LEITARTIKEL

Devisenschatz ohne Glanz

China ist groß und seine Devisenreserven sind gewaltig. Wenn ein Land einen Fremdwährungsberg von rund 4 Bill. Dollar aufgehäuft hat, muss sich die Zentralbank mit einer solchen Interventionsmasse in der Hinterhand sicherlich kaum Gedanken darüber...

Devisenschatz ohne Glanz

China ist groß und seine Devisenreserven sind gewaltig. Wenn ein Land einen Fremdwährungsberg von rund 4 Bill. Dollar aufgehäuft hat, muss sich die Zentralbank mit einer solchen Interventionsmasse in der Hinterhand sicherlich kaum Gedanken darüber machen, wie sie einen ihr genehmen Wechselkurs durchsetzen und verteidigen kann, oder etwa doch? Nun – 4 Bill. Dollar war der Umfang zur Jahresmitte 2014. Mittlerweile sind Chinas Währungsreserven sind auf rund 3,2 Bill. Dollar geschrumpft und wurden im vergangenen Jahr um über 500 Mrd. Dollar dezimiert, was für sich genommen einen Weltrekord darstellt. Zuletzt betrug die monatliche Abschmelzung mehr als 100 Mrd. Dollar. Wenn der Trend anhält, gibt das chinesische Bollwerk nicht mehr sonderlich viel her, zumal der tatsächlich liquide und für Währungsinterventionen einsetzbare Teil der Reserven natürlich wesentlich geringer ist.Wie konnte es zu so einer Situation kommen? Im Jahr 2014, als Chinas Wachstum sich zu verringern begann, gab es eigentlich schon Anlass für einen schwächeren Yuan-Dollar-Kurs, zumal der Greenback gegenüber allen anderen Währungen sehr kräftig anzog. Chinas Zentralbank sorgte allerdings bis zum Sommer 2015 mit festen Referenzkursen und reichlich Interventionen dafür, dass der Yuan auf einem sehr anspruchsvollen Niveau bei rund 6,20 Yuan je Dollar gehalten wurde. Im August 2015 brachte dann eine aufsehenerregende Anpassung des chinesischen Wechselkurs-Steuerungsmechanismus mit einer marktnäheren Orientierung des handelstäglich von der Zentralbank gestellten Referenzkurses eine fühlbare Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar mit sich.Das neue System galt als ein Art Voraussetzung, damit China die Kriterien für eine Aufnahme des Yuan in den kleinen Kreis der offiziellen Reservewährungen des Internationalen Währungsfonds erfüllen konnte. Allerdings wurde der Schritt auf eine unnötig ruckartige Weise vollzogen und so schlecht kommuniziert, dass er die internationalen Devisenmärkte ins Chaos stürzte. So brachte die Yuan-Abwertung keine Entlastung, sondern vielmehr eine dramatische Steigerung des Interventionsbedarfs, um die Referenzkurse marktgerecht und die Währung (auf dem neuen Niveau) fortan wieder stabil zum Dollar zu halten. Zum Jahresbeginn hat die People’s Bank of China (PBOC) erneut mit einer Schwächung des Yuan gegenüber dem Dollar experimentiert und prompt wieder Turbulenzen ausgelöst. Die Situation ist nun brisanter geworden, denn mittlerweile bildet sich in der Hedgefonds-Szene ein Thema heraus, demnach der Yuan auch gegen den Willen der PBOC marktgetrieben geschwächt werden kann und es sich lohnt, auf eine solche Baisse zu spekulieren.Auch an der heimischen Front dreht sich die Stimmung. Der Nimbus eines dauerhaft starken und ewig aufwertenden Yuan, an den sich die Wirtschaftsakteure lange verlassen hatten, ist dahin. Dies führt dazu, dass chinesische Exporteure nun verstärkt Dollar horten und die Verbraucher alle Register ziehen, um mit erlaubten und unerlaubten Mitteln Yuan-Ersparnisse in Dollar umzuschichten und Kapital außer Landes zu bringen. Die erhöhte Kapitalabflussproblematik bringt den Yuan tendenziell unter weiteren Abwärtsdruck und lässt die Frage aufkommen, ob die PBOC weiterhin mit Interventionen dagegenhalten will und kann. Zuletzt hat die Zentralbank mit festeren Referenzkursen ein Zeichen gesetzt und dafür gesorgt, dass sich der im Markt gebildete Kurs bei 6,55 bis 6,60 Yuan zum Dollar stabilisiert. Freilich weiß man nicht, wie viel begleitender Interventionsaufwand dahintersteckt.Einige Analysten rechnen bereits vor, dass die PBOC binnen weniger Monate ihr Pulver verschossen haben wird und sich dann gar zur völligen Freigabe des Yuan-Wechselkurses gezwungen sehen könnte. Sonderlich realistisch ist die Vorstellung, dass Chinas Zentralbank einfach das Handtuch wirft, aber nicht. Man darf nicht vergessen, dass die PBOC mit dem Setzen von Referenzkursen in gewisser Weise Chef im Ring bleibt, denn im Handel kann die Devise höchstens 2 % von der offiziellen Richtschnur abweichen. Seit August orientiert sich der offizielle Mittelkurs an dem im Spothandel ermittelten Niveau, was im Falle eines andauernden marktseitigen Abwertungsdrucks erhebliche Interventionen erfordert, um den Spotkurs auf Linie zu bringen. Niemand aber kann die PBOC daran hindern, diesen noch relativ neuen Mechanismus für einen bestimmten Zeitraum wieder auszusetzen, etwa um “bösen internationalen Spekulanten” das Genick zu brechen.——–Von Norbert HellmannChinas Devisenreserven wirken nicht mehr unerschöpflich. Die Zentralbank muss sich ernsthafte Gedanken über ihre Taktik zur Stabilisierung des Yuan machen.——-