Deutscher Export floriert

Überschüsse im Warenhandel und in der Leistungsbilanz so hoch wie noch nie - Warnung aus Brüssel

Deutscher Export floriert

Die deutsche Außenwirtschaft hat im vergangenen Jahr neue Höchstmarken erreicht. Export, Import und auch der Leistungsbilanzüberschuss waren noch nie so groß. Die Zahlen dürften die internationale Kritik, etwa von US-Präsident Trump, am deutschen Wirtschaftsmodell anheizen.ks/ahe Frankfurt/Brüssel – Mit neuen Rekordhochs bei Aus- und Einfuhr sowie den Handels- und Leistungsbilanzsalden hat Deutschland das vergangene Jahr abgeschlossen. So stieg nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) der Ausfuhrwert gegenüber 2015 um 1,2 % auf 1 207,5 Mrd. Euro. Dem standen um 0,6 % höhere Importe im Wert von 954,6 Mrd. Euro gegenüber.Die Außenhandelsbilanz schloss 2016 mit dem bisher höchsten Überschuss von 252,9 Mrd. Euro ab. “Damit wurde der bisherige Höchstwert von 244,3 Mrd. Euro aus dem Vorjahr deutlich übertroffen”, betonte Destatis. In der Leistungsbilanz, die neben dem Warenverkehr vor allem auch den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel enthält, zeigte sich ein noch größerer Überschuss von 266,0 Mrd. Euro, ebenfalls ein neues Rekordhoch. Er vergleicht sich mit einem Aktivsaldo von 252,6 Mrd. Euro im Jahr davor.Die deutliche Zunahme des Überschusses in der deutschen Leistungsbilanz, der auch in der Europäischen Union (EU) auf Kritik stößt, ist aber nicht nur dem kräftig ausgeweiteten Aktivsaldo im Außenhandel mit Waren geschuldet. Spürbar beigetragen hat, wie aus den vorläufigen Berechnungen der Deutschen Bundesbank folgt, die von Destatis zitiert werden, auch die Dienstleistungsbilanz. Ihr Fehlbetrag verringerte sich 2016 binnen Jahresfrist von 31,2 Mrd. Euro auf 28,3 Mrd. Euro. Traditionell steht dem starken deutschen Warenexport ein signifikantes Defizit im grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen gegenüber. Dieser Fehlbetrag hat sich aber in den zurückliegenden Jahren erheblich verringert, da den Steigerungsraten beim Import weitaus größere Zunahmen bei den Exporten gegenüberstanden. Vor 15 Jahren etwa belief sich der Negativsaldo in der Dienstleistungsbilanz noch auf 62,8 Mrd. Euro. DIW: Große Investitionslücke”Der Rekordüberschuss wird den Konflikt mit den USA und innerhalb der EU verstärken”, befürchtete der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, in Reaktion auf die amtlichen Daten. Dass die deutsche Wirtschaft sehr viel mehr exportiere als importiere, sei “Anlass zur Sorge und kein Grund, stolz zu sein”, betonte der Wissenschaftler. Problematisch seien nicht die hohen Exporte, “problematisch ist die schwache Entwicklung der Importe, die Ergebnis der großen Investitionslücke ist”. Diese verursache hohe wirtschaftliche Kosten für Deutschland, denn sie reduziere die Produktivität, Einkommen und schade letztlich dem Wirtschaftsstandort Deutschland, sagte Fratzscher.Die EU-Kommission wollte zwar nicht die konkreten Zahlen zur deutschen Handels- und Leistungsbilanz kommentieren. Die Brüsseler Behörde bekräftigte aber ihre Haltung, wonach der deutsche Überschuss zu einem makroökonomischen Ungleichgewicht führt. Eine Sprecherin sagte, schon vergangenes Jahr habe die EU-Kommission darauf hingewiesen, dass höhere Investitionen Deutschlands Wachstumspotenzial verstärken und zur wirtschaftlichen Erholung der Eurozone beitragen würden. Am Montag will die Kommission in ihrer neuen Konjunkturprognose auf das Thema eingehen.Der absehbaren Kritik am deutschen Rekordüberschuss trat die deutsche Exportwirtschaft mit dem Argument entgegen, die 2016er Zahlen seien “vor allem das Ergebnis einer hervorragenden Leistung”, wie Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), sagte. Er räumte aber ein, auch von Preiseffekten auf der Importseite infolge niedriger Öl- und Rohstoffpreise und der Euro-Wechselkursentwicklung profitiert zu haben, die aber von Deutschland nicht zu beeinflussen seien.Für das laufende Jahr rechnet der BGA mit einem Wachstum der Ausfuhren von bis zu 2,5 % auf einen neuen Rekordwert von rund 1 235 Mrd. Euro. Der BGA verwies aber auch auf eine ganze Reihe politischer Risiken, nicht zuletzt die Gefahr einer globalen Welle des Protektionismus, die die USA unter einem “unberechenbaren” Präsidenten Donald Trump auslösen könnten. Konsum dürfte abbremsenWerden für den Export in diesem Jahr höhere Plusraten erwartet, könnte hingegen der Import erneut auf nur einen flacheren Zuwachs kommen. Ein wichtiger Faktor für die Einfuhren ist der private Konsum hierzulande. Dieser wird 2017 voraussichtlich um real 1,5 % zulegen und dabei die Konjunktur weiter stützen, wie die Nürnberger GfK prognostiziert. Im vergangenen Jahr war der private Verbrauch noch um 2,0 % gewachsen. Zu den Unsicherheiten 2017 zählen die Nürnberger Marktforscher die anziehende Inflation.