GASTBEITRAG

Die EZB teilt aus

Börsen-Zeitung, 5.11.2014 Demnächst verlängert sich nicht nur die Bilanz, sondern auch das Glossar der Europäischen Zentralbank (EZB). Die neuen Einträge lauten "ABSPP" und "CBPP3" und verweisen auf die Kaufprogramme der EZB für ABS-Papiere und...

Die EZB teilt aus

Demnächst verlängert sich nicht nur die Bilanz, sondern auch das Glossar der Europäischen Zentralbank (EZB). Die neuen Einträge lauten “ABSPP” und “CBPP3” und verweisen auf die Kaufprogramme der EZB für ABS-Papiere und Covered Bonds. Bei einer aktuellen Bilanzsumme des Eurosystems von 2 Bill. Euro will die EZB dafür in den nächsten zwei Jahren immerhin bis zu 1 Bill. Euro ausgeben. Sie hofft, damit das Funktionieren des Bankkreditkanals zu verbessern und sich dem Inflationsziel von 2 % wieder anzunähern. Schlüssiger AnsatzMan muss anerkennen, dass der Ansatz der EZB schlüssiger als bisherige Maßnahmen ist. Die ABS in den Bankbilanzen binden teures und knappes Eigenkapital der Banken. Kauft die EZB diese Papiere auf, steigt die Kreditvergabefähigkeit der Banken. Insoweit könnten ABS-Käufe wirkungsvoller sein als die bisher üblichen Liquiditätsschwemmen der EZB. Diese beheben das Eigenkapitalproblem der Banken gerade nicht.Jenseits von der in Deutschland mittlerweile fast reflexhaften Kritik an jeglichen unkonventionellen Maßnahmen der EZB kann aber auch eine besonnene Betrachtung insbesondere der ABS-Käufe schwerwiegende Bedenken nicht zerstreuen. Verlust der GlaubwürdigkeitMan kann sich nun lange darüber streiten, ob die Ursache für die niedrige Kreditvergabe eher bei den Banken (Angebot) oder eher in der Wirtschaft (Nachfrage) zu finden ist. Fakt ist jedenfalls, dass die ABS-Käufe die Probleme auf beiden Seiten lindern könnten. Fakt ist aber auch, dass die EZB dabei auf beiden Seiten nicht gut wegkommt.Sieht man vorrangig ein Nachfrageproblem, sind ABS-Käufe der EZB insoweit hilfreich, als sie Banken dazu verleiten, den Kreditvergabestandard zu senken. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Risiken anschließend in verbriefter Form in die EZB-Bilanz wandern, ist dann allerdings höher als bisher. Kaum vorzustellen, dass die EZB sich ernsthaft darauf verlassen will, dass die Ratingagenturen einen solchen Trend früh genug erkennen. Ebenfalls kaum denkbar, dass die EZB-Bankenaufsicht einen solchen Trend stoppen kann und will. Schließlich will der EZB-Rat den ABS-Markt ja beleben. Die Interessenkonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht innerhalb der EZB könnten kaum deutlicher sein. Einer der beiden Tätigkeiten droht der Verlust der Glaubwürdigkeit.Nicht einfacher wird es, wenn man die niedrige Kreditvergabe vorrangig als Angebotsproblem seitens der Banken einstuft. Auch ohne EZB-Käufe könnten die Banken die eigenkapitalbindenden ABS-Papiere nämlich verkaufen. Das Problem: Damit würden eigenkapitalfressende Buchverluste fällig oder ein Käufer wird erst gar nicht gefunden, weil dieser nicht über das notwendige Eigenkapital verfügt, mit dem er die ABS unterlegen muss.Der zynische Mehrwert der EZB-Ankäufe liegt darin, dass sie für die ABS einen höheren Preis bezahlen kann als private Käufer, weil nur sie die tatsächlichen Risiken gerade nicht mit teurem Eigenkapital hinterlegen muss. Im Klartext: Die EZB setzt durch überhöhte ABS-Preise Eigenkapital bei den Banken frei und minimiert deren Abschreibungsverluste. Versagen der PolitikWas haben wir uns über europäische Regeln für die Eigenkapitalhinterlegung von Banken (CRD IV), über neue Beihilferegeln für Banken, über die Bankenabwicklung (BRRD und SRM) und direkte Bankenrekapitalisierung durch den europäischen Stabilisierungsfonds ESM Gedanken gemacht! Da kommt die EZB mit zwei neuen Abkürzungen und lässt das alles links liegen. Und das soll alles nur Geldpolitik sein? Dass die europäische Politik eine solche Schlappe hinnimmt, illustriert vor allem deren eigenes Versagen.—-Bert Van Roosebeke, Fachbereichsleiter Finanzmarktregulierung am Centrum für Europäische Politik