Deutschland stolpert dem Euroraum hinterher
Deutschland stolpert Euroraum hinterher
BIP schrumpft um 0,1 Prozent − Euro-Wirtschaft legt 0,3 Prozent zu − Tourismusländer sorgen für Wachstum
Die Euro-Wirtschaft hat im Frühjahr etwas stärker als erwartet zugelegt. Schub dürfte der Außenhandel gebracht haben. Allerdings war das Wachstum sehr ungleichmäßig verteilt: Während das deutsche BIP sogar schrumpfte, legten Tourismusländer wie Spanien kräftig zu.
ba Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft stolpert im zweiten Quartal den europäischen Nachbarländern hinterher. Während hierzulande die Konjunktur deutlich abgebremst hat, können Frankreich und Spanien das Tempo halten. Ebenso wie die Euro-Wirtschaft als Ganzes. Das Statistikamt Eurostat vermeldet ein Wachstum von 0,3% im Quartalsvergleich, wie schon zu Jahresbeginn. Ökonomen hatten ein geringeres Plus von 0,2% prognostiziert. Dies lässt dem EZB-Rat Spielraum, im September wie allgemein erwartet die Zinsen erneut zu lockern − zumal die im Juli stagnierende Wirtschaftsstimmung keine größeren Sprünge verheißt. Die Entscheidung wird allerdings nicht leichter, da sich in den 20 Euro-Mitgliedsländern erneut ein Nord-Süd-Gefälle ausmachen lässt: Im Norden schwächelt die Wirtschaft, im Süden prosperiert sie.
Investitionen und Bau bremsen
Größter Belastungsfaktor war erneut Deutschland, die größte der Euro-Volkswirtschaften. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hierzulande preis-, saison- und kalenderbereinigt in den drei Monaten bis Juni um 0,1% zum Vorquartal geschrumpft. Zu Jahresbeginn war die Rezession mit einem Plus von 0,2% noch vermieden worden, nachdem es im Schlussabschnitt 2023 noch um 0,5% nach unten ging. „Insbesondere die preis-, saison- und kalenderbereinigten Investitionen in Ausrüstungen und Bauten nahmen ab“, erklärten die Wiesbadener Statistiker zum Rückgang im Frühjahr. Bei der ersten Schnellmeldung werden üblicherweise keine weiteren Details genannt − diese folgen bei der Zweitschätzung am 27. August.
Spitzenreiter unter den Euro-Schwergewichten war erneut Spanien, das von einem Tourismus-Boom profitiert: Das BIP der viertgrößten Euro-Volkswirtschaft stieg laut dem Statistikamt INE um 0,8% zum Vorquartal. Bereits zu Jahresbeginn hatte sich ein Plus von 0,8% ergeben. Ökonomen hatte hingegen mit einem Schwungverlust auf 0,5% gerechnet. Die EU-Kommission erwartet für das Gesamtjahr 2024 ein Wachstum von rund 2,1%, Spaniens Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo rechnet für die Jahre bis 2027 mit je mehr als 2%.
Positive Überraschung aus Frankreich
Frankreichs Wirtschaft legte trotz der Turbulenzen um die überraschenden Neuwahlen im zweiten Quartal mit 0,3% im Quartalsvergleich kräftiger zu als erwartet. Ökonomen hatten nach dem Plus von revidiert 0,3 (zuvor: 0,2)% mit einem Zuwachs von 0,2% gerechnet. Die Impulse kamen laut Statistikamt Insee vor allem vom Außenhandel und höheren Investitionen. Die privaten Konsumausgaben stagnierten. Die Statistiker erwarten sich für das dritte Quartal einen Schub von den derzeit laufenden Olympischen und den folgenden Paralympischen Spielen: Im dritten Quartal könnte das BIP um 0,5% klettern, wobei vor allem Ticket-Verkäufe und Fernsehrechte 0,3 Prozentpunkte zum Wachstum beisteuern dürften, wie es hieß. Im Gesamtjahr dürfte laut der EU-Kommission ein BIP-Zuwachs von 0,7% herausspringen.
Italien, das zuletzt lange als Sorgenkind des gemeinsamen Währungsraums galt, verzeichnete − wie von Ökonomen vorausgesagt − ein Wachstum von 0,2%, wie das Statistikamt Istat mitteilte. Zu Jahresbeginn reichte es noch zu einem etwas stärkeren Plus von 0,3%. Für Schwung sorgten laut den Statistikern aus Rom die Dienstleister, während von Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Industrie negative Impulse kamen. Auf der Nachfrageseite schoben die Lagerveränderungen das Wachstum an, wohingegen die Nettoexporte bremsten. Für 2024 steht die Voraussage der EU-Kommission bei 0,9%, die Regierung in Rom ist mit +1,0% etwas optimistischer.
Kräftige Zuwächse verzeichneten im Frühjahr vor allem Irland (1,2%) und Litauen (0,9%). Neben Deutschland meldete auch Lettland (−1,1%) ein schrumpfendes BIP. Unter den Südländern bleibt Portugal (0,1%) etwas zurück.