EZB IM BRENNPUNKT

Die Grenzen der Euro-Hüter bei QE

Aufgabe der Renditeuntergrenze als geringstes Übel

Die Grenzen der Euro-Hüter bei QE

Von Mark Schrörs, FrankfurtEine Verlängerung des Wertpapierkaufprogramms (Quantitative Easing, QE) der Europäischen Zentralbank (EZB) über März 2017 hinaus erscheint derzeit sehr wahrscheinlich – allein schon deshalb, weil sie die Käufe kaum von März auf April auf einen Schlag von 80 Mrd. Euro monatlich auf null wird herunterfahren wollen. Heikel wird die Entscheidung aber auch dadurch, dass spätestens bei einer Ausweitung an selbst gesetzten, politisch sensiblen QE-Regeln geschraubt werden muss, weil sonst die kauffähigen Titel knapp werden. Schon jetzt gilt QE vor allem mit Blick auf Bundesanleihen auch in Notenbankkreisen so manchem als “auf Kante genäht”. Im Fokus der Debatte stehen drei “Parameter”:Kapitalschlüssel: Der Kauf der Staatsanleihen und weiteren Wertpapiere ist bislang nach dem EZB-Kapitalschlüssel auf die Euro-Länder verteilt. Dadurch werden rund ein Viertel deutsche Papiere gekauft. Wenn sich die Käufe etwa nach den ausstehenden Schulden richten würden, wäre das mögliche Kaufvolumen höher und QE auch aus Sicht einiger Notenbanker effektiver. Das wäre aber politisch heikel, weil sich die EZB dem Verdacht aussetzen würde, speziell Länder mit hoher Verschuldung wie Italien zu unterstützen (Moral Hazard). Letztlich dürfte auch wieder der Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung lauter werden. Italiens Notenbankchef Ignazio Visco hatte im Februar im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, eine Abkehr vom Kapitalschlüssel sei “kein Tabu” (vgl. BZ vom 20. Februar). Eine Reihe Notenbanker aber ist der Ansicht, dass das den Charakter von QE grundlegend ändern würde.Kauflimits: Eine andere Regel ist jene, dass die EZB üblicherweise maximal 33 % des Gesamtbestands an Anleihen eines Emittenten oder einer einzelnen Emission erwerben will. Bei Anleihen mit einer Umschuldungsklausel, einer Collective Action Clause (CAC), liegt die Obergrenze sogar bei 25 %. Andere Zentralbanken haben deutlich höhere Quoten akzeptiert, die US-Notenbank Fed von bis zu 70 %. Die EZB selbst hatte die emissionsbezogene Obergrenze stets damit begründet, dass sie keine Sperrminorität bei Umschuldungen haben wolle. Zur emittentenbezogenen Obergrenze hieß es immer, diese solle die Funktionsfähigkeit der Märkte und die Preisbildung sicherstellen und das Risiko eindämmen, dass die EZB “zum dominierenden Kreditgeber der Euro-Regierungen” wird. Auch das sollte Vorwürfen der Staatsfinanzierung begegnen. Noch im Juni hatte EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch betont, der Europäische Gerichtshof habe diese Grenze ausdrücklich hervorgehoben, als dieser die Rechtmäßigkeit des EZB-Handelns überprüft hat. Bei Anleihen supranationaler Institutionen hat die EZB die Grenzen im März 2016 von 33 % auf 50 % angehoben. Etwas Ähnliches erscheint nun auch bei anderen Anleihen denkbar, zumindest bei solchen ohne CAC. Beim Knappheitsproblem würde das kaum Besserung bringen.Kaufuntergrenze: Viel effektiver wäre es da, die Vorgabe aufzugeben, dass die EZB keine Anleihen mit einer Rendite kauft, die unterhalb des Einlagenzinses von aktuell – 0,4 % liegt. Es ist insbesondere diese Vorgabe, die derzeit Bundesanleihen mit kürzeren Laufzeiten im großen Stil von QE ausschließt. Streicht die EZB die Vorgabe, würde sie bewusst Verluste in Kauf nehmen. Nicht zuletzt in der Bundesbank wird das kritisch gesehen, während in der EZB einige sehr viel offener sind. Dahinter stecken teils auch unterschiedliche Ansichten, welche Bedeutung Verlustrisiken für eine Notenbank haben sollten. Ein denkbarer Mittelweg könnte es sein, dass sich die Vorgabe nur noch auf die durchschnittliche Rendite der von einer Notenbank in einem bestimmten Zeitraum gekauften Anleihen bezieht. Alles in allem aber erscheint die Aufgabe oder Flexibilisierung dieser Renditeuntergrenze vielen Notenbankern derzeit als so etwas wie das geringere Übel.Generell möglich wäre auch eine Ausweitung auf andere Marktsegmente – ähnlich wie im März geschehen auf Unternehmensanleihen. Eine Option wären Bankanleihen. Da ergäben sich aber Interessenkonflikte mit der Rolle als Bankenaufsicht. Zudem ist mit der neuen EU-Abwicklungsrichtlinie das Risiko von Verlusten gestiegen. Viel spekuliert wird, dass die EZB auch Aktien kaufen könnte. Sie hat das nie ausgeschlossen. Es scheint aber fraglich, ob der Appetit darauf aktuell sehr groß ist.