Die Freuden des Pingpongs

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 3.3.2017 Seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Jahr hat die britische Premierministerin Theresa May keine Niederlage einstecken müssen. Der Sieg der Brexit-Gegner im nicht gewählten britischen Oberhaus...

Die Freuden des Pingpongs

Von Andreas Hippin, LondonSeit ihrem Amtsantritt im vergangenen Jahr hat die britische Premierministerin Theresa May keine Niederlage einstecken müssen. Der Sieg der Brexit-Gegner im nicht gewählten britischen Oberhaus dürfte dafür sorgen, dass sie ihre Bodenhaftung nicht verliert. Mit 358 zu 256 Stimmen votierte eine Mehrheit von Labour, Liberaldemokraten, Parteilosen und ein paar Tories dafür, das von der Regierung vorgeschlagene Gesetz, das den EU-Austrittsprozess regelt, um eine Passage zu ergänzen, mit der die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien garantiert werden.Eigentlich müsste man sich als im Vereinigten Königreich wohnender Kontinentaleuropäer ob des Interesses geschmeichelt fühlen. Allerdings geht es den siegreichen Altherren im House of Lords, in dem auch 26 Bischöfe der anglikanischen Kirche sitzen, weniger um den Minderheitenschutz als darum, den ihnen verhassten Brexit zu Fall zu bringen, egal wie. Pingpong wird das Verfahren genannt, mit dem sich die Verabschiedung missliebiger Gesetze in die Länge ziehen lässt. Nach einer weiteren Abstimmung im Oberhaus ist das Unterhaus am Zug, das die Änderung niederstimmen kann. Darauf setzt May, die deshalb nicht davon ausgeht, dass sich an ihrem Zeitplan, Artikel 50 des Vertrags von Lissabon bis Ende März in Anspruch zu nehmen, etwas ändern wird. Dann ginge es wieder ins Oberhaus, das dann vielleicht keinen Appetit auf eine weitere Konfrontation hat, und das Gesetz könnte rechtzeitig in Kraft treten.Die Rechte der EU-Bürger sind jedoch ein gut gewähltes Thema, will man die schwache Mehrheit der Tories im Unterhaus dezimieren. Das mediale Begleitfeuer hat bereits begonnen. Da wird ohne jede Kenntnis des britischen Ausländerrechts über EU-Bürger berichtet, die ihre Ehegatten nicht nachholen konnten, weil sie zu wenig verdienen, oder denen vermeintlich maßlose Forderungen der Bürokratie die Beantragung einer Niederlassungserlaubnis unmöglich machen. Der konservative Oberhausabgeordnete Douglas Hogg zog gar den Vergleich zur Vertreibung der asiatischen Minderheit aus Uganda, die von Idi Amin in den 1970er-Jahren betrieben wurde. Dabei wird in der Regel nicht erwähnt, dass auch britische Bürger einen bestimmten Verdienst nachweisen müssen, wenn sie den Nachzug von Familienmitgliedern aus dem nichteuropäischen Ausland beantragen wollen. Bangladeschis, Inder und Kanadier müssen sich ebenso durch endlos erscheinende Antragsformulare kämpfen und über Jahre hinweg belegen können, wann sie außer Landes waren, wenn sie den ersten Schritt zur Einbürgerung tun wollen. Alles egal, genau wie die Rechte der britischen Staatsbürger in den EU-Staaten.Unter dem Eindruck der derzeitigen Debatte wäre es kein Wunder, wenn es May schwerfiele, auf eine Mehrheit im Unterhaus zu kommen. Die parteilose Oberhausabgeordnete Molly Meacher erwartet, dass bis zu 30 Tories gegen die Parteilinie stimmen könnten. Aber vielleicht kehrt ja – bei aller Freude am Pingpong – doch noch Vernunft ein. Schließlich soll das Gesetz lediglich regeln, wer den Austritt beantragen darf, nicht aber den Inhalt der Austrittsverhandlungen. Geht das Tischtennisspiel noch ein bisschen weiter, könnte Großbritannien den Antrag ausgerechnet in der Woche stellen, in der die EU ihren 60. Geburtstag feiert. ——–Das Oberhaus könnte Theresa Mays Zeitplan für den EU-Austritt zu Fall bringen.——-