Verbraucherpreise

Deutsche Inflation „im Sinkflug“

Nach der Enttäuschung im August hat die Inflation in Deutschland im September ihren deutlichen Rückgang wiederaufgenommen – und wie. Das macht auch Hoffnung für den Euroraum als Ganzes. Für die EZB ist das eine gute Nachricht.

Deutsche Inflation „im Sinkflug“

Deutsche Inflation "im Sinkflug"

Teuerung geht im September sehr kräftig zurück – Schwankungen voraus – Nagel: Vielleicht noch weitere Zinserhöhungen

Nach der Enttäuschung im August hat die Inflation in Deutschland im September ihren deutlichen Rückgang wiederaufgenommen – und wie. Das macht auch Hoffnung für den Euroraum als Ganzes. Für die EZB ist das eine gute Nachricht. Womöglich ist der Zinsgipfel erreicht. Sicher ist das nicht, wie auch neue Aussagen zeigen.

ms Frankfurt

Die Inflation in Deutschland ist im September überaus kräftig von zuvor 6,4% auf 4,3% (EU-harmonisiert) und damit auf den niedrigsten Stand seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs gesunken. Das nährte Hoffnungen, dass die Teuerung auch im Euroraum insgesamt einen kräftigen Rückgang verzeichnet hat; eine erste Schätzung gibt es am Freitag. Das wiederum schürte Spekulationen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen nicht mehr weiter anhebt. Bundesbankpräsident Joachim Nagel schloss diese Möglichkeit indes am Donnerstag explizit nicht aus.

Die Inflation in Deutschland und im Euroraum hatte in den Jahren 2021 und 2022 deutlich und auch viel stärker zugelegt als erwartet. Zeitweise kletterte sie auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten oder sogar so hoch wie noch nie. Hintergrund waren die Folgen der Pandemie, eine sehr expansive Geld- und Fiskalpolitik in der Krise und dann der Ukraine-Krieg. Zuletzt hat die Teuerung spürbar nachgelassen, sie liegt aber immer noch deutlich oberhalb des EZB-Ziels von 2,0%. Die Euro-Notenbanker stecken in einem Dilemma, weil zugleich die Wirtschaft kriselt. Seit Juli 2022 haben sie ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie nie zuvor – um inzwischen 450 Basispunkte.

Am Donnerstag nun wurde bekannt, dass die Inflation in Deutschland im September sehr kräftig nachgegeben hat. In nationaler Rechnung (VPI) ging sie von 6,1% auf 4,5% zurück, in EU-harmonisierter Rechnung (HVPI) von 6,4% auf 4,3%. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang beim VPI auf 4,6% gerechnet. „Die Inflation geht in den Sinkflug über“, sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib sieht „eine wichtige Signalwirkung für den Erfolg der Inflationsbekämpfung“.

Statistische Basiseffekte

Grund für den deutlichen Rückgang im September sind aber vor allem sogenannte statistische Basiseffekte: Die Bundesregierung hatte von Juni bis August 2022 den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket eingeführt, um die Verbraucher zu entlasten. Dieses gesenkte Niveau fällt nun aus dem Vorjahresvergleich heraus. Die Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) ging weniger deutlich von 5,5% auf 4,6% zurück.

Im Monatsvergleich legten die Preise sogar um 0,2% (HVPI) zu. Das liegt vor allem an dem jüngsten starken Anstieg der Öl- und Energiepreise. „Der zuletzt gestiegene Rohölpreis stellt ein Risiko dar und könnte den kontinuierlichen Inflationsrückgang bis zum Jahresende verlangsamen“, sagte Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank. Einige Experten sehen den steigenden Ölpreis sogar als Warnung hinsichtlich einer zweiten Inflationswelle wie in den 1970er Jahren.

Abwärtstrend bei Inflation

Grundsätzlich zeichnet sich aber für die nächsten Monate ein weiterer Rückgang der Teuerung ab – womöglich allerdings bei großer Volatilität, wie Jörg Zeuner, Chefvolkswirt bei Union Investment, kommentierte. Für Oktober und November erwartet er einen deutlichen Abwärtstrend in Richtung 3%. Im Dezember sei dann noch einmal ein Anstieg in Richtung von 5% denkbar. „Die Ursache für diesen Anstieg liegt vor allem in der Energiepreisbremse der Bundesregierung, die im Vorjahreszeitraum die Energiepreise gedrückt hatte.“

Für die Euro-Inflation erwarten Volkswirte nun im Konsens einen Rückgang von 5,2% auf 4,5%. Das könnte die EZB zumindest vorerst von weiteren Zinserhöhungen abhalten. Es dürfte sie aber zugleich in der Absicht bestärken, noch länger am aktuellen erhöhen Zinsniveau festzuhalten. Bundesbankchef Nagel sagte in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview dem Magazin „Central Banking“: „Wir haben viel getan, indem wir bislang zehn Erhöhungen umsetzten, und vielleicht wird noch mehr kommen, wenn die Daten zeigen, dass weitere Schritte gerechtfertigt sind.“

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