Deutschland löst China ab
jw Frankfurt – Das Ungleichgewicht beim Auslandsvermögen zwischen Gläubiger- und Schuldnernationen hat sich 2018 auf einen Rekordwert von 33,8 Bill. Dollar ausgeweitet. Sowohl die Nettoverschuldung der Schuldner als auch das Nettovermögen der Gläubiger erhöhte sich um jeweils 7,8 % und 4,4 %. Das geht aus dem Global-Public-Investor-Bericht (GPI) der britischen Denkfabrik OMFIF hervor, der heute erscheint und der Börsen-Zeitung exklusiv vorliegt. Der GPI ist die weltweit umfassendste Umfrage unter öffentlichen Investmentinstituten, die Vermögenswerte im Wert von 43 % des globalen BIP verwalten. Laut dieser Umfrage hat Deutschland 2018 mit 2,3 Bill. Dollar erstmals China (1,7 Bill. Dollar) als zweitgrößten Nettogläubiger der Welt abgelöst. Die USA sind weiter mit Abstand der weltweit größte Nettoschuldner (9,6 Bill. Dollar), Japan ist der größte Nettokreditgeber (3,1 Bill. Dollar).Die Ausweitung der Investitionsungleichgewichte der Schuldner war laut OMFIF hauptsächlich auf die USA, Mexiko und Großbritannien zurückzuführen. Die USA verzeichneten 2018 mit 1,9 Bill. Dollar (25 %) den größten Anstieg in ihrer Auslandsverschuldung und kehrten den Rückgang der Nettoverschuldung im Ausland von 2017 um. Der weltgrößte Auslandsschuldner stellte so einen neuen Rekord von 9,6 Bill. Dollar auf. Dies war laut OMFIF vor allem auf die Stärke des Dollar in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 zurückzuführen, welche zu einem Wertverlust der Auslandsvermögen führte, während sich die Verbindlichkeiten nur geringfügig veränderten.China habe seine Auslandsüberschüsse in strategisch wichtige Beteiligungen an Infrastrukturunternehmen und Technologieunternehmen im Ausland investiert und so bei ausländischen Direktinvestitionen ein neues Rekordhoch von 1,9 Bill. Dollar erzielt. Bei Deutschland, dem einzigen nichtasiatischen Land der fünf größten Gläubigerländer der Welt, spielten vor allem die hohen Target2-Salden eine Rolle für das hohe Auslandsvermögen. Diese machen rund die Hälfte des deutschen Nettoauslandsvermögens aus. Target2-Salden ein GrundBei Target2 handelt es sich um ein Zahlungsverkehrssystem der Eurozone, über das nationale und grenzüberschreitende Zahlungen in Zentralbankgeld schnell und endgültig abgewickelt werden. Die Target2-Forderungen der Deutschen Bundesbank machen knapp 900 Mrd. Euro, fast 30 % des deutschen BIP aus; ähnlich der Währungsreserveposition Chinas (28 % des BIP). Chinas Reserven sind allerdings marktfähige Vermögenswerte, die Zinsen zahlen und ein Fälligkeitsdatum haben. Im Gegensatz dazu beträgt der Zinssatz für Target2-Forderungen derzeit null, und die Forderungen haben kein Fälligkeitsdatum und keine Obergrenze. Manche Ökonomen kritisieren, dass die Target2-Forderungen daher bei dem potenziellen Austritt eines Mitgliedslandes aus dem Euro nicht mehr zurückgezahlt werden könnten.Sachverständige, die Deutsche Bundesbank und Bankenverbände haben zuletzt zu mehr Gelassenheit in der Diskussion über die Target2-Salden aufgerufen. Isabel Schnabel, Mitglied des Sachverständigenrats, und die Bundesbank führen die Entwicklung der Target-Salden seit 2015 vor allem auf die Effekte der technischen Abwicklung des Wertpapierankauf-Programms zurück, die zu großen Teilen über Deutschland abgewickelt würden. Dass sich die hierzulande ankommenden Gelder anschließend nicht weiter verteilten, hat laut Bundesbank aber durchaus politische Ursachen und sei auch Symptom einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Akteure hielten sich aufgrund Zweifeln an den öffentlichen Finanzen, mangelnder Wettbewerbsfähigkeit oder Refinanzierungsproblemen im Bankensektor mit Investitionen in bestimmten Ländern zurück. Zum Abbau der Target2-Salden sei es daher entscheidend, dass die Mitgliedstaaten mit hohen Target2-Verbindlichkeiten von internationalen Investoren als attraktive Anlageziele wahrgenommen werden.