FRANKFURT FINANCE SUMMIT 2014 - GASTBEITRAG

Deutschland - Euro-Vormacht wider Willen?

Börsen-Zeitung, 20.5.2014 Infolge der Krise wird der institutionelle und intellektuelle Rahmen der Europäischen Union ausführlich überarbeitet. Neue Ansichten über die Rolle sowohl der haushaltspolitischen als auch makrofinanziellen Stabilität sind...

Deutschland - Euro-Vormacht wider Willen?

Infolge der Krise wird der institutionelle und intellektuelle Rahmen der Europäischen Union ausführlich überarbeitet. Neue Ansichten über die Rolle sowohl der haushaltspolitischen als auch makrofinanziellen Stabilität sind entstanden und verdrängen den alten Ansatz des Maastrichter Vertrages. Mehrere Akteure, darunter auch die EZB, tragen zu dieser Überarbeitung bei.Die in Maastricht gestaltete Währungsunion enthielt, neben der EZB und der gemeinsamen Geldpolitik, noch einen relativ losen Regulierungsrahmen für die Eurozone, der sich erstens auf ein Instrument zur Sicherung der Haushaltsdisziplin, den Stabilitäts- und Wachstumspakt stützt, und zweitens auf die Koordinierung für die verbleibenden wirtschaftlichen Maßnahmen, die Grundzüge der Wirtschaftspolitik. Dieser Rahmen folgte ferner der Annahme, dass die Regierungen, die Haushalte und die Unternehmen in der Lage wären, die in einer Währungsunion notwendigen Stabilitätsmuster zu verinnerlichen und zählte darauf, dass die Finanzmärkte diejenigen bestrafen würden, die dies nicht täten.Was wir schon vor der Finanzkrise beobachten konnten und uns dann schmerzlich bewusst wurde, als diese ausbrach, war jedoch die Tatsache, dass sowohl öffentliche als auch private Akteure einiger Länder ihr Verhalten nicht geändert hatten. Zudem hatten die Finanzmärkte keine disziplinarische Rolle gespielt, was die budgetären Stabilisierungsvorrichtungen unwirksam machte.Während der Krise zeigten sich zwei weitere Lücken: Es wurde zu wenig auf die Funktion der Finanzmärkte innerhalb einer Währungsunion geachtet, und kein Krisenbewältigungsmechanismus stand zur Verfügung. Zur Stabilisierung des europäischen Hauses waren daher operative Nachbesserungen nötig. Die Stabilitätsgrundsätze mussten überarbeitet und eine neue Stabilitätskultur geschaffen werden.Die EZB hat mehrfach Maßnahmen ergriffen mit dem Zweck, die sogenannten “Tail-Risks”, also das Risiko eines Auseinanderbrechens der Währungsunion, zu begrenzen, und um genug Zeit zu gewinnen, bis die von anderen Akteuren getroffenen Maßnahmen Früchte tragen. Doch waren die im europäischen Haus detektierten Risse nicht währungspolitischer Natur, so dass weitere Schritte etwa zur Haushaltskonsolidierung und Strukturreform in den Eurostaaten erforderlich waren. Dies soll die nationalen Handlungsweisen besser an die in einer Währungsunion nötigen Stabilitätsmuster anpassen.Was die Steuerung des Euroraums betrifft, wurde ein tiefgreifender Reformprozess eingeleitet. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde gestärkt und ein neues Verfahren bei makroökonomischem Ungleichgewicht eingeführt. Darüber hinaus haben der europäische Stabilitätsmechanismus und der Prozess zur Bankenunion zwei gravierende Lücken gefüllt.Die Aufarbeitung der Krise und seine ökonomische Stabilität hat Deutschland nun womöglich zu einer Vormacht wider Willen in der Währungsunion gemacht. Zumal das Land eine entscheidende Rolle in der Reaktion der Gemeinschaft auf die Finanz- und Steuerkrise, so wie auf die Bedrohungen für die Währungsunion gespielt. Anfang 2012 hielten es zahlreiche Analytiker und Politiker für sehr gut möglich, dass einige Länder den Euro verlassen und damit eine schwere Krise auslösen würden. Viele waren der Ansicht. Und ohne eine deutsche politische Stellungnahme zur Verteidigung der Währungsunion und des Euro hätte die gemeinsame Währung sicherlich nicht überlebt. Natürlich hat Deutschland nicht allein gehandelt, aber in seiner Eigenschaft als führende Wirtschaft der Eurozone hat es eine ausschlaggebende Rolle gespielt.Ich glaube nicht, dass Deutschland diese Rolle widerwillig gespielt hat. In Deutschland gab und gibt es – wie in anderen Euro-Ländern auch – Meinungsverschiedenheiten über die Währungsunion. Aber was zählt, ist die Haltung der Bundesregierung und ihre Entschlossenheit in entscheidenden Momenten die Währungsunion zu retten, ihre Unterstützung bei den Programmen zur Hilfe unter Druck geratener Länder sowie beim Prozess der Bankenunion.Somit können wir vielmehr sagen, dass die neue Vormacht die Kultur der währungspolitischen- und steuerpolitischen Stabilität ist, die im Laufe der Krise an Stärke gewonnen hat. Die Stärkung der Institutionen und der Regulierungen zur Garantie der finanzpolitischen Stabilität ist essenziell für die Stabilität der Währungsunion und des Euro. Wie wir alle wissen, lag der Grund für die Krise der Währungsunion hauptsächlich bei der unsoliden Haushaltspolitik einiger Länder, mehr noch als bei der Bankenkrise, die im Grunde genommen alle Euro-Mitglieder – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – getroffen hat.—-Luis M. Linde, Präsident der Bank von Spanien