NOTIERT IN BRÜSSEL

Die Deutschen sind da

Das Interesse in Brüssel an allem Deutschen ist spätestens seit der Staffelübergabe der Ratspräsidentschaft in dieser Woche so groß wie schon lange nicht mehr. Man will schließlich wissen, wer diese Menschen sind, die in den nächsten sechs Monaten...

Die Deutschen sind da

Das Interesse in Brüssel an allem Deutschen ist spätestens seit der Staffelübergabe der Ratspräsidentschaft in dieser Woche so groß wie schon lange nicht mehr. Man will schließlich wissen, wer diese Menschen sind, die in den nächsten sechs Monaten alle Probleme der EU mal eben kurz lösen sollen. Und da werden in den Medien dann gerne die deutschen Netzwerke in der EU-Hauptstadt näher beleuchtet und die unvermeidlichen Listen mit den einflussreichsten Deutschen im Brüsseler Politikbetrieb erstellt. Das Magazin “Politico” hat sich vor einigen Tagen zudem intensiv mit der Verbreitung der deutschen Sprache beschäftigt. Englisch möge vielleicht die Verkehrssprache der Europäischen Union sein, hieß es in dem Artikel. “Aber hören Sie in den Korridoren der Macht genau zu, und Sie werden feststellen, dass die Sprache von Goethe und Schiller auf dem Vormarsch ist.” Dies zeigt sich demnach auch an den kostenlosen Sprachkursen, die das Goethe-Institut in Brüssel für Diplomaten und Journalisten anbietet. Die Nachfrage nach diesen Kursen ist laut “Politico”-Informationen zwischen 2012 und 2019 um das Fünffache gestiegen. *Dies würde durchaus einen internationalen Trend bestätigen, den auch schon jüngst Zahlen des Auswärtigen Amtes in Berlin gezeigt haben: Demnach lernen zurzeit rund 15,4 Millionen Menschen Deutsch als Fremdsprache. In Frankreich und Russland werden aktuell jeweils mehr als 1 Million Deutsch-Schüler gezählt. Tendenz steigend: Seit 2015 wurde allein in diesen beiden Ländern ein Anstieg um 16 beziehungsweise 18 % verbucht. Noch deutlicher kletterte das Interesse in Deutschlands Nachbarstaaten Dänemark (+ 62 %) und den Niederlanden (+ 30 %). Wahr ist allerdings auch: Zwar ist Deutsch mit rund 100 Millionen Muttersprachlern die meistgesprochene Sprache in Europa. Doch kann sie im Geschäftsbetrieb der EU-Institutionen längst nicht mit der Bedeutung des Französischen und des Englischen mithalten. Daran dürfte auch der Brexit nichts ändern. Und daran wird auch eine Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nichts ändern, die sich bei ihren öffentlichen Auftritten ja ohnehin stets bemüht, einen ausgewogenen Dreiklang aus Englisch, Französisch und Deutsch zu präsentieren. *Hinzu kommt ein altes Brüsseler Problem: Sowohl in der Europäischen Kommission als auch in der Rats-Verwaltung ist das größte EU-Land deutlich unterrepräsentiert: In der Kommission mit ihren mehr als 32 000 Beamten kommen noch nicht einmal 7 % der Mitarbeiter aus Deutschland. Frankreich, Italien, Spanien oder auch Belgien kommen auf einen zum Teil deutlich höheren Anteil. Im einflussreichen Generalsekretariat des Rates, also der Vertretung der Mitgliedstaaten in Brüssel, in der etwa 3 500 Menschen beschäftigt sind, war der Anteil der Deutschen zuletzt noch geringer und lag auf dem Niveau von Portugal oder Rumänien. Daran wird natürlich auch die jetzige deutsche EU-Ratspräsidentschaft nicht viel ändern, auch wenn der eine oder andere aus Deutschland nach dem nächsten Halbjahr vielleicht Brüssel für seine persönliche Karriereplanung wieder etwas stärker in den Fokus nehmen sollte. * Abseits des politischen Tagesgeschäfts versucht die Bundesregierung bei der ersten Präsidentschaft seit 2007 natürlich auch kulturell zu glänzen. Das Goethe-Institut in Brüssel hat dazu jetzt ein Programm präsentiert, mit dem vor dem aktuellen Pandemie-Hintergrund “Beispiele lebendiger europäischer Solidarität in Zeiten der Krise und für die Zeit danach” gezeigt werden sollen. Das Konzept lautet: Bitte keine klassischen deutschen Konzerte oder Ausstellungen deutscher Künstler in Brüssel, sondern gemeinsame EU-weite Kunstwerke, die Bürger zum Mitmachen einladen. Bereits am Mittwoch startete “Earth Speakr”, ein Projekt von Olafur Eliasson, einem dänisch-isländischen Künstler, der in Berlin lebt. Basis des Kunstprojekts sind Botschaften zu Europa, die Jugendliche auf einer speziellen digitalen Plattform hinterlassen können.