Deutsche Wirtschaft hofft auf kleine Annäherung
wf Berlin
Mit sehr gedämpften Erwartungen blickt die deutsche Wirtschaft auf die bevorstehende 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO. „Wenn die WTO vom Wunsch ihrer Mitglieder getragen wird, weiter zu existieren, dann ist das schon ein Erfolg“, sagte der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier, am Dienstag in Berlin. Noch besser wäre es, wenn bereits Themen für eine 13. Ministerkonferenz identifiziert werden könnten, machte Treier deutlich. Die 12. Ministerkonferenz beginnt am 30. November in Genf.
Zentrales Anliegen des DIHK ist es, den blockierten Mechanismus zur Streitbeilegung schnellstmöglich wieder zu reaktivieren. „Handelskonflikte können so entschärft und die Planbarkeit für international tätige Unternehmen verbessert werden“, erklärte Treier. Zudem könne ein Gesundheitsabkommen in der aktuellen Corona-Pandemie dazu beitragen, Handelshemmnisse für Impfstoffe, Medikamente oder Gesundheitsgüter abzuschaffen sowie Zölle und Exporteinschränkungen abzubauen. Modernisiert werden sollte aus Sicht des DIHK das WTO-Abkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen. Treier verwies auf die trilaterale Initiative von EU, USA und Japan. Es gehe um einen breiteren Subventionsbegriff, strengere Meldepflichten für Staatsbetriebe, die Einbeziehung weiterer Subventionsarten sowie ein Verbot von erzwungenem Technologietransfer. Im digitalen Handel ist es dem DIHK zufolge wichtig, die Reglungen an die Realität anzupassen. Unternehmen benötigten globale Regeln für den grenzüberschreitenden Fluss von Datenströmen. Das E-Commerce-Abkommen stamme noch aus den Anfängen des Internets.
Handelspolitische Verwerfung
Die deutschen Unternehmen kämpfen unterdessen weltweit zunehmend mit Lieferkettenproblemen. Dies hat eine Umfrage der Außenhandelskammern unter 3200 deutschen Unternehmen im Ausland ergeben. „Eine steigende weltweite Nachfrage trifft derzeit auf zu geringe Produktionskapazitäten und Transportprobleme“, erläuterte Treier. Als Gründe nannte er mangelnde Container und Frachtkapazitäten auf Schiffen sowie Produktionsausfälle. Die Lieferketten seien aber auch durch gravierende handelspolitische Verwerfungen wie den Zwang zu lokaler Produktion gestört. Mit 54% planen laut Umfrage mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen im Ausland Änderungen in ihren Lieferketten. Dies ist ein Anstieg um 14% im Vergleich zum Frühjahr.
Davon suchen 72% neue Lieferanten, 32% verändern die Lieferwege und 15% verlagern die Produktion. Der Rest geht andere Wege. Besonders ausgeprägt sind die Pläne zur Umstellung deutscher Firmen in Großbritannien. Dort passen 77% ihre Lieferketten an. Überdurchschnittliche Werte gibt es unter anderem auch in Nordamerika (63%), Afrika sowie dem Nahen Osten (62%) und China (61%). Unternehmen, die ihre Produktion verlagern, leiden mit 44% überdurchschnittlich oft an Fachkräftemangel. Viele befürchten aber auch Handelsbarrieren oder die Bevorzugung einheimischer Unternehmen (37%). Spitzenfaktor bei der Standortsuche ist deshalb die Fachkräfteverfügbarkeit (siehe Grafik), gefolgt von der geografischen Lage, wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit.