NOTIERT IN PARIS

Die Freiheit genießen

Blauer Himmel, strahlender Sonnenschein und Temperaturen von mehr als 20 Grad: Für Sonnenanbeter waren die Bedingungen am Samstag und Sonntag in Frankreich ideal. Eigentlich. Denn für die Franzosen war es das erste Wochenende in Freiheit, seit die...

Die Freiheit genießen

Blauer Himmel, strahlender Sonnenschein und Temperaturen von mehr als 20 Grad: Für Sonnenanbeter waren die Bedingungen am Samstag und Sonntag in Frankreich ideal. Eigentlich. Denn für die Franzosen war es das erste Wochenende in Freiheit, seit die strenge Ausgangssperre vergangenen Montag gelockert wurde. Seitdem dürfen Franzosen wieder ohne Passierschein sowie ohne zeitliche und örtliche Begrenzung das Haus verlassen, sofern sie sich in einem Radius von 100 Kilometern um ihre Wohnung herum bewegen. Seitdem sind auch viele Strände an der 5 853 Kilometer langen Küste geöffnet – mit Einschränkungen.”#PlageDynamique” (“dynamischer Strand”) steht über einer Schautafel direkt neben einem der Strandzugänge in Lacanau Océan, einem knapp 60 Kilometer westlich von Bordeaux gelegenen Badeort. Zwei freiwillige Helfer mit Mundschutz erklären Neuankömmlingen geduldig die neuen Regeln, während hoch zu Ross am Strand die berittene Polizei patrouilliert. Spazieren gehen oder Joggen sind erlaubt, genau wie Schwimmen oder Wellenreiten. Sonnenbaden oder Picknicken dagegen sind verboten, damit es an den Stränden nicht zu größeren Menschenansammlungen kommt.Die neuen Regeln dürften bereits einen kleinen Vorgeschmack auf die Sommerferien geben. Premierminister Édouard Philippe hat vergangene Woche angekündigt, dass die Franzosen im Juli und August Urlaub in ihrer Heimat machen dürften. Seitdem gebe es einen wahren Boom an Anfragen und Reservierungen, berichtete Timothée de Roux dem Radiosender “France Info”. Er ist Frankreich-Chef der Ferienwohnungsplattform Abritel-Homeway. Nach Angaben von Airbnb betrafen 85 % der jüngsten Suchanfragen von französischen Verbrauchern Ferienwohnungen und Häuser in Frankreich. Die Plattform hat in der Zeit vom 15. April bis zum 15. Mai in Frankreich insgesamt 21,2 Millionen Suchanfragen verbucht. Doch bisher seien daraus kaum feste Reservierungen geworden. Denn noch immer gibt es viele Unklarheiten, was wann und wie wieder geöffnet werden darf. Der für die Branche zuständige Staatssekretär Jean-Baptiste Lemoyne versprach der Tourismusindustrie am Sonntag, er werde am 25. Mai einen zeitlichen Ausblick geben.Während Air France bereits langsam wieder Flugverbindungen zwischen Paris und größeren Regionalflughäfen wie Bordeaux, Brest, Marseille, Montpellier, Nizza und Toulouse aufnimmt, soll der Flugverkehr Mitte Juni auch an kleineren Airports wie Lille, Rennes und Biarritz wieder hochgefahren werden. Zunächst ebenfalls vor allem für innerfranzösische Routen. Flüge zu europäischen Zielen dürften nicht vor Mitte Juni beginnen. Bis auf ein paar wenige Verbindungen hat Air France seit Ausbruch der Corona-Pandemie fast alle Flüge ins Ausland gestrichen.Bei der Bahn SNCF wiederum kann man seit Freitag Fahrkarten für die Sommerferien im Juli und August reservieren. Die beliebtesten Ziele sind derzeit Lyon, Bordeaux, Marseille und Lille. Angesichts der vielen Unsicherheiten buchen die meisten Fahrgäste nach Angaben der SNCF bisher nur für Kurzreisen von zwei bis drei Tagen. Und das, obwohl der Betreiber der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge verspricht, Umbuchungen und Stornierungen blieben weiter kostenlos. Die SNCF lässt deshalb derzeit jeden zweiten Sitz frei. Sie hat bereits vor zwei Wochen gewarnt, dass sie Stellen streichen dürfte, da sie seit Beginn der Krise einen Verlust von knapp 2 Mrd. Euro eingefahren hat. Dazu kommen die im Winter durch die wochenlangen Streiks gegen die Rentenreform verursachten Einnahmeverluste in Höhe von 1 Mrd. Euro.Die Streiks und damit einhergehende Demonstrationen haben auch etlichen Einzelhändlern das Geschäft verdorben, nachdem sie ein Jahr zuvor schon unter den monatelangen Protesten der Gilets Jaunes gelitten hatten. “Nicht schon wieder”, stöhnen sie jetzt. Denn kaum ist die Ausgangssperre gelockert, kaum dürfen alle Boutiquen wieder öffnen, melden sich auch die Gelbwesten zurück. Sie halten nicht nur auf Verkehrskreiseln Schilder mit ihren Forderungen in die Höhe, sondern gingen am Samstag auch in mehreren Städten wie Toulouse, Montpellier und Lyon auf die Straße.