Deutsche Inflation heizt EZB-Zinsdebatte an

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich in Jackson Hole bedeckt gehalten über mögliche weitere Zinserhöhungen. Umso größer ist die Spannung vor der nächsten Zinssitzung Mitte September. Neue Inflationszahlen aus Deutschland und Spanien stärken nun eher die Hardliner ("Falken") im EZB-Rat.

Deutsche Inflation heizt EZB-Zinsdebatte an

Deutsche Inflation heizt EZB-Debatte an

Teuerung geht im August weniger stark zurück als erwartet – Kernrate hartnäckig – Spannung vor Zinssitzung im September

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich Ende vergangener Woche in Jackson Hole bedeckt gehalten über mögliche weitere Zinserhöhungen. Umso größer ist die Spannung vor der nächsten Zinssitzung Mitte September. Neue Inflationszahlen aus Deutschland und Spanien stärken nun eher die Hardliner ("Falken") im EZB-Rat.

ms Frankfurt

Die Inflation in Deutschland hat sich im August nur geringfügig und auch weniger als erwartet abgeschwächt. In EU-harmonisierter Rechnung ging die Teuerungsrate von 6,5% auf 6,4% zurück, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Wenngleich die allermeisten Beobachter ab September wieder einen stärkeren Rückgang erwarten, gelten die neuen Daten als Erinnerung daran, dass die Rückkehr zu deutlich niedrigeren Raten zäh werden dürfte. In Spanien legte die Teuerung im August sogar erneut leicht zu. Beides zusammen untermauert die schwierige Lage für die Europäische Zentralbank (EZB). Ökonomen waren am Mittwoch uneins über die Bedeutung der Daten für eine mögliche EZB-Zinserhöhung im September.

Nach dem unerwartet rasanten Anstieg der Inflation in den Jahren 2021 und 2022 mit Raten von zeitweise 11,6% (EU-harmonisiert, HVPI) hat die Teuerung inzwischen zwar deutlich nachgelassen. Sie liegt aber immer noch deutlich oberhalb des 2-Prozent-Ziels der EZB, und vor allem der zugrunde liegende Preisdruck hält sich hartnäckig. Im Euroraum ist das Bild ganz ähnlich. Die EZB steht deshalb vor einem Dilemma: Die hohe Inflation spricht für weitere Zinserhöhungen. Zugleich haben Rezessionssorgen zugenommen, was zur Vorsicht mahnt. Seit Juli 2022 hat die EZB ihre Leitzinsen um 425 Basispunkte angehoben – so aggressiv wie nie seit der Euro-Einführung.

In Deutschland ging die Teuerung nun im August weniger stark zurück als erwartet. In nationaler Rechnung (VPI) sank die Rate von 6,2% auf 6,1%, Volkswirte hatte mit 6,0% gerechnet. „Die Bekämpfung der Inflation ist eine zähe Angelegenheit“, sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Sie erinnerte daran, dass die Jahresteuerung nun seit mehr als zwei Jahren deutlich über den angestrebten 2% liege und an der Kaufkraft zehre. „Die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher sehen sich vor eine harte Geduldsprobe gestellt“, so Köhler Geib.

Lebensmittel deutlich teuerer

Der größte Preistreiber blieben im August die Nahrungsmittel: Sie kosteten 9,0% mehr als ein Jahr zuvor, nach einem Plus von 11,0% im Juli. Energie verteuerte sich mit 8,3% (Juli: 5,7%) wieder stärker, während für Dienstleistungen 5,1% (Juli: 5,2%) mehr bezahlt werden musste. Die Teuerungsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, die sogenannte Kerninflation, verharrte bei 5,5%.

Ab September erhoffen sich die Beobachter zwar wieder einen deutlicheren Rückgang der Inflation. Hintergrund ist insbesondere, dass dann staatliche Entlastungsmaßnahmen des Vorjahres wie das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt aus der Vergleichsbasis fallen. Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei der ING, sieht die Inflation bis Jahresende sogar auf rund 3% fallen. Es gibt aber auch gegenläufige Trends wie steigende Löhne. „Der Weg nach unten ist steinig“, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, auch mit Blick auf die Kernrate. „Es zeigt sich, dass aus einmaligen Preisschocks anhaltende Preissteigerungen werden können.“

Anstieg der Inflation in Spanien

Anders als in Deutschland legte die Inflation in Spanien im August sogar den zweiten Monat in Folge wieder zu – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau. Zum Vorjahresmonat erhöhten sich die nach EU-Methode berechneten Verbraucherpreise um 2,4%, nach 2,1% im Juli, wie das Statistikamt INE am Mittwoch mitteilte. Beobachter hatten mit einem solchen Anstieg gerechnet. Es ist bereits der zweite Monat mit einer steigenden Jahresrate. In den Monaten zuvor war die Teuerung dagegen deutlich gefallen. Die Kernrate liegt mit 6,1% sehr viel höher.

Für die Eurozone insgesamt veröffentlicht Eurostat diesen Donnerstag eine erste Schätzung. Volkswirte erwarteten vor den Daten aus Deutschland und Spanien einen Rückgang der Inflation von 5,3% im Juli auf 5,1%. Bei der Kernrate wurde ein Rückgang von 5,5% auf 5,3% prognostiziert. Durch die staatlichen Interventionen gelten die Daten aktuell aber auch als verzehrt und teilweise schwerer zu interpretieren – was die Aufgabe für die EZB noch erschwert.

Mit Blick auf die Debatte über eine weitere EZB-Zinserhöhung am 14. September sagte ING-Ökonom Brzeski am Mittwoch: „Die Inflationsdaten aus Spanien und Deutschland haben die Argumente für weitere Zinserhöhungen auf der September-Sitzung eindeutig gestärkt. Solange die EZB an ihrer derzeitigen Haltung festhält, den tatsächlichen Daten mehr Bedeutung beizumessen als den erwarteten Daten, ist eine Zinserhöhung im September wahrscheinlicher geworden." Dagegen wollte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, den enttäuschend geringen Rückgang im August „nicht überbewerten“ – da ab September mit mehr zu rechnen sei: „Die heutigen Daten sind nicht ausschlaggebend dafür, ob die EZB im September nochmal die Zinsen anhebt.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.