"Die Fed muss aufpassen"
Volker Wieland gehört nicht nur zu den führenden Notenbankexperten in Deutschland. Der Volkswirt kennt auch die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) von innen: Viele Jahre hat er für die Fed in Washington gearbeitet, und für die EZB war er als Berater tätig. Seit März 2013 ist der Frankfurter Professor einer der fünf deutschen “Wirtschaftsweisen”.- Herr Professor Wieland, US-Präsident Donald Trump sorgt mit Kritik an den Zinserhöhungen der Fed für Aufsehen. Hat sich ein amtierender US-Präsident schon einmal derart offen und negativ über die Geldpolitik der Fed geäußert wie Trump jetzt?Bei Donald Trump ist natürlich alles öffentlich. Aber ehrlicherweise hat es immer wieder Konflikte zwischen US-Präsidenten und der Federal Reserve gegeben. Meist wurde allerdings versucht, hinter den Kulissen Druck auszuüben. In der Regel ging es darum, Zinserhöhungen hinauszuzögern. 1965 versuchte es zum Beispiel Präsident Lyndon Johnson beim damaligen Fed-Vorsitzenden William McChesney Martin. Und vor der Wahl 1972 versuchte es Präsident Richard Nixon bei Fed-Chef Arthur Burns, den er sogar selbst ernannt hatte. – Und?Burns und seine Kollegen ließen dann tatsächlich die Inflation völlig außer Kontrolle geraten. Das lag aber wohl weniger an der Einmischung Nixons, sondern eher daran, dass sie den falschen Analysen vertrauten. Trump sollte sich wenn eher an Präsident Ronald Reagan orientieren. Nach anfänglichen Spannungen mit Notenbankchef Paul Volcker unterstützte er diesen dabei, die Inflation von nahe 15 % auf 4 % zu bremsen. Generell aber gilt: Die Politik sollte sich nicht in die Geldpolitik einmischen. Es gibt sehr gute Gründe für die Unabhängigkeit der Fed und der anderen großen Zentralbanken.- Das Weiße Haus hat sogleich beschwichtigt und erklärt, Trump bekenne sich zur Unabhängigkeit der Fed. Ist dem zu trauen, oder sehen Sie die Unabhängigkeit der Fed in Gefahr?Donald Trump wird wohl noch öfter niedrigere Zinsen oder einen schwächeren Dollar fordern. Aber die Unabhängigkeit der Fed ist im Federal Reserve Act niedergelegt. Den kann nur der US-Kongress ändern. Dort hat Trump nicht die nötige Mehrheit, um die Fed zu niedrigeren Zinsen zu drängen. Im Gegenteil, gerade die Republikaner haben die Niedrigzinspolitik über Jahre kritisiert. Mit dem sogenannten FORM Act haben sie im Repräsentantenhaus eine Gesetzesvorlage durchgebracht, die für mehr Transparenz in der Geldpolitik sorgen soll. Das Gesetz würde der Fed eine einfache Zinsregel als Referenzwert vorgeben. Diese Zinsregel empfiehlt schon seit Jahren höhere Zinsen. Übrigens, Trumps Schwäche zeigt sich auch daran, dass er bisher gerade einmal ein neues Mitglied des Board of Governors durch den Kongress bringen konnte. Derzeit sind immer noch vier Posten unbesetzt.- Wird die Kritik Einfluss haben auf die Diskussion innerhalb der Fed und den geldpolitischen Kurs? Die Fed hat für dieses und nächstes Jahr weitere graduelle Zinserhöhungen in Aussicht gestellt.Ich denke nicht, dass Trumps Aussagen die Fed von dem eingeschlagenen Kurs abbringen werden. Jerome Powell ist nun bis 2022 Fed-Vorsitzender. Sein Amt als Mitglied des Board of Governors kann er sogar bis 2028 behalten. Er kann also völlig frei agieren. Die Mehrheit im Offenmarktausschuss liegt zudem bei den Präsidenten der regionalen Notenbanken, die nicht vom US-Präsidenten ernannt werden. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch auf einem rekordniedrigen Stand, während die Inflation deutlich steigt. Die Fed muss aufpassen, dass sie nicht zu spät kommt. – Trump hat sich zugleich über den starken Dollar und die jüngste Abwertung des chinesischen Yuan beklagt. Droht er nach einem Handelskrieg auch noch einen Währungskrieg loszutreten?Mit verbalen Attacken kann er vielleicht kurzfristig die Märkte beeindrucken, aber es ist die Zinspolitik der Fed, die sich entscheidend auf die Kursentwicklung auswirkt. Übrigens, es ist unter anderem die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem langen Hinauszögern einer geldpolitischen Wende, die den Euro relativ zum Dollar schwach hält. – Riskiert Trump mit solchen Aussagen und seiner Wirtschaftspolitik insgesamt die Rolle des Dollar als Weltleitwährung – oder ist diese schlicht unantastbar?Helfen tut das sicher nicht. Es ist schon recht unklug, den Dollar schwach reden zu wollen, wenn man als US-Präsident doch froh sein sollte, die Staatsschulden weltweit so günstig platzieren zu können. US-Staatsanleihen sind so populär, weil der Dollar die Weltleitwährung ist. Trump kann und sollte eigentlich kein Interesse daran haben, den Nimbus des Dollar in Frage zu stellen.- Auch im Euroraum gibt es viel öffentliche Kritik an der EZB. Könnte der EZB von politischer Seite ähnliches Ungemach drohen wie jetzt der Fed?Während bei der Fed zur Gesetzesänderung eine einfache Mehrheit im US-Kongress reicht, kann eine Änderung des EZB-Mandats nur einstimmig im Rahmen einer EU-Vertragsänderung der Mitgliedstaaten vorgenommen werden. Die EZB ist also politisch sehr viel unabhängiger als die Fed. Die gewachsene Machtfülle mit Maßnahmen in der Grauzone zwischen Geld- und Fiskalpolitik ist aber sicher ein Problem. Bei so viel Macht und Unabhängigkeit ist eine kritische Kontrolle durch die Öffentlichkeit, also durch Medien, Experten, Markteilnehmer, Wissenschaftler und kritische Bürger, mehr als angebracht. – Die EZB hat unlängst den allmählichen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik ins Visier genommen. Sollte sie daran trotz der erhöhten Unsicherheit über die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung festhalten?Die EZB läuft Gefahr, zu spät zu kommen. Das Aufschieben einer geldpolitischen Wende erhöht das Risiko, dass die Inflation übers Ziel hinausschießt, dass es zu Übertreibungen bei den Vermögenspreisen kommt und dass die zunehmende Überauslastung in Deutschland und anderen Mitgliedsländern zu Fehlinvestitionen und Fehlentwicklungen in den wirtschaftlichen Strukturen führt.—-Die Fragen stellte Mark Schrörs.