Die 1 000-Franken-Note wird zum Problem
Von Daniel Zulauf, ZürichDer oberste Frankenhüter Thomas Jordan sagt seit Monaten auffallend oft, der Spielraum für weitere Zinssenkungen sei nicht ausgeschöpft. Er reagiert auf die sich häufenden Signale der Währungshüter in Washington und Frankfurt, die vor dem Hintergrund der deutlich abgekühlten Konjunktur in der Weltwirtschaft den vorzeitigen Abbruch ihrer Politik der Zinsnormalisierung ankünden.Während der Normalisierungsprozess in den USA immerhin schon seit vier Jahren abläuft, hat er in Europa noch kaum begonnen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält mit ihrem negativen Leitzins von minus 0,75 % nach wie vor den unangefochtenen Weltrekord. Eine baldige Wende ist nicht mehr absehbar. Im Gegenteil: Inzwischen erwarten viele Wirtschaftsbeobachter, dass die US-Notenbank und auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen bald wieder senken könnten. Darauf hätte die SNB im Prinzip drei mögliche Antworten:Sie könnte nichts tun und zulassen, dass die Zinsdifferenz zwischen dem Euro und dem Franken kleiner wird, was die relative Attraktivität des Franken als Anlagewährung erhöhen würde. Der Franken würde weiter aufwerten, mit negativen Folgen für die Exportindustrie und den Tourismus. Die zweite Variante wäre es, dass die Nationalbank wieder anfängt, kräftig Euro und Dollar zu kaufen, um den Franken zu schwächen oder mindestens dessen Aufwertung zu bremsen. Mit dieser Strategie ist die SNB schon einmal gescheitert. Deshalb hatte sie 2011 den Euro-Mindestkurs eingeführt.Die dritte Möglichkeit wäre es, die Zinsdifferenz zum Euro beizubehalten, was bei einer Zinssenkung der EZB zur Folge hätte, dass die SNB den Leitzins ihrerseits noch tiefer ins Minus drücken müsste. An diese Variante denkt Jordan, wenn er sagt, der Spielraum für weitere Zinssenkungen sei noch nicht ausgeschöpft. Banknoten werden gehortetDoch wie groß dieser Spielraum tatsächlich ist, weiß auch die SNB selbst nicht. Sie muss damit rechnen, dass die Leute ihr Geld nicht mehr auf dem Bankkonto liegen lassen, wenn auch gewöhnliche Sparer und nicht mehr nur Großanleger mit Strafzinsen belegt werden. Wenn die Leute ihr Geld von den Banken abziehen, um es in Tresoren zu horten, ist das nicht nur ein Risiko für die Stabilität des Bankensystems, sondern es ist auch ein Weg, die Zinspolitik der Nationalbank zu unterlaufen.Deshalb überlegen sich die Notenbanken schon seit geraumer Zeit, wie eine massive Zunahme der Bargeldhortung in einem Szenario noch tieferer Zinsen zu verhindern wäre. In einem von der SNB veröffentlichten Papier gehen die EZB-Ökonomin Katrin Assenmacher und zwei Co-Autoren der Frage nach, inwiefern das Hortungsmotiv die Bargeldnachfrage beeinflusst. Die Autoren ergründen das Thema auf drei verschiedene Arten. Zuerst untersuchen sie, inwiefern die Nachfrage nach bestimmten Noten vom Einkommen abhängig ist. Die zugrundeliegende Hypothese lautet: Je größer das Einkommen, desto größer ist die Nachfrage nach großen Noten. Die Hypothese basiert auf der plausiblen Annahme, dass kleines Geld für den täglichen Gebrauch verwendet wird und großes Geld anderen Zwecken wie der Hortung dient. Und die Hypothese wird durch die statistischen Tests in der vorliegenden Studie vollumfänglich bestätigt.In einem zweiten Schritt untersuchen die Wissenschaftler, inwieweit sich die Nachfrage nach Banknoten mit verschiedenen Denominationen unterscheidet. Wenn die Nachfrage allein durch den Bedarf für Zahlungen getrieben wäre, müsste sich diese für alle Noten ungefähr im gleichen Verhältnis entwickeln. Wenig überraschend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall ist. Die Nachfrage nach der 1000er Note und der 200er Note entwickelt sich seit Jahrzehnten anders als jene der kleineren Noten. Fazit: Für die Nachfrage nach großen Noten muss es noch andere Gründe geben als nur die Abwicklung von Transaktionen.Und schließlich wird auch festgestellt, dass die großen Noten eine weit längere Lebensdauer besitzen als die kleinen Noten. Auch das ist ein starker Hinweis darauf, dass die großen Noten eher gelagert als für Zahlungszwecke eingesetzt werden.Die Studie kommt zum Schluss, dass rund 60 % des Schweizer Banknotenbestandes im Wert von 45 Mrd. SFR für Hortungszwecke verwendet werden. Die 1000er Note wird gemäß der Studie sogar in 79 bis 87 von 100 Fällen gehortet. Die 1000er Note ist gleichzeitig der wichtigste Schein im Schweizer Geldverkehr. Er repräsentiert wertmäßig 60 % des gesamten Notenumlaufes.Bislang hatte die SNB allen Grund, sich über die Banknoten zu freuen. Durch die Notenausgabe erzielt die Nationalbank sogenannte Seigniorage-Einnahmen, indem sie die Notenbankgeldmenge nicht verzinsen muss und das Geld ertragbringend anlegen kann. Mit diesem Seigniorage erwirtschaftet die SNB jährliche Erträge in Milliardenhöhe. Das Geld kann sie zum Aufbau von Eigenkapital, aber auch zur Deckung ihrer Kosten und schließlich auch für Ausschüttungen an Bund und Kantone verwenden. Im vorherrschenden Negativzinsumfeld könnte dieses gute Geschäft für die SNB zum Bumerang werden. Deshalb überlegen sich Jordan und Co. prophylaktisch, wie sich die beliebte 1000er Note weniger attraktiv machen lässt.