IM INTERVIEW: HYUN SONG SHIN

"Die Banken sind derzeit das schwächste Glied im System"

Der BIZ-Chefökonom über die sich verschlechternde Bilanz der ultralockeren Geldpolitik, Warnsignale an den Finanzmärkten und die Zukunft der Zentralbanken

"Die Banken sind derzeit das schwächste Glied im System"

– Herr Shin, trotz einer beispiellos lockeren Geldpolitik weltweit kommt die Weltwirtschaft nicht richtig in Fahrt und die Inflation ist vor allem in den Industrieländern sehr niedrig und liegt weit unter den Zielen der Zentralbanken. Müssen die Notenbanken also noch mehr tun – oder ist es an der Zeit einzuräumen, dass diese Politik versagt hat?Diskussionen über die angemessene Geldpolitik unterstellen oft implizit, dass eine niedrige Inflation zerstörerisch auf die Realwirtschaft wirkt – insbesondere dann, wenn die Teuerungsrate unter die Nulllinie fällt. Dann sehen viele ein Abrutschen in eine deflationäre Spirale, in der sich selbst verstärkende Kräfte die Wirtschaft immer weiter nach unten ziehen, bis alles in einem Desaster endet. Das Bild, das viele Ökonomen da im Kopf haben, ist das von der Großen Depression- … also der großen Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren.Damals gab es eine negative Wechselwirkung zwischen fallenden Preisen und einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die in einer Abwärtsspirale mündete. Wenn man dieses Szenario im Kopf hat, ist es die logische Konsequenz, zu versuchen, mit allen Mitteln eine niedrige Inflation oder eine Deflation zu verhindern. Fakt ist aber, dass – mit Ausnahme der Großen Depression – kaum Belege für eine solche Abwärtsspirale existieren. Es gibt keine empirischen Belege, dass etwa Konsumenten Käufe verschieben, weil sie auf künftig noch niedrigere Preise spekulieren. Tatsache ist also, man kann sogar eine anhaltende Phase milder Deflation haben und es passiert überhaupt nichts Dramatisches oder Desaströses.- Sind die Notenbanker also besessen von niedriger Inflation und Deflation, obwohl alles gar nicht so schlimm ist?Natürlich verursacht Deflation Kosten, vor allem dann, wenn die nominale Verschuldung hoch ist. Doch wie gesagt, es besteht die Annahme und auch die große Sorge, dass, wenn die Inflationsrate unter null rutscht, alles außer Kontrolle gerät. Wenn das die Prämisse ist, zieht man alle Register, um das zu verhindern. Diese Prämisse ist aber fragwürdig. Wenn man stattdessen davon ausgeht, dass die Folgen niedriger Inflation oder milder Deflation für die Realwirtschaft nicht so dramatisch sind, und wenn man die niedrige Inflation auch als Konsequenz langfristiger, struktureller Entwicklungen sieht, dann muss man die Vor- und Nachteile dieser geldpolitischen Maßnahmen neu abwägen.- Heißt das also, die Notenbanken sollten jetzt nicht nachlegen?Es gibt einen Trade-off, eine Abwägung zwischen dem Nutzen und den Kosten. Wenn die Einschätzung ist, dass niedrige Inflation nicht im Desaster endet – wofür die Evidenz spricht -, dann fällt dieser Trade-off mit Blick auf die unkonventionellen, experimentellen Maßnahmen der Notenbanken sicher sehr viel ungünstiger aus.- Viele Kritiker der ultralockeren Geldpolitik sagen, dass die Kosten den Nutzen bereits heute überwiegen, etwa was Verzerrungen auf den Finanzmärkten betrifft. Ist dieser Punkt erreicht?Ich denke, niemand kann das mit Gewissheit sagen. Aber es gibt Argumente, die dafür sprechen. Schauen Sie sich beispielsweise QE an…- . . also das Quantitative Easing, den groß angelegten Wertpapierkauf durch die Notenbanken.QE war ursprünglich gedacht als Krisenmaßnahme, um schwerwiegende Störungen an den Finanzmärkten infolge der Weltfinanzkrise zu beheben und die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Es ist keine Frage, dass das damals nötig und richtig war. Jetzt ist die Finanzkrise aber fast zehn Jahre her und die Notfallsituation ist ganz sicher auch schon eine ganze Zeit überwunden. Aber noch immer wird dieses Instrument genutzt. Man kann sicher hinterfragen, ob das angemessen ist. Das Problem ist, dass die Inflation als verlässlichster Indikator dafür gilt, wo eine Volkswirtschaft steht.- Was Sie für falsch halten?Die Annahme, dass die Inflation der beste Indikator für die Auslastung der Wirtschaft ist, basiert auf der Idee der Phillips-Kurve, also dem Zusammenhang zwischen Lohn- und Preisniveauänderungen auf der einen und der Arbeitslosenquote auf der anderen Seite. Die Phillips-Kurve hat sich aber als sehr viel weniger verlässlicher Indikator für das erwiesen, was uns wirklich beschäftigen sollte, nämlich wie gesund die Wirtschaft ist und wie es um die wirtschaftliche Aktivität bestellt ist. Wenn Zentralbanken sich exzessiv auf Inflation fokussieren, übersehen sie vielleicht, was wirklich entscheidend ist – die wirtschaftliche Aktivität.- Die Mandate der Notenbanken sind aber in den meisten Fällen auf das Erreichen stabiler Preise ausgerichtet. Warum ist die Inflation weltweit so niedrig, trotz der ultralockeren Geldpolitik?Es gibt eine Vielzahl von Gründen, vor allem globale Entwicklungen, denen wir teilweise nicht genug Aufmerksamkeit schenken. So gibt es strukturelle, langfristige Veränderungen. Demografie und technologischer Fortschritt sind da zwei Themen. Das ist zwar unter Ökonomen sehr umstritten und die empirische Evidenz ist nicht immer schlüssig, doch es spricht vieles dafür, diese Hypothesen ernster zu nehmen. Und dann gibt es sicher auch kurzfristige, globale Gründe wie die Rohstoffpreise. Inflation ist eben kein kurzfristiges, lokales Phänomen. Wenn wir bei der Inflationsentwicklung diesen längerfristigen, globalen Blickwinkel einnehmen und nicht engstirnig automatische Annahmen über die Kosten der Deflation treffen, dann können wir die Geldpolitik weltweit auf ein sichereres Fundament stellen.- Eine große Sorge sind die Risiken der ultralockeren Geldpolitik für die Finanzmärkte. Wie schätzen Sie die Lage derzeit ein?An den Finanzmärkten gibt es aktuell einige interessante Phänomene, die wir sehr genau beobachten müssen. Einerseits haben die Aktienmärkte, vor allem in den USA, historische Höchststände erreicht, und der wichtigste Aktienvolatilitätsindex VIX liegt sehr nahe seinem Allzeittief vor der Finanzkrise. Die Stimmung dort ist also sehr gut – fast wie in den “guten alten Zeiten”. Das signalisiert einen Boom. Andererseits gibt es gleichzeitig eine Rally an den Anleihemärkten, vor allem bei den Staatsanleihen. Die Renditen sind sehr niedrig und in vielen Fällen sogar negativ. Das wirtschaftliche Szenario, das zu solchen Niveaus passt, ist aber sehr düster. Das alles passt nicht zusammen, und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Signale sind beunruhigend. Das Dritte, was mich umtreibt, ist, was an den Devisenmärkten passiert. Da sind einige Anomalien entstanden. Wir müssen also sehr wachsam sein, was potenziellen Stress an den Finanzmärkten betrifft.- Was meinen Sie genau mit Anomalien am Devisenmarkt?Was sicher am meisten besorgniserregend ist, ist der Zusammenbruch der gedeckten Zinsparität, der Covered Interest Parity, die besagt, dass die Zinsen, die in den Währungsmärkten implizit sind, konsistent sind mit jenen in den Geldmärkten. Aktuell sind beim Dollar die impliziten Zinsen an den Währungsmärkten aber viel höher als an den Geldmärkten. Nach den Lehrbüchern sollte so etwas eigentlich nie passieren, weil es immer jemanden geben sollte, der das für Arbitragegeschäfte nutzt, wodurch sich diese Lücken schließen würden. Das letzte Mal gab es solche Lücken in der Finanzkrise, als alles in Aufruhr war. Danach schlossen sich die Lücken jedoch wieder. Aber jetzt gibt es das Problem wieder.- Was aber ist die Ursache und, vor allem, was folgt daraus?Der Zusammenbruch reflektiert zum Teil die Spannungen, die die divergierenden geldpolitischen Maßnahmen der wichtigsten Zentralbanken verursacht haben, und den Entzug der günstigen Kreditkonditionen in Dollar, zu dem es nach der Finanzkrise gekommen ist. Mit der Aufwertung des Dollar wurde es für Investoren immer schwieriger, Hedgegeschäfte zu verlängern, die sie eingegangen waren, als der Dollar abwertete und als sie sich wegen der niedrigen US-Leitzinsen günstig in Dollar verschuldeten. Der Zusammenbruch der gedeckten Zinsparität ist aber in jedem Fall ein sehr wichtiger Vorgang. Diese Zinsparität gehört zu den am besten abgesicherten ökonomischen Lehrbuchgesetzen. Wenn sie nun verletzt wird, ist das ein Signal, dass sich im Bankensektor Stress aufzubauen beginnt.- Inwiefern?Wenn die Banken genug Spielraum in ihren Bilanzen hätten, um diese Differenzen auszunutzen und Arbitragegeschäfte zu tätigen, würden sie diese gewinnbringende Gelegenheit ergreifen. Aber dass das nicht passiert und dass sich die Lücke weiter öffnet, signalisiert, dass der Handlungsspielraum der Banken eingeschränkt ist und Bilanzprobleme bestehen.- Stehen wir also an der Schwelle zur nächsten großen Finanzkrise?Solch ein Abweichen von diesem Lehrbuchgesetz beobachten wir normalerweise nur in Zeiten großen Stresses – wie in der Krise 2008. Aber der VIX liegt nahe seinem Allzeittief. Es gibt diese Lücken also, obwohl die Situation in anderen Marktsegmenten sehr ruhig und teils euphorisch ist. Wie groß wären sie also erst, wenn das Marktumfeld noch turbulenter wäre? Dann wäre der Stress im Bankensektor noch mehr zu spüren. Und das alles kommt in einer Zeit, in der die Geschäftsmodelle der Banken ohnehin unter Druck stehen wegen der Negativzinsen und der flachen Zinsstrukturkurve. Das Verhältnis von Kurswert zu Buchwert ist bei Bankaktien extrem niedrig und liegt seit einiger Zeit unterhalb von 1. Den Finanzmärkten geht es also zum Teil sehr gut, aber dem Bankensystem, das das Nervensystem der Finanzintermediation und der Wirtschaft ist, geht es nicht gut. Die Banken sind also derzeit das schwächste Glied im Finanzsystem.- Gilt das in besonderem Maße für Europas Banken?Das ist sicher ein Bereich, den man sehr genau anschauen muss. Die europäischen Banken spielen traditionell eine wichtige Rolle in der Dollar-Intermediation, und Anzeichen für eine Dollar-Knappheit gilt es daher aufmerksam zu beobachten.- Sind nicht auch die Zentralbanken mit ihrer Politik für diese Probleme verantwortlich? Sie verzerren mit QE Zinsen und Preise und belasten etwa mit Negativzinsen die Bankenprofitabilität.Das hört man oft, ist mir aber zu holzschnittartig. Es gibt allerdings zweifelsohne einige Segmente, in denen die Maßnahmen der Zentralbanken weltweit einen sehr großen Einfluss gehabt haben. Ein Beispiel sind die extrem niedrigen und teilweise negativen Anleihezinsen: Normalerweise wird argumentiert, diese seien die Folge eines Ungleichgewichts zwischen Ersparnissen und Investitionen, und die Zentralbanken würden bloß den gesamtwirtschaftlichen Fundamentaldaten folgen. Es gibt aber auch die gegenteilige Geschichte: dass die Geldpolitik auch maßgeblich dazu beitrage, Verstärkungsmechanismen in Gang zu setzen, die die langfristigen Zinsen drücken. Ein Argument ist das sogenannte “Duration Matching” der langfristigen Investoren: Wenn die Preise der Anleihen steigen und die Renditen sinken, müssen die Investoren immer mehr Anleihen kaufen. Dann aber steigen die Preise immer weiter und man ist gefangen in einer Abwärtsspirale, in der die Zinsen immer weiter sinken. Nun lässt sich sicher argumentieren, dass QE oder andere geldpolitische Maßnahmen die Initialzündung waren für die nun wirkenden Kräfte. Es ist gut möglich, dass die Maßnahmen der Zentralbanken zu einigen der Verzerrungen beigetragen haben, die aufgetreten sind.- Sind die Zentralbanken also selbst zum Risiko für die Finanzstabilität geworden?So würde ich das nicht ausdrücken. Die Zentralbanken sind wichtige Akteure am Markt und haben natürlich Einfluss. Die niedrigen Zinsen sind auch beabsichtigt und insofern ist das auch ein Signal, dass die Geldpolitik effektiv war. Die große Frage ist aber, ob die Entwicklungen, die wir derzeit teilweise an den Märkten sehen, etwas sind, was am Ende des Tages der Wirtschaft hilft, oder etwas, was langfristige Probleme für die Zukunft kreiert.- Zumindest was die Negativzinspolitik der Zentralbanken betrifft, ist das Urteil vieler Beobachter, nicht zuletzt der Banken, eindeutig. Sind Leitzinsen von unter 0 % letztlich kontraproduktiv?Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Negativzinsen nicht die erhofften, sondern gegenteilige Effekte haben. Es ist bezeichnend, dass auch viele Zentralbanken diese Frage derzeit diskutieren. Bislang haben unsere gesamtwirtschaftlichen Modelle postuliert: Wenn man die Zinsen senkt, erhöht das die Kreditvergabe – und zwar egal ob der Zins über oder unter 0 % liegt. In der Realität sehen wir aber, dass das nicht der Fall ist. Das liegt auch daran, dass es in vielen Ländern die Banken sind, die Kredite vergeben, und dass die Banken ihre Zinsen auf Kundeneinlagen nicht unter null senken, so dass ihre Zinsmarge sinkt. Das kann dann den gegenteiligen Effekt haben – die Kreditvergabe sinkt.- Und dazu kommt ein negativer psychologischer Effekt auf die Konsumenten, etwa wenn sie um ihre Altersvorsorge bangen?Es braucht mehr Forschung zu diesem Thema, aber ein möglicher Mechanismus besteht. Wenn man im Alter ein bestimmtes Ausgabenniveau anvisiert, kann das bedeuten, dass man bei sinkenden Zinsen für dasselbe Ausgabenniveau umso mehr sparen muss. Dann kann es einen nachteiligen Effekt auf den Konsum geben. Für die Kreditvergabe und die wirtschaftliche Aktivität ist aber vor allem entscheidend, was im Bankensektor passiert. Da müssen wir unsere Vorstellungen von der geldpolitischen Transmission ganz neu überdenken.- Weil Banken in den Modellen bislang gar keine Rolle spielen?Genau. Es ist ein wenig wie bei der Verkabelung in einem Auto. Niemand macht sich Gedanken über die Verkabelung. Wichtig ist nur, dass wenn man das Gaspedal tritt, sich die Geschwindigkeit erhöht. Ähnlich ist die Vorstellung in unseren Modellen: Wenn die Zinsen sinken, steigt die Kreditvergabe und die wirtschaftliche Aktivität legt zu. Nun aber zeigt sich, es spielt sehr wohl eine Rolle, wie die Banken ihr Geschäft betreiben, wie sich ihre Geschäftsmodelle in einer Ära negativer Zinsen verändern. Bei den Negativzinsen herrschte bislang auch die Vorstellung, dass diese durch gewisse Mechanismen die wirtschaftliche Aktivität ankurbeln und dass mehr Wachstum das beste Heilmittel für schwache Banken ist. Der erste Schritt ist aber für mich entscheidend. Was sind die Mechanismen, die dafür sorgen sollen, dass negative Zinsen die Wirtschaft ankurbeln? Einige unserer Annahmen über die Transmission scheinen nicht mehr korrekt. Wir müssen uns also sehr wohl Gedanken machen über die “Verkabelung” und können Banken in unseren Modellen nicht mehr einfach außen vor lassen.- Ein ganz anderes Umdenken der Geldpolitik hat US-Notenbanker John Williams vorgeschlagen. Er liebäugelt mit einer Anhebung des verbreiteten Inflationsziels von 2 % oder damit, die Inflationssteuerung aufzugeben und das Preisniveau oder das nominale BIP anzusteuern. Was halten Sie davon?Für mich ist das Wichtigste, dass nicht vergessen wird, welche enormen Fortschritte erzielt worden sind. Die Inflationssteuerung hat die Geldpolitik sehr viel systematischer gemacht und sehr viel Disziplin in den Prozess der geldpolitischen Entscheidungsfindung gebracht, weil den zugrundeliegenden analytischen Modellen und Daten eine große Bedeutung zukommt. Ist nun das Ziel von 2 % richtig? Oder sollten es 3 % sein? Oder ein ganz anderer Wert? Wir sollten uns nicht zu sehr von konkreten Zahlen vereinnahmen lassen. Dass es ein Ziel gibt, ist wichtiger als der genaue Wert.- Aber als 2010 der damalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Olivier Blanchard, vorgeschlagen hat, die Inflationsziele von 2 % auf 4 % anzuheben, war der Aufschrei unter den Notenbankern groß und man befürchtete, dass die Inflationserwartungen außer Kontrolle geraten könnten. Gilt das nicht mehr?Die Wahl des 2-Prozent-Ziels war eine Art Kompromiss. Auf der einen Seite sollte die Nulllinie nicht zu oft erreicht werden, auf der anderen Seite ist 2 % Inflation etwas, was die Wirtschaftsakteure noch nicht groß spüren. Bei 4 % wäre womöglich schon ein Niveau erreicht, bei dem sie die Teuerung wirklich spüren, so dass sie das in ihren Lohnverhandlungen oder Preisfindungsprozessen berücksichtigen. Insofern spricht einiges für die 2 %. Aber wie gesagt, mein Hauptpunkt ist: Wichtiger als der konkrete Wert ist die Systematik und die Disziplin in dem Prozess. Und ich finde, ein weiterer Punkt sollte bei dieser Diskussion nicht vergessen werden: dass wir in einer globalisierten Welt leben.- In der auch die Geldpolitik der einen Zentralbanken die Geldpolitik der anderen beeinflusst?Die Finanzmärkte sind eng miteinander verflochten, internationale Währungen wie der Dollar werden überall genutzt, nicht nur in den Schwellenländern. Dadurch gibt es nicht nur Spillovers von den USA in andere Länder, sondern auch wieder Spillbacks aus diesen Ländern auf die USA. Sehen Sie sich den Prozess der Zinsnormalisierung in den USA an. Was diesen Prozess aktuell verlangsamt, sind globale Entwicklungen.- Es braucht also mehr Kooperation oder gar Koordinierung der Zentralbanken weltweit?Den Wechselkursen kommt eine zentrale Bedeutung zu. Sie prägen nicht nur Handelsströme. Sie beeinflussen auch die globalen Finanzbedingungen entscheidend. Ein stärkerer Dollar bedeutet aktuell beispielsweise straffere finanzielle Bedingungen weltweit, wegen der hohen Verschuldung in Dollar, die in früheren Jahren aufgebaut worden ist. Das aber verändert auch Prozesse. Früher mag ein stärkerer Dollar für andere Volkswirtschaften gut gewesen sein, weil es eine schwächere eigene Währung und damit Exportvorteile bedeutete. Heute bedeutet ein stärkerer Dollar straffere Bedingungen an den Finanzmärkten mit der Folge einer schwächeren wirtschaftlichen Aktivität auch in den anderen Volkswirtschaften. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass einige der Faustregeln der Vergangenheit nicht mehr gelten. Die Volkswirtschaften sind so stark vernetzt, dass wir keine andere Wahl mehr haben, als die globale Perspektive einzunehmen.—-Das Interview führte Mark Schrörs.