Deutschland stellt sich klar hinter Nato-Norderweiterung
Reuters/dpa Berlin/Kiew
Deutschland rechnet trotz der Widerstände der Türkei mit einem Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. Er sei sehr zuversichtlich, dass beide Länder rasch aufgenommen werden könnten, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag in Berlin. Außenministerin Annalena Baerbock sprach sich für ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren aus, um die Frist zwischen Antrag und Aufnahme möglichst kurz zu halten. In der Ukraine gaben unterdessen nach Monaten erbitterter Kämpfe ukrainische Truppen ihre letzte Bastion in Mariupol auf.
Scholz und Baerbock gaben den skandinavischen Ländern eine Sicherheitsgarantie für den Übergangszeitraum bis zur Nato-Mitgliedschaft. Einer Aufnahme der beiden Länder müssten alle Nato-Mitglieder zustimmen, also auch die Türkei. Am Montag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Schweden und Finnland erneut vorgeworfen, Mitglieder terroristischer Gruppen zu beherbergen. Er verwies dabei auf die Kurdische Arbeiterpartei PKK. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte im ZDF, Erdogan gehe es nicht wirklich um die angebliche Unterstützung terroristischer Gruppen. Vielmehr wolle er Zugeständnisse beim Kauf von US-Kampfjets erreichen.
Nach Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich auch Verteidigungsminister Sergej Lawrow mit Blick auf eine Norderweiterung der Nato gelassen. Ein Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands mache vermutlich keinen großen Unterschied, weil beide Länder schon lange an Nato-Manövern beteiligt gewesen seien, sagte Lawrow.
Unterdessen gaben in Mariupol ukrainische Truppen das Stahlwerk Asowstal auf, der letzte von ihnen gehaltene Teil der Stadt. Damit überließen sie russischen Truppen die Kontrolle über die weitgehend zerstörte Hafenstadt. Die in dem riesigen Werksgelände verschanzten Soldaten waren zum Sinnbild für den Widerstand gegen die Invasoren geworden. Nachdem Zivilisten, die dort ebenfalls ausgeharrt hatten, in Sicherheit gebracht worden waren, folgten nach Angaben der Ukraine mehr als 250 Kämpfer.
Die Ukraine und Russland setzen am Dienstag die Verhandlungen zur Beendigung des Krieges vorerst aus. Die Ukraine wendet sich dabei vor allem gegen einen Diktatfrieden vonseiten Russlands. „Der Verhandlungsprozess hängt davon ab, wie die Ereignisse in der Ukraine verlaufen“, sagte Kiews Unterhändler Mychajlo Podoljak am Dienstag im Fernsehen. Seit Kriegsbeginn habe sich die Lage spürbar verändert. Podoljak warf Russland vor, auch nach 82 Kriegstagen die reale Situation in der Ukraine nicht begriffen zu haben.
„Wirtschaftlicher Selbstmord“
Derweil bezeichnete Putin die europäische Energiepolitik als „wirtschaftlichen Selbstmord“. „Es ist offensichtlich, dass mit dem Weggang von russischen Energieträgern aus Europa in andere Regionen der Welt auch die Möglichkeit einer Erhöhung der wirtschaftlichen Aktivität geht“, sagte Putin mit Blick auf die Debatte um ein Öl-Embargo der EU gegen Russland. Er äußerte sich am Dienstag bei einer Sitzung zur Entwicklung der Öl-Wirtschaft. Russland profitiert insgesamt von den hohen Öl- und Gaspreisen. Putin sagte, dass schon jetzt die hohen Energiepreise die Konkurrenzfähigkeit der Industrie in der EU schmälerten.