„Die EU darf sich nicht erpressen lassen“
Im Interview: Christoph Schemionek
„Die EU darf sich nicht erpressen lassen“
Neue Zölle richten „erhebliche Schäden“ an – Deutsche Firmen setzen auf Unterstützung einzelner Bundesstaaten
Die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump geforderten Strafzölle werden die amerikanische Handelsbilanz nur temporär schönen, erwartet der deutsche Wirtschaftsdelegierte in den USA Christoph Schemionek. Er fordert von Europa mehr Pragmatismus und eine „Charmeoffensive“.
Das US-Handelsdefizit stört Donald Trump seit Jahren. Werden Zölle helfen, das Defizit abzubauen?
Die im Wahlkampf angekündigten Zölle von 10 bis 20 oder gar 50% würden erheblichen Schaden anrichten. Ein Handelskonflikt mit verbündeten Ländern und Regionen wie der Europäischen Union würde Verlierer auf beiden Seiten des Atlantiks hervorbringen. Das schönt nur temporär die Handelsbilanz.
Wie sähen denn die Folgen speziell für die deutsche Autoindustrie aus?
Branchenspezifische Konsequenzen eines Handelskonflikts sind sehr schwer abzuschätzen, besonders weil unklar ist, wie die Vergeltungszölle aussehen würden. Die Automobilbranche stand während des Wahlkampfs besonders oft in der Kritik von Donald Trump. Importe über Mexiko werden explizit kritisch gesehen und könnten den im Jahr 2026 anstehenden Prüfprozess des Handelsabkommens USMCA zwischen Mexiko, Kanada und den USA prägen.
Diese Verhandlungen gelten als richtungsweisend für die kommenden Jahre und werden unter anderem das Thema stark wachsender chinesischer Importe adressieren.
Und was wird aus grünen Technologien?
Im Bereich grüne Technologien und Nachhaltigkeit zeichnet sich ein durchwachsenes Bild. Solarmodule und andere nachhaltige Güter aus China sind bereits Gegenstand mehrerer Handelsbeschränkungen seitens der USA. Trump könnte diese verschärfen und auf andere Länder ausweiten. Gesetze zur Förderung des Klima- und Umweltschutzes, wie den Inflation Reduction Act, könnte Trump mithilfe des Kongresses rückgängig zu machen wollen oder weiter einzuschränken.
Eine vollständige Rücknahme gilt indes als unwahrscheinlich, auch weil die über dieses Gesetz ausgelösten Investitionen zu großen Teilen in republikanische Wahlkreise fließen. Unabhängig von Washington haben sich viele Einzelstaaten und Stadtregionen den Zielen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet und benötigen entsprechende Technologien.
Flächendeckende Zölle befeuern die Inflation in den USA.
Sehen Sie die Gefahr eines Handelskriegs, wenn die EU mit Vergeltungsschritten antwortet?
Die EU darf sich natürlich nicht erpressen lassen. Was es braucht, ist ein Pragmatismus und Verhandlungsbereitschaft. Die deutsche Exportwirtschaft, die deutschen Tochterunternehmen in den USA und die amerikanischen Unternehmen vor Ort, wären Verlierer eines festgefahrenen Handelskonflikts. Flächendeckende Zölle würden die Inflation in den USA befeuern und zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Die Verunsicherung ist insofern groß, als unklar ist, wann und wie Donald Trump seine Ankündigungen als Präsident umsetzen wird.
Der frühere EU-Kommissionspräsident Juncker konnte abgesehen von Stahlzöllen Schlimmeres abwenden. Können wir auf Ähnliches hoffen?
Die Aussetzung der EU-Gegenzölle im Stahl- und Aluminiumstreit läuft Ende März 2025 aus. Die US-Administration könnte dies zum Anlass nehmen, ihrerseits wieder Zölle zu erheben. Trump selbst pflegt einen sehr transaktionalen Verhandlungsstil. Natürlich würde da eine „Charmeoffensive“ im Stile Junckers helfen. Ich gehe davon aus, dass Trump, der sich als „tariff man“ versteht, das auslaufende Abkommen erst einmal nicht verlängern wird. Klare Signale für Verhandlungslösungen würden Unsicherheit für Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks reduzieren.
Es gibt auch nach wie vor großes Potenzial für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den USA und der Europäischen Union, etwa bei Regulierungsfragen und technischen Standards oder bei der Resilienz von Lieferketten. Der US-EU-Handels- und -Technologierat bietet ein gutes Forum für den Austausch und sollte fortgeführt werden. Auch die US-Wirtschaft profitiert von reibungslosen Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland und der EU. Die Europäische Union sollte entschieden auf Zölle reagieren, und beide Seiten sollten die Differenzen in Verhandlungen beilegen.
Die transatlantischen Beziehungen werden letztlich von den deutschen Firmen vor Ort in den USA getragen.
Wie besorgt sind deutsche Tochterunternehmen in den USA?
Deutschland ist heute der drittgrößte ausländische Direktinvestor in den USA. Seit der Regierung von Präsident Barack Obama haben sich die Investitionen in den USA mehr als verdoppelt. In unseren Umfragen sehen wir, dass deutsche Unternehmen aufgrund der Marktgröße und Marktstabilität in die USA kommen. Sie wollen auch näher an ihren Kunden sein. Die Unternehmen unterhalten vor allem mit den Entscheidungsträgern auf einzelstaatlicher Ebene gute Beziehungen. Somit werden die transatlantischen Beziehungen insbesondere von diesen Kontakten getragen.
Klar ist aber auch, dass die über Washington veränderte US-Industriepolitik eine immer größere Rolle spielt. Der US-Markt ist grundsätzlich sehr dynamisch und bleibt – so oder so – ein Wachstumsmarkt.
Wie wird Donald Trump seine Agenda angehen?
Der Präsident wird ab Tag 1 mit sogenannten Executive Orders versuchen, die Bundesadministration zu steuern und Verordnungen seines Vorgängers schnellstens aussetzen. Abhängig vom Tempo der Bestätigungen seiner politischen Beamten kann dann die Arbeit in den Ministerien angegangen werden. Das dominante Thema im Kongress dürfte 2025 aber zunächst die Steuerpolitik sein. Trump will nämlich die auslaufenden Steuererleichterungen zügig verlängern.
Das Interview führte Peter De Thier.