze ist überzeugt: Ein guter Ersatz für die Steuer ist nötig, besonders wenn nach der Coronakrise die Investitionen wieder hochlaufen. Im internationalen Wettbewerb sei es wichtig, wie sich Deutschland als Steuerstandort aufstelle, „um nicht abgehängt zu werden“.
Unterstützung kam vom Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. Er verwies auf aufwendige Antragsverfahren für die Unternehmen zur Verrechnung und Erstattung der Steuer. Bei den Kommunen blieben dafür wenig Einnahmen hängen. Hella Schmidt-Naschke, Leiterin Steuern der Deutschen Bahn, schilderte, dass im Unternehmen rund 2000 Beitragsbescheide von Kommunen händisch geprüft werden müssten. Die Formulare seien alle unterschiedlich und könnten damit nicht digital verarbeitet werden.
Uwe Zimmermann, Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, begrüßte, dass sich die Diskussionsrunde einhellig für ein solides Finanzierungsmodell für die Kommunen aussprach. Diskutiert werden seit einigen Jahren verschiedene Modelle: Ein höherer Umsatzsteuer- oder Einkommensteueranteil für die Kommunen oder auch ein Zuschlagsrecht auf Einkommen- oder Körperschaftsteuer.