Deutschland geht der Gründergeist verloren
lz Frankfurt – Die Gründungstätigkeit ist 2015 in Deutschland rasant zurückgegangen und dürfte auch im laufenden Jahr stark nachgelassen haben. Hatten sich 2014 noch 915 000 Personen selbständig gemacht, haben ein Unternehmen ins Leben gerufen oder sind einer freiberuflichen Tätigkeit nachgegangen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 763 000. Das geht aus dem Gründungsmonitor der Förderbank KfW hervor.Die Entwicklung ist allerdings nur zum Teil zu bedauern, weil vor allem ein Rückgang der Notgründungen “aus Mangel an besseren Alternativen” festzustellen ist. Grund hierfür ist die gute Arbeitsmarktsituation. Es gibt weniger Entlassungen, die viele Betroffene oft zum Schritt in die Selbständigkeit gezwungen haben, sofern sich keine neue Anstellungsmöglichkeit gefunden hatte.Zwar ist auch die Zahl jener zurückgegangen, die eine explizite Geschäftsidee in die Selbständigkeit geführt hat, dafür gibt es aber inzwischen mehr Gründer, die konkret auf eigene Produkt- und Prozessinnovationen setzen. Ihre Zahl ist um 6 % auf 95 000 gestiegen. KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner ist zuversichtlich. Denn innovative Gründer seien wegen ihrer Investitionen in Forschung & Entwicklung und ihrer höheren Bestandsfestigkeit von großer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit. Zeuner: “Das Gründungsgeschehen hat an Quantität verloren, strukturell aber an Qualität gewonnen.”War das Gründungsgeschehen in der Vergangenheit besonders auf die Stadtstaaten konzentriert, schiebt sich seit einiger Zeit das Bundesland Hessen immer weiter nach vorne, wie die Auswertung zeigt. Zeuner führt das u.a. auf die Umstrukturierung im Finanzwesen zurück und nennt explizit die Digitalisierung und das Aufkommen von Fintech-Unternehmen als Gründe dafür.Festzustellen ist insgesamt, dass Gründer, die mit digitalen Technologien neue Märkte kreieren oder etablierte Märkte erobern, inzwischen einen substanziellen Teil des Gründungsgeschehens ausmachen. “Jeder fünfte Gründer ist ein digitaler Gründer”, sagt Zeuner. Überproportional viele aus dieser Gruppe sind zudem national und international ausgerichtet.Was die Gründungsfinanzierung angeht, so gibt es derzeit offenbar kaum mehr Probleme. Die Gründer profitieren von den günstigen Konditionen und dem leichteren Zugang zu Krediten, sagt Zeuner und verweist darauf, dass erst im nächsten Schritt, wenn das Geschäft gut läuft, Finanzierungsprobleme auftauchen.Ökonomisch ist das Gründungsgeschehen von großer Bedeutung, weil jene Unternehmen, welche die Startphase überleben (nach drei Jahren gehen 30 % wieder aus dem Markt), danach nicht nur viele neue Arbeitsplätze schaffen, sondern der Volkswirtschaft auch Impulse für den Strukturwandel geben. Um das Gründen von Unternehmen zu befördern, muss daher, betont die KfW, mehr Gründergeist und Wirtschaftswissen in Jugendjahren vermittelt werden, was verstärkt Aufgabe des Bildungssektors sein sollte. Denn das Geld, zeigen die KfW-Umfragen auch, ist kein großer Attraktivitätsposten: Die Haushaltseinkommen von Gründern unterscheiden sich kaum von jenen abhängig Beschäftigter – nur die Zufriedenheit scheint größer zu sein.