WIRTSCHAFTSKRISE IM ANMARSCH - IM INTERVIEW: JÖRG BUCK, AHK MAILAND

"Die Auswirkungen werden stark sein"

Zeitverzögerte Entwicklungen in anderen Ländern

"Die Auswirkungen werden stark sein"

Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der deutsch-italienischen Handelskammer, Jörg Buck, rechnet mit schweren wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen gegen die Coronavirus-Epidemie in Italien. Produktion und Lieferketten funktionierten aber. Buck rechnet mit ähnlichen Maßnahmen in anderen Ländern. Herr Buck, wie stark treffen die Coronavirus-Epidemie und insbesondere die weitgehende Abriegelung von großen Teilen Norditaliens deutsche Unternehmen in Italien?Es ist zu früh, das genau zu sagen. Die Auswirkungen werden stark sein. Nach einer Umfrage, die wir letzte Woche durchgeführt haben, sind viele Unternehmen schon bisher stark betroffen gewesen. So weit wie möglich haben die Firmen für ihre Mitarbeiter Home Office angeordnet. Bei uns in der Handelskammer betrifft das 100 % der Mitarbeiter. Physische Kundenkontakte gibt es derzeit nicht. Home Office ist in der Produktion schlechterdings nicht möglich. Haben Sie Erkenntnisse, ob unverändert weiter produziert wird?Ja, es wird weiter normal produziert. Dabei gelten strenge Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen, etwa das Tragen von Masken und Handschuhen oder die Wahrung eines Sicherheitsabstandes. Anders war es zuletzt in den völlig abgeriegelten Zonen, wo etwa eines unserer Mitgliedsunternehmen ein Lager hatte. Auch dort fand sich jedoch eine Lösung. Wie viele der in Italien tätigen Unternehmen aus Deutschland sind denn in den betroffenen Regionen tätig?Die betroffenen Regionen repräsentieren etwa 70 % des Umsatzes unserer Mitgliedsunternehmen. Hier in Italien sind etwa 1 900 deutsche Unternehmen mit 168 000 Mitarbeitern tätig, die einen Umsatz von 72,5 Mrd. Euro erwirtschaften. Darin ist der Finanz- und Versicherungssektor nicht beinhaltet. In welchen Branchen?Alle in Italien relevanten Branchen: Handel, Automobilindustrie, Maschinenbau, Pharma- und Chemieindustrie, Metallverarbeitung, Elektroindustrie. Nicht alle Unternehmen produzieren aber ausschließlich in der Lombardei und in Venetien, auch wenn sie etwa in Mailand ihren Sitz haben. Gibt es Unterbrechungen in der Lieferkette?Nein, die Logistik kann regulär abgewickelt werden. Uns sind keine Störungen bekannt. Aber es gibt natürlich Schutzvorkehrungen für die Lkw-Fahrer. Wie hoch ist der wirtschaftliche Schaden?Das kann man so noch nicht eindeutig sagen. Vielfach war schon vorher eine Abkühlung der Weltkonjunktur spürbar, und es gibt eine Vielzahl von Herausforderungen sowie Veränderungen, etwa in der Mobilitätsbranche. Nun kommen Auswirkungen des Coronavirus hinzu, wobei es sich hier nicht um ein italienisches Phänomen handelt. Was hier in Italien gerade passiert, wird zeitverzögert auch in anderen europäischen Ländern eintreten. Das trifft Europa und die Welt insgesamt: Die am meisten gefürchteten Folgen sind ein Nachfragerückgang und damit in einem sich bereits verlangsamenden weltwirtschaftlichen Szenario Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette.Das Interview führte Gerhard Bläske.