DIE FOLGEN DES BREXIT

Die Bank von England steckt in einem Dilemma

Kampf gegen eine drohende Rezession bei steigenden Preisen wegen Pfund-Verfalls - Notenbanken sind zu Markteingriffen bereit

Die Bank von England steckt in einem Dilemma

Die Notenbanken bilden die vorderste Verteidigungslinie zur Wahrung der Ordnung auf den Finanzmärkten in turbulenten Zeiten. Das Brexit-Votum bringt die Bank von England, die EZB und die SNB aber an den Rand ihrer Möglichkeiten.Von Stephan Lorz, FrankfurtSchon unmittelbar nach dem Votum der Briten, die EU verlassen zu wollen (Brexit), hat der britische Notenbankchef Mark Carney den Marktteilnehmern 250 Mrd. Pfund zur Stützung der Märkte in Aussicht gestellt. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die japanische Notenbank haben ihre Handlungsbereitschaft betont. Man sei bereit, “falls nötig, den Märkten zusätzliche Liquidität in Euro und anderen Währungen bereitzustellen”, teilten die Frankfurter Währungshüter mit. Beide Notenbanken haben sich zudem gegenseitig Swaplinien eingeräumt zum Tausch der Währungen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) schritt gleich zur Tat und sah sich bereits gezwungen, am Devisenmarkt einzugreifen.Grund für die Hektik ist die Tatsache, dass die Märkte im Hinblick auf das Brexit-Votum falsch aufgestellt waren. Das hat zu Verwerfungen vor allem am Devisenmarkt, aber auch an den Börsen und den Märkten für Staatsanleihen gesorgt.Der Handlungsdruck reicht bis hin zur US-Notenbank Fed, die nach Meinung von Ökonomen schon bald ein Signal geben muss, den Zinserhöhungszyklus vorerst auszusetzen. Das könnte die Stimmung an den Märkten heben. Damit – und mit den Aktivitäten der anderen Notenbanken – soll verhindert werden, dass die Marktturbulenzen sich auf die Realwirtschaft übertragen, da Zeiten erhöhter Unsicherheit und Volatilität zu Investitions- und Konsumzurückhaltung führen. Zugleich braucht die Politik Zeit, um auf die neue Situation angemessen und Vertrauen stiftend reagieren zu können.In einem besonderen Dilemma steckt die Bank von England (BoE): Einerseits ist in Großbritannien mit einer tiefen Rezession zu rechnen, andererseits dürften die Preise rasant steigen angesichts der enormen Abwertung des britischen Pfund. Beide Ziele kann die BoE indes nicht angehen. Die meisten Experten rechnen damit, dass sie die Konjunkturrisiken für gefährlicher hält und den Leitzins von 0,5 % weiter in Richtung null drückt und zugleich für Liquidität durch Anleihekäufe sorgen wird. Dies könnte aber zu einer Stagflation führen, ein geldpolitisch nur schwer zu bekämpfender Zustand. Peripheriestaaten im FokusAuch in der Währungsunion hat das Brexit-Votum neue Sorgen vor einer wieder auflodernden Euro-Krise ausgelöst, was die EZB auf den Plan rufen muss. Mit dem britischen Austritt wachsen die Zweifel nicht nur am Zusammenhalt der EU, sondern auch des Euroraums. Das zeigt sich an den Renditen der Staatsanleihen aus den Peripheriestaaten. Die EZB dürfte daher ihren außerordentlich expansiven geldpolitischen Kurs beibehalten und sogar noch eine Schippe drauflegen.Dass sie sich erst unlängst selbst die Käufe von Unternehmensanleihen genehmigt hat, erleichtert ihr die Arbeit. Denn das “Angebot” von Staatsanleihen aus “sicheren” Ländern wie Deutschland schrumpft. Manche Ökonomen fordern schon, den Kapitalschlüssel, der die Gewichtung der Ankäufe festlegt, aufzubrechen, was indes auf starken Widerstand aus Deutschland stoßen würde.Allerdings hat das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hier für eine gewisse Entspannung gesorgt, nachdem die Richter dem OMT-Programm grünes Licht gegeben haben. Das Versprechen der EZB, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen einzelner Länder aufkaufen zu wollen, um eine Staatspleite zu verhindern, muss womöglich bald eingelöst werden – zum ersten Mal seit seiner Einführung 2012.Während die EZB und die BoE mit starken Wertverlusten ihrer Währungen konfrontiert sind, haben Japan und die Schweiz andere Probleme. Die Schweizer schritten am Freitag sofort zur Tat: “Die Schweizerische Nationalbank hat am Devisenmarkt eingegriffen, um die Situation zu stabilisieren, und wird am Markt aktiv bleiben”, teilte die SNB mit. Der starke Franken ist den Notenbankern wegen negativer Folgen für die Exportwirtschaft ein Dorn im Auge. Ähnlich das Problem der Japaner. “Wir stehen bereit, um die Märkte mit genügend Liquidität zu versorgen”, beruhigte Notenbankchef Haruhiko Kuroda.