Deutsche Industrie produziert deutlich weniger
Schwache Nachfrage belastet Produktion
Industrie drosselt Ausstoß unerwartet kräftig – Bau unverändert – Globaler Handel legt zu
Die deutsche Industrie drosselt die Produktion im September unerwartet kräftig. Diesmal bremst aber nicht der Bausektor oder die energieintensiven Zweige, sondern die Industrie im engeren Sinne. Nachdem Frühindikatoren und die Auftragslage mau aussehen, rechnen Ökonomen fest mit einer Rezession.
ba Frankfurt
Die deutsche Industrie hat wegen der globalen Nachfrageschwäche im September erneut die Produktion gedrosselt. Der unerwartet kräftig ausgefallene Rückgang schürt die Konjunktursorgen umso mehr, da diesmal die Industrie im engeren Sinne das Ergebnis belastete – denn nicht nur energieintensive Unternehmen, sondern auch die gewichtige Automobilindustrie und die Pharmabranche fertigten deutlich weniger als im Vormonat. Dass der Kiel Trade Indicator für Oktober einen deutlichen Zuwachs des globalen Handels und der Einkaufsmanagerindex ein langsameres Tempo der Talfahrt anzeigen, ist zwar ein Hoffnungsschimmer. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird aber auch im Schlussabschnitt schrumpfen, und für das dritte Quartal wird eine Abwärtsrevision der derzeit gemeldeten –0,1% wahrscheinlicher. Mit zwei Minusquartalen in Folge wäre Deutschland in einer Rezession.
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) produzierten Industrie, Bau und Energieerzeuger im August 1,4% weniger als im Vormonat. Ökonomen hatten den vierten Rückgang in Folge erwartet, aber nur ein Minus von 0,1% prognostiziert. Im Juli war die Gesamtfertigung noch um revidiert 0,1 (zuvor: 0,2)% gesunken. Für den weniger volatilen Dreimonatsvergleich meldet Destatis einen Rückgang von 2,1% im dritten Quartal.
Industrie ist Bremsklotz
Im September war die exportabhängige Industrie der Bremsklotz. Hier fiel die Fertigung um 1,7% zum Vormonat. Der Rückgang zeigte sich dabei in nahezu allen Segmenten – am ausgeprägtesten war das Minus im Konsumgüterbereich (–4,9%). Die Produktion von Vorleistungsgütern sank um 1,9%, bei den Investitionsgütern waren es –0,2%.
Die Wirtschaftsbereiche entwickelten sich dabei "überwiegend negativ", wie die Wiesbadener Statistiker feststellten. Am schwersten wog der Rückgang in der Automobilindustrie um 5,0% im Monatsvergleich. Einen negativen Einfluss hatten aber die Herstellung von elektrischer Ausrüstung (–4,4%) und der Pharmaindustrie (–9,2%). Einen positiven Einfluss hatte hingegen der Produktionszuwachs im Maschinenbau ( 4,1 %). In den energieintensiven Industriezweigen sank die Fertigung um 0,4%.
Bauproduktion stagniert
Nachdem im August noch die Bauproduktion die Gesamtfertigung am stärksten belastet hatte, blieb sie im September unverändert. Für Andreas Scheuerle von der DekaBank "der einzige Lichtblick im September". Die verschärften Finanzierungskonditionen infolge der Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die höheren Material- und Energiekosten lasten schwer auf der Baubranche. Viele Projekte rechnen sich mittlerweile nicht mehr und werden storniert. Im Oktober war die Stornoquote laut dem Ifo-Institut mit 22,2% auf einen neuen Höchststand geklettert. Für Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen ist die Bauproduktion daher "erstaunlich stabil". Es dürfte aber nur "eine Frage der Zeit sein, bis auch hier die Produktion auf die schwächere Nachfrage reagiert". Die Energieerzeugung sank um 1,7%. Seit dem Hoch im Jahr 2018 ging es hier 40% bergab, rechnet Deka-Ökonom Scheuerle vor.
Keine Aussicht auf Besserung
"Die makroökonomische Horrorshow in Deutschland geht weiter", kommentierte ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Und die Frühindikatoren für Oktober würden auch nichts Gutes verheißen: Nach einer ersten Stabilisierung im September hätten sich die Produktionserwartungen und die umfragebasierten Einschätzungen der Auftragslage im Oktober wieder abgeschwächt. Die Lagerbestände seien zwar etwas gesunken, aber immer noch zu hoch. Und die Auftragseingänge im September bestätigten die schwachen Aussichten. Nur dank Großaufträgen gab es 0,2% mehr Bestellungen.
Ein positives Zeichen für das vierte Quartal macht das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) in den starken Handelszahlen für Oktober aus: Der weltweite Handel zeige sich nach schwachen Vormonaten deutlich aufwärtsgerichtet, heißt es im Kiel Trade Indicator. Einen ähnlich starken Zuwachs habe es zuletzt im März gegeben. Der Aufschwung werde insbesondere auch von den EU-Mitgliedsländern getragen, wo die Wirtschaftsleistung zuletzt leicht schrumpfte. Chinas Handelsaktivität spiegele dagegen die global gedämpfte Konjunktur wider.
Die fünf größten Euro-Volkswirtschaften – Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande – "könnten den Indikatorwerten zufolge ihre Exporte im Oktober gesteigert haben, was ein sehr positives Zeichen zu Beginn des vierten Quartals ist“, erklärte IfW-Experte Vincent Stamer. Auch laufe das Containerschiffnetzwerk derzeit stabil. Selbst im Panamakanal, obwohl dort die Wassermenge weiter sinkt und die Zahl der täglichen Frachtschiffspassagen auf nun 25 weiter reduziert wurde. Bei voller Auslastung wären es etwa 50% mehr. "Von Seiten der Containerschifffahrt steht einem guten Weihnachtsgeschäft dieses Jahr nichts im Weg, der limitierende Faktor dürften die eher trüben Konjunkturaussichten und die anhaltende Inflation sein“, sagte Stamer.