Die Bedeutung von Schattenwirtschaft und Korruption
Von Friedrich Georg SchneiderSchattenwirtschaft und Korruption sind Phänomene, die in allen Wirtschaftsbereichen auftauchen und zum Teil erheblichen Schaden verursachen. Dieser Beitrag stellt dar, welche quantitative Größenordnung, aber auch finanz- und wirtschaftspolitische Bedeutung diese beiden Phänomene für Deutschland haben. Er nutzt neueste Daten.Die Schätzungen des Umfangs der Schattenwirtschaft basieren auf einer Kombination des MIMIC-Verfahrens und des Bargeldansatzes. Der MIMIC-Ansatz geht von der Annahme aus, dass die Schattenwirtschaft eine nicht direkt beobachtbare Größe ist, die näherungsweise aufgrund von quantitativ erfassbaren Ursachen (z. B. Steuerbelastung, Regulierungsdichte) und Indikatoren (Bargeld, offizielle Arbeitszeit etc.), in denen sich Schattenwirtschaftsaktivitäten widerspiegeln, berechnet werden kann. Entlohnung in barDa mit dem MIMIC-Verfahren nur relative Größenordnungen der Schattenwirtschaft der einzelnen Länder berechnet werden können, werden zur Umrechnung der Schattenwirtschaft in absolute Werte (in Prozent des offiziellen BIP oder in Milliarden Geldeinheiten) Startwerte, die beispielsweise mit Hilfe des Bargeldverfahrens berechnet wurden, benötigt. Der Bargeldansatz fußt auf der Idee, dass die in der Schattenwirtschaft erbrachten Leistungen bar entlohnt werden und dass es mit Hilfe einer Bargeldnachfragefunktion gelingt, diese bar entlohnten Leistungen zu schätzen und das Volumen an Schattenwirtschaft zu berechnen. Entwicklung bis 2015Die Grafiken geben die zeitliche Entwicklung der mit diesen beiden Verfahren geschätzten Entwicklung der Schattenwirtschaften für Deutschland über die Periode 1975 bis 2015 wieder.Betrachtet man die Entwicklung der Schattenwirtschaft für Deutschland (Grafik 2), so war diese nach starkem Zuwachs bis Anfang dieses Jahrzehnts seit dem Jahr 2003 von 370 Mrd. – bis 2006 auf 345,5 Mrd. Euro – rückläufig. Für das Jahr 2007 wurde erstmals seit drei Jahren wieder ein Anstieg der Schattenwirtschaft gegenüber dem Vorjahr um 3,5 Mrd. – oder 1 % auf 349 Mrd. Euro – berechnet; ein wesentlicher Grund dafür war die Mehrwertsteuererhöhung. Da gleichzeitig die offizielle Wirtschaft jedoch mit nominal knapp 3 % stärker gewachsen ist als die Schattenwirtschaft, verbesserte sich die Relation aus Schattenwirtschaft und offizieller Wirtschaft auch im Jahr 2007 weiter. Während der Wert der Schattenwirtschaft im Jahr 2003 in Relation zum offiziellen BIP noch 17,1 % und in 2006 noch 15,0 % ausmachte, lag dieser Wert im Jahr 2007 mit knapp 14,7 % sogar erstmals wieder unter dem Wert des Jahres 1998.Im Jahr 2008 ging die Schattenwirtschaft dank der guten Wirtschaftslage wieder um 2,2 Mrd. zurück. Im Jahr 2009 stieg die Schattenwirtschaft erstmals wieder aufgrund der Weltwirtschaftskrise um 1,4 % an. Für die Jahre 2013 und 2014 und 2015 wurde aufgrund des Wachstums der offiziellen Wirtschaft und wegen einiger wirtschaftspolitischen Maßnahmen ein Rückgang der Schattenwirtschaft berechnet.Die untenstehende Tabelle zeigt, dass die Auswirkungen der Konjunktur und wirtschaftspolitische Maßnahmen auf die Schattenwirtschaft in Deutschland im Jahr 2015 beträchtlich sein werden. Man erkennt, dass das prognostizierte BIP-Wachstum von 1,17 % zu einem weiteren Rückgang der Schattenwirtschaft um ca. 1.3 Mrd. führen wird.Die Senkung der Rentenbeitragssätze von 18,9 % auf 18,7 % wird einen Rückgang der Schattenwirtschaft von 300 Mill. Euro bewirken. Jedoch wird die Schattenwirtschaft ein Plus von 500 Mill. Euro verzeichnen können, wenn der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte (auf 2,35 % bei Familien mit Kindern und auf 2,6 % bei kinderlosen Familien) erhöht wird.Die Einführung eines bundesweiten Mindestlohnes in allen Branchen mit einer einheitlichen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro die Stunde führt zu einem Anstieg der Schattenwirtschaft um 1 500 Mill. Euro. Der jährliche Gesamteffekt des Koalitionsvertrages würde ein Plus der Schattenwirtschaft von 1 700 Mill. Euro mit sich bringen. Werden alle Maßnahmen im Jahr 2015 umgesetzt, würde die Schattenwirtschaft um 400 Mill. Euro ansteigen. Lage in den OECD-LändernDie Schattenwirtschaft war seit dem Ende der 1990er Jahre bis zum Jahr 2008 in den meisten OECD-Ländern rückläufig. So betrug der ungewichtete Durchschnitt der Schattenwirtschaft in den 21 OECD-Ländern im Jahr 1999/2000 16,8 % und reduzierte sich auf 13,3 % im Jahr 2008; das ist ein Rückgang von immerhin 3,5 Prozentpunkten! Wenn man das Jahr 1997/98 als das Jahr, in dem in den meisten OECD-Ländern die Schattenwirtschaft den höchsten Wert aufwies, heranzieht, dann ist die Schattenwirtschaft in 18 OECD-Ländern kontinuierlich gesunken. Nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz hielt der Anstieg der Schattenwirtschaft etwas länger an und war erst seit den Jahren 2003 bzw. 2004 rückläufig.Der Rückgang der Schattenwirtschaft gemessen als Anteil am BIP war von 1997/98 bis 2011 in Italien mit – 6,2 Prozentpunkten, in Belgien mit – 6,1 und in Norwegen mit – 6,0 Prozentpunkten des BIP am stärksten. Das kontinuierliche Sinken der Schattenwirtschaft in den OECD-Ländern von 1997 bis zum Jahr 2008 hatte im Jahr 2009 ein Ende gefunden. Durch das Einsetzen der Weltwirtschaftskrise stieg in allen 21 OECD-Ländern die Schattenwirtschaft. Durchschnittlich betrug sie im Jahr 2009 13,8 Prozent – ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2008 (13,3 %) – und erreichte damit fast wieder den Wert des Jahres 2007.Aufgrund des einsetzenden Wirtschaftsaufschwungs beziehungsweise der wirtschaftlichen Erholung von der Weltwirtschaftskrise ab dem Jahr 2011 sinkt die Schattenwirtschaft im Jahr 2012 in den meisten OECD-Ländern und erreicht einen Durchschnittswert von 13,3 %. Dies entspricht einem Rückgang von 0,1 Prozentpunkten. Im Jahr 2013 ging die Schattenwirtschaft weiter aufgrund der wirtschaftlichen Erholung und eines positiven BIP-Wachstums in den meisten OECD-Ländern zurück.Durchschnittlich erreichte sie einen Wert von 12,6 %, eine Höhe, die seit Ende der achtziger Jahre nicht mehr erreicht wurde. Ebenso gilt dies für 2014 – sie ging durchschnittlich zurück auf 12,4 %. Im Jahr 2015 wird prognostiziert, dass sie wieder auf 12,6 % ansteigen wird.Deutschland liegt mit seiner Größe der Schattenwirtschaft im OECD-Mittelfeld, während sich Österreich und Schweiz im unteren Drittel befinden. Die südeuropäischen Länder haben ein Ausmaß der Schattenwirtschaft zwischen 20 und 23 % des offiziellen Bruttoinlandsprodukts und sind nach wie vor Spitzenreiter. Baugewerbe ganz vornGrafik 1 zeigt die Aufteilung der Schattenwirtschaft in Wirtschafts- und Dienstleistungssektoren in Deutschland. Hierbei sieht man, dass im Jahr 2015 gemäß der Prognosen auf das Baugewerbe und das Handwerk etwa 38 % des Schattenwirtschaftsvolumens entfallen, gefolgt von den Bereichen “Andere Gewerbe und Industriebetriebe” und Dienstleistungsbetriebe (Hotels, Gaststätten etc.) mit je 17 % (16 %). In sonstigen Gewerbebetrieben und haushaltsnahen Dienstleistungen (wie z. B. Nachhilfe, Friseur oder Babysitten) werden 15 % (17 %) des Schattenwirtschaftsvolumens, in der Unterhaltungs- und Vergnügungsbranche weitere 13 % (12 %) erwirtschaftet.Die möglichen Gründe von Korruption und Schattenwirtschaft sind Gegenstand zahlreicher Studien. Sie zeigen, dass sowohl die Korruption als auch die Schattenwirtschaft stark durch das institutionelle und internationale Umfeld (z. B. die Finanz- und Weltwirtschaftskrise) beeinflusst werden, dass Demokratien durchschnittlich weniger korrupt sind als Diktaturen, Regierungen mit längerer Amtszeit tendenziell korrupter werden und die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze die Korruption beschränkt. Sinkende SteuermoralDas Schattenwirtschaftswachstum geht hauptsächlich auf die negativen Folgen der Weltwirtschaftskrise (steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Einnahmen in der offiziellen Wirtschaft) sowie auf eine steigende Abgabenbelastung als auch auf eine sinkende Steuermoral zurück. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass der Abbau der fiskalischen Belastung sowie eine Verbesserung des institutionellen Umfelds sowohl die Korruption als auch die Schattenwirtschaft eindämmen könnten. Diese Sicht vernachlässigt allerdings den Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Korruption und der Größe der Schattenwirtschaft eines Landes. Dieser ist keinesfalls eindeutig. Auf der einen Seite kann die Korruption die unternehmerische Tätigkeit im offiziellen Sektor erschweren und Unternehmen so in die Schattenwirtschaft treiben. Auf der anderen Seite kann Korruption die Umgehung von bürokratischen Hindernissen und hohen Steuerzahlungen ermöglichen, so dass Unternehmen weniger häufig in den inoffiziellen Sektor abwandern.Was bedeuten diese Ergebnisse nun für die Wirtschaft insgesamt? Hier zeigen die meisten empirischen Studien, dass die Korruption das Wirtschaftswachstum erheblich hemmt. Ein Anstieg des Korruptionsindexes um 0,1 Indexpunkte reduziert das Wachstum in OECD-Ländern um 1,25 %. Wenn man untersucht, welchen Schaden die Korruption in einer Volkswirtschaft anrichtet, so erhält man für Österreich und Deutschland die folgenden Resultate. Der volkswirtschaftliche Schaden der Korruption betrug in Deutschland im Jahr 2012 circa 147 Mrd. Euro. Der volkswirtschaftliche Schaden aus der Korruption, aber auch die Korruption selbst haben sich für Deutschland (siehe Grafik 3) wie folgt entwickelt: Im Jahr 2004 betrug der Schaden 117 Mrd. Euro, und der CPI Transparency Index lag bei 82. Bis zum Jahr 2007 reduzierte sich dieser auf 78, die Korruption stieg an. Im Jahr 2008 erhöhte sich der Index auf 79, die Korruption sank, und der Schaden betrug 137 Mrd. Euro, das sind 1 Mrd. mehr als im Jahr 2007. Starker AnstiegIm Jahr 2010 stieg die Korruption weiter an, und der Schaden der Korruption erhöhte sich auf 138 Mrd. Euro. In 2011 verringerte sich die Korruption wieder, sie erreichte einen Wert von 80, jedoch stieg der Schaden weiter auf 142 Mrd. Euro an. Grafik 3 zeigt, dass ohne Korruption das deutsche Bruttosozialprodukt im Jahr 2011 um 142 Mrd. Euro höher gewesen wäre, und gelänge es, die Korruption wieder zurückzufahren, zum Beispiel auf den Wert des Jahres 2004, dann würde der Schaden, den die deutsche Wirtschaft erleidet, um 25 Mrd. Euro sinken. Gelänge es, die Korruption in Deutschland auf das Niveau der Schweiz im Jahr 2011 mit einem Wert von 88 zu reduzieren – damals war die Schweiz auf Rang 8 -, dann könnte der Schaden für die deutsche Wirtschaft um 37 Mrd. Euro (von 142 auf 105 Mrd. Euro) reduziert werden. Im Jahr 2012 hat die Korruption in Deutschland wieder zugenommen, und der Schaden ist auf 147 Mrd. Euro angestiegen. In 2013 stieg der Schaden aus der Korruption weiter auf 152 Mrd. Euro und im Jahr 2014 auf 155 Mrd. Euro. Strengere GesetzeInsgesamt ist der volkswirtschaftliche Schaden, den Korruption in Österreich und Deutschland anrichtet, beträchtlich. Es ist ein lohnendes Politikunterfangen, die Korruption in beiden Ländern zu verringern. Good Governance, strenge Gesetze sowie deren Durchsetzung und ein vorbildliches Verhalten der Staaten wären gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung. Wie schädigt Korruption?1.Eine wesentliche Ursache des Schadens ist vor allem die verminderte Produktivität der Volkswirtschaft, da viele Firmen ausscheiden, die wegen der Bestechungsaktivitäten ihrer Konkurrenten bei der Vergabe öffentlicher (und manchmal auch privater) Aufträge nicht zum Zug kommen. Dies führt zu geringeren Investitionen mit der Konsequenz eines verminderten Wachstums der Volkswirtschaft.2.Ein weiterer Faktor ist, dass insbesondere gut Ausgebildete und Spezialisten häufig das Land verlassen, da ihre Arbeitsbedingungen nicht mehr attraktiv sind.3.Ein zusätzlicher Punkt ist, dass es zu verminderten Steuereinnahmen kommt und der Effekt geringerer Infrastruktur und dadurch reduzierten Wachstums eintreten kann.4.Insgesamt gesehen verschlechtert sich durch zunehmende Korruption die Qualität der staatlichen Institutionen, und ebenso wird auch das Gerichts- und Justizsystem in der Qualität, Effizienz und Effektivität leiden – wiederum ein Faktor, der ganz wesentlich zu einem verminderten Wachstum beiträgt. GegenmaßnahmenIn den meisten OECD-Ländern haben die Schattenwirtschaft und die Korruption ein Ausmaß erreicht, das dringenden politischen Handlungsbedarf erfordert, um beide weiter zu reduzieren. Nur wenn es attraktiv ist, sich in der offiziellen Wirtschaft verstärkt zu engagieren, werden schattenwirtschaftliche in offizielle Aktivitäten überführt, und die Korruption geht zurück. Es ist die Aufgabe der staatlichen Institutionen, des Bundes, der Länder, und der Kommunen, sich mit allen Maßnahmen für eine verstärkte (anreizorientierte) Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Korruption einzusetzen. Welche konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen könnten nun noch getroffen werden?1.Befristete Mehrwertsteuerrückvergütung bei arbeitsintensiven Dienstleistungen;2.Noch stärkere Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen und Investitionen im Haushalt (auf 2 000 Euro pro Haushalt pro Jahr);3.Sperre von öffentlichen Auftragsvergaben für drei bis fünf Jahre für Firmen, die schwarzarbeiten, schwarzarbeiten lassen oder korrupt sind;4.weitere Senkung der Lohnnebenkosten (langfristige Strategie) sowie eine5.strenge Bestrafung von korrupten Personen und Verlust der Pension (nur noch Mindestpension!).