Prognose der EU-Kommission

Deutschland Schlusslicht von Europas Konjunktur

Europas Wirtschaft hat seit dem Frühling an Schwung verloren, konstatiert die EU-Kommission. Die Wachstumsschwäche dürfte sich demnach bis ins kommende Jahr ziehen – doch es gibt Hoffnung.

Deutschland Schlusslicht von Europas Konjunktur

Schlusslicht Deutschland

EU-Kommission: Wirtschaft dürfte dieses Jahr schrumpfen – Wachstumsprognosen für Europa leicht abgesenkt

„Die Wirtschaft hat seit dem Frühling an Schwung verloren“: In der EU-Kommission hat sich eine gewisse Ernüchterung breitgemacht, was die konjunkturelle Entwicklung betrifft. Das gilt insbesondere für Deutschland. Die Wachstumsschwäche dürfte sich demnach bis ins kommende Jahr ziehen – doch es gibt Hoffnung.

rec Brüssel

Deutschland ist mit einigem Abstand konjunkturelles Schlusslicht unter den EU-Staaten. Diesen Befund untermauert die Konjunkturprognose der Europäischen Kommission. Demnach ist damit zu rechnen, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr um 0,4% schrumpft und nicht, wie im Frühjahr angenommen, trotz eines Hängers leicht wächst.

Die Schwächephase der größten Volkswirtschaft Europas zieht auch die Europäische Union und Eurozone insgesamt etwas nach unten. Ihre Wachstumsprognosen für die EU hat die Behörde sowohl für 2023 (von 1% auf 0,8%) als auch für 2024 (von 1,7% auf 1,4%) abgesenkt. Ähnliches gilt für den Euroraum: Hier ist laut EU-Kommission 2023 mit 0,8% (statt 1,1%) und 2024 mit 1,3% (statt 1,6%) Wachstum zu rechnen.

In ihrer Zwischenprognose geht die EU-Kommission auf die sechs größten Volkswirtschaften der EU ein. Deutschland ist das einzige Land, das dieses Jahr mutmaßlich rote Zahlen schreibt (siehe Grafik). Vor einigen Monaten hatte die EU-Kommission der deutschen Wirtschaft noch ein Miniplus zugetraut. Dieses Fünkchen Zuversicht ist verflogen, ähnlich wie bei den meisten Wirtschaftsforschern.

In den Niederlanden und in Polen auf den nächsten Plätzen ist zumindest mit leichtem Wachstum zu rechnen. Im Mittelfeld liegen Italien und Frankreich, die laut EU-Kommission dieses Jahr auf 0,5% hoffen dürfen. In beiden Ländern dürfte die Konjunktur allerdings auch 2024 noch nicht wieder entscheidend anspringen.

Selbstbewusste Spanier

Vorneweg marschiert unter den großen EU-Staaten Spanien. Die EU-Kommission traut dem Land dieses Jahr weitere 2,2% Wachstum zu und 2024 immerhin 1,9%, nachdem die spanische Volkswirtschaft bereits mit besonders viel Schwung aus der Coronakrise gekommen ist. Zudem hat Spanien dank Preiseingriffen am Energiemarkt den allgemeinen Inflationsschub besser weggesteckt als andere.

Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calviño hebt mit gewissem Stolz das „Iberische Modell“ am Strommarkt als Paradebeispiel hervor, um die Inflation im Zaum zu halten. Außerdem profitiert das Land vom wieder erstarkten Tourismus und einem robusten Arbeitsmarkt. Aus der relativ guten wirtschaftlichen Lage zieht die spanische Regierung einiges Selbstvertrauen, um schwierige Verhandlungen im Zuge der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft zu leiten – etwa die Reform des Strommarktdesigns und der Schuldenregeln.

Hoffnung auf Verbrauchern

„Die Wirtschaft hat seit dem Frühling an Schwung verloren“, sagte Wirtschafts- und Währungskommissar Paolo Gentiloni. Es sei damit zu rechnen, dass sich der schwache Wachstumstrend ins kommende Jahr zieht. Darauf deuteten jüngste Umfragen hin. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo der Start ins zweite Halbjahr ausweislich jüngster Daten aus Industrie und Einzelhandel misslungen ist. Auch Einkaufsmanager sind anhaltend pessimistisch.

Hoffnung bringt Gentiloni mit Blick auf den privaten Konsum zum Ausdruck. So sei kommendes Jahr erstmals wieder mit steigender Kaufkraft zu rechnen. Noch halten die Einkommen im EU-Durchschnitt nicht Schritt mit den hohen Inflationsraten, aber das dürfte sich absehbar umkehren. Und weil Verbrauchern dann wieder mehr Geld übrig bleibt, dürfte der Privatkonsum die wirtschaftliche Erholung einleiten, so Gentilonis Kalkül.

In Sachen Inflation ist die EU-Kommission etwas zuversichtlicher gestimmt. Ihre Prognosen für den HVPI-Preisindex, der für die Europäische Zentralbank (EZB) maßgeblich ist, hat sie leicht zurückgeschraubt: Für die Eurozone erwartet sie Teuerungsraten von 5,6% in diesem und 2,9% im nächsten Jahr. Die Inflation dürfte sich demnach etwas zügiger dem EZB-Ziel von mittelfristig 2% nähern als im Frühjahr angenommen.

Gentiloni rechnet damit, dass die EZB kurz vor dem Zinsgipfel ist. Die Zinserhöhungen schlügen inzwischen merklich auf die Wirtschaft durch. Allerdings tun sich in der Eurozone und insbesondere in der EU große Unterschiede auf: In Mittel- und Osteuropa sei auch 2024 weiterhin mit hohen Inflationsraten zu rechnen.

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