DEBATTE ÜBER MONETÄRE STAATSFINANZIERUNG

Die EZB hilft mit PEPP auch gezielt Italien & Co.

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 10.7.2020 Die Debatte über monetäre Staatsfinanzierung und die Risiken für die Unabhängigkeit der Geldpolitik verfolgt die Europäische Zentralbank (EZB) seit Jahren wie kaum eine andere Notenbank. Das...

Die EZB hilft mit PEPP auch gezielt Italien & Co.

Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Debatte über monetäre Staatsfinanzierung und die Risiken für die Unabhängigkeit der Geldpolitik verfolgt die Europäische Zentralbank (EZB) seit Jahren wie kaum eine andere Notenbank. Das fing bereits unter der Ägide Jean-Claude Trichets an, nahm dann aber in der Ära Mario Draghi rasant zu – und hat nun unter EZB-Chefin Christine Lagarde mit dem Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) einen neuen Höhepunkt erreicht.Hintergrund ist zum einen, dass der EZB die monetäre Staatsfinanzierung laut Artikel 123 des EU-Vertrags explizit untersagt ist. Zum anderen – und zugleich damit eng verbunden – die Tatsache, dass die Eurozone ein besonderes Konstrukt ist: Zwar ist die Geldpolitik vereinheitlicht, die Fiskalpolitik ist aber weiter in nationaler Verantwortung.Tatsächlich kulminierte darin der Wandel in der Rolle der EZB unter Trichet – weg von der allein auf Preisstabilität ausgerichteten Zentralbank hin zu einem zentralen, wenn nicht dem zentralen Akteur im Euroraum. Dieser Prozess beschleunigte und spitzte sich dann unter Draghi zu – insbesondere auch, was das Verhältnis zwischen der EZB und der Geldpolitik einerseits und den Euro-Staaten und der Fiskalpolitik andererseits betrifft.Die entscheidende Wegmarke war da der 26. Juli 2012. Auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise, als Investoren auf ein Ende des Euro wetteten, versprach Draghi, die EZB werde alles tun, was nötig sei – “whatever it takes” -, um den Euro zu erhalten. Mit seinen Worten beruhigte Draghi damals die Situation.Zugleich weitete Draghi damit aber die Verantwortung der EZB deutlich aus. Nun war und ist die EZB quasi der Garant für die Unumkehrbarkeit des Euro. Zugleich ist die EZB damit und mit dem anschließenden Staatsanleihekaufprogramm OMT (Outright Monetary Transactions) de facto zum Kredit- oder Geldgeber der letzten Instanz (“lender/buyer of last resort”) für die Euro-Staaten mutiert. Für andere Zentralbanken wie die Fed in den USA oder die Bank of England mag das zumal in absoluten Krisenzeiten nichts Ungewöhnliches sein. Für die EZB und den Euroraum aber gilt das nicht.In der Coronakrise hat der EZB-Rat nun parallel zum regulären Anleihekaufprogramm APP (Asset Purchase Programme) noch PEPP aufgelegt. Inzwischen hat er das sogar schon auf 1,35 Bill. Euro aufgestockt und bis Mitte 2021 verlängert. Mit PEPP zielt die EZB kaum verhohlen auch darauf, Krisenländer wie Italien vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren. Mitte April hatte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel zudem aufhorchen lassen, als sie explizit einen Zusammenhang zwischen dem erhöhten Finanzierungsbedarf der Staaten und PEPP herstellte.Die EZB begründet das damit, dass sie die geldpolitische Transmission in allen Euro-Ländern sicherstellen müsse. Kritiker sehen die Bevorzugung einzelner Länder bei PEPP aber de facto als monetäre Staatsfinanzierung. Ende März hatte etwa Ex-Chefvolkswirt Issing in der FAZ gefragt: “Was ist das anderes als monetäre Staatsfinanzierung, die der EZB dem Vertrag nach verboten ist?”Diese Frage dürfte künftig auch wieder das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigen. Denn die AfD-Bundestagsfraktion hat eine Klage gegen PEPP avisiert, und andere dürften folgen. Bislang aber haben sowohl Karlsruhe als auch der EuGH bei keinem der EZB-Staatsanleihekaufprogramme einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung festgestellt. Die Debatte hat das indes nicht beruhigt.