Deutsche Industrie schwächelt erneut
Die deutsche Industrie hat im Juni die Produktion unerwartet stark gedrosselt – in Verbindung mit anderen schwach ausgefallenen Konjunkturindikatoren schürt dies die Sorge um die weitere Wirtschaftsentwicklung.ba Frankfurt – Die Unternehmen des deutschen produzierenden Gewerbes haben im Juni die Produktion überraschend einen Gang zurückgeschaltet und im Jahresvergleich den Ausstoß so stark reduziert wie seit November 2009, also zu Zeiten der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, nicht mehr. Mit einer baldigen Besserung rechnen Experten nicht -ebenso wenig wie die vom Münchener Ifo-Institut befragten Industrieunternehmen, die auf Sicht von drei Monaten mit einem Schrumpfen der Produktion rechnen. Die Zahl der Pessimisten übersteige die der Optimisten deutlich. “Derzeit ist ein Ende der Rezession in der deutschen Industrie nicht in Sicht”, hieß es beim Ifo-Institut. Keine Besserung in SichtÖkonomen sehen sich – auch nach den zuletzt schwach ausgefallenen Konjunkturindikatoren – in ihrer Prognose bestätigt, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal geschrumpft sein dürfte. Dies hatte sich bereits mit der Veröffentlichung der Wirtschaftsentwicklung im Euroraum für das Vierteljahr von April bis Juni angedeutet. Vergangene Woche hatte das Statistikamt Eurostat berichtet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im gemeinsamen Währungsraum im Vorquartalsvergleich um 0,2 % zugelegt hat, nachdem das Plus im Startabschnitt mit 0,4 % noch doppelt so hoch ausgefallen war. Auch die Bundesbank hat in ihrem jüngsten Monatsbericht gewarnt, dass das BIP der größten Euro-Volkswirtschaft im zweiten Quartal geschrumpft sein dürfte. Destatis veröffentlicht die Erstschätzung des BIP für das zweite Quartal am Mittwoch kommender Woche. Erwartet wird ein Minus von 0,1 bis 0,2 % – im Startabschnitt war die Wirtschaft überraschend um 0,4 % gewachsen.Laut vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) verringerten Industrie, Bau und Versorger zusammen im Juni ihren Ausstoß im Monatsvergleich preis-, saison- und kalenderbereinigt um 1,5 %. Ökonomen hatten zwar einen Rückgang erwartet, allerdings im Schnitt nur um 0,5 %. Zudem ist das Produktionsplus im Mai geringer ausgefallen als zunächst gemeldet: Statt 0,3 % waren es 0,1 %. Im Vergleich zu Juni 2018 ist der Output um 5,2 % gesunken.Der Rückgang der Produktion zeigte sich im Monatsvergleich gesehen mit Ausnahme des Baus (+0,3 %) in allen Bereichen: Die Industrie im engeren Sinne drosselte den Output um 1,8 %, die Energieerzeugung lag 1,6 % unter dem Niveau des Vormonats. Stefan Kipar von der BayernLB macht zum Teil auch Ferien in produktionsstarken Bundesländern als Ursache für das Minus aus – er erwartet daher für Juli eine erneute ferienbedingte Belastung, was absehbar zu einer Unterstützung der Produktionszahlen im August führen dürfte.Der schwache Auftragseingang – das überraschende Plus von 2,5 % im Juni sehen Ökonomen als Atempause in einem Abwärtstrend, zumal es auf Großaufträgen von außerhalb des Euroraums beruht (vgl. BZ vom 7. August) – lässt produktionsseitig eine weitere Abkühlung erwarten. Damit diese nicht zu deutlich ausfalle, so Kipar, müsse spätestens bis zum vierten Quartal ein positives Zeichen bei den Neubestellungen erkennbar werden. Aktuell ermögliche der noch hohe Auftragsbestand, die Kapazitätsauslastung hoch zu halten.”Die Industrie bleibt konjunkturell im Abschwung”, kommentierte das Wirtschaftsministerium die Produktionszahlen. Im zweiten Quartal insgesamt ergab sich laut Bundeswirtschaftsministerium im Vergleich zum Vorquartal ein Rückgang der Produktion im produzierenden Gewerbe um 1,8 %. Dazu hätten insbesondere die Bereiche Metallerzeugung, Maschinenbau und Kfz beigetragen, teilte das Ministerium mit.Es deute alles darauf hin, “dass die Industrie weiter der Schwachpunkt der deutschen Konjunktur bleibt”, resümiert Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Auch im dritten Quartal dürfte dort die Produktion nachgeben. Dass die Produktion Japans und Südkoreas derzeit ebenfalls unter den Handelskonflikten und dem “nur mit angezogener Handbremse wachsenden China” leide, sei nur ein bitterer Trost, urteilt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Zudem belaste der ungelöste Brexit-Prozess zusätzlich.