GELDPOLITIK UND SOZIALE UNGLEICHHEIT

Die Hoffnung der EZB verpufft an den Privathaushalten

Trotz niedriger Zinsen, höherer Immobilienpreise und Aktienkurse ändert sich das Anlageverhalten der Deutschen nicht - Hohe soziale Ungleichheit verfestigt sich

Die Hoffnung der EZB verpufft an den Privathaushalten

Der enorme Druck auf die Zinsen durch die Notenbank hat in deutschen Privathaushalten zwischen 2010 und 2014 nicht die erhofften Verhaltensveränderungen hinsichtlich Konsum, Sparen oder Verschuldung bewirkt. Es zeigen sich bisher aber auch nicht die befürchteten Umverteilungseffekte in Richtung der vermögenden Haushalte.Von Stephan Lorz, FrankfurtDie Niedrigzinspolitik und unkonventionellen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben einer breit angelegten Feldstudie der Bundesbank zufolge zwar durchaus für deutliche Wertsteigerungen in Teilen des Finanzvermögens gesorgt, auf das Sparverhalten hatten sie in Deutschland überraschenderweise kaum Auswirkungen: Der Anteil von Fonds- und Aktienbesitz in den Privathaushalten ist zwischen 2011 und 2014 sogar noch zurückgegangen. Auch bei der Verschuldung gibt es nur marginale Bewegungen.Es ist bereits die zweite Befragungsrunde der Bundesbank. Während vor drei Jahren 3 565 Privathaushalte interviewt wurden, sind es jetzt 4 461 gewesen. Von den 9 259 Personen ist rund die Hälfte das zweite Mal dabei, so dass auch Veränderungen nachvollzogen werden können. Die “Supersuperreichen”, so Bundesbank-Ökonom Tobias Schmidt, fehlen allerdings, was ebenso für Verzerrungen sorgt wie die Tatsache, dass Ansprüche aus gesetzlichen Renten und anderen Sozialversicherungen nicht einberechnet werden wegen Problemen bei der Kapitalisierung.Dass die Geldpolitik das Anlageverhalten der Deutschen offenbar kaum beeinflusst, liegt nach Ansicht der Bundesbank zum einen am konservativen Anlageverhalten der deutschen Sparer, insbesondere was die Aktienanlage betrifft. Zum anderen wirken gegenläufige Effekte: Zwar sind die nominalen Zinsen für Immobilienkredite niedrig, gleichzeitig aber steigen die Immobilienpreise. Obendrein fehlt vielen Haushalten schlicht das nötige Eigenkapital. Die Verschuldung ist insgesamt sogar leicht gefallen: 2010 hatten noch 47 % der Haushalte Schulden, jetzt sind es nur noch 45 %.Eigentlich müssten die Vermögensunterschiede in Deutschland durch die Geldpolitik zugenommen haben, weil Immobilien- und Aktienbesitzer von der EZB-Geldpolitik profitieren und besser situierte Haushalte die Verschuldung als strategisches Anlageinstrument besser einsetzen können. Doch die höheren Immobilien- und Vermögenspreise schlagen den Umfragedaten zufolge nicht in gleichem Maße auf die Verteilungsstruktur durch; auch wenn sich im oberen Vermögenssegment durchaus leichte Absetzbewegungen ausmachen lassen. Womöglich treten diese Effekte aber auch erst verstärkt im Bereich der besonders vermögenden Haushalte auf, die von der Studie nicht berücksichtigt worden sind.Auf jeden Fall aber bestätigt die Erhebung, dass die “Vermögen in Deutschland weiterhin – gemessen an anderen Euro-Ländern – relativ ungleich verteilt sind”, wie die Bundesbank selber beklagt. Der Anteil der vermögendsten 10 % der Haushalte am gesamten Nettovermögen in Deutschland hat sich kaum verändert. Sie sind im Besitz von nach wie vor rund 60 % des Gesamtvermögens, während die unterste Hälfte nur 2,5 % besitzt. Nur ein geringer Anteil der mehrfach befragten Haushalte veränderte zudem seine Position in der Vermögensverteilung deutlich. Allenfalls im mittleren Vermögenssegment verschieben sich die Grenzen etwas mehr nach oben; vor allem, wenn die Haushalte Immobilien oder Aktien besitzen. Das könnte darauf hindeuten, dass vor allem die ärmeren Haushalte in Gefahr geraten, den Anschluss zu verlieren.Kaum verändert gegenüber der Befragung zuvor hat sich das durchschnittliche Vermögen: Es liegt nun bei 240 200 Euro je Haushalt, abzüglich der Schulden sind es nur 214 500 Euro (2011: 195 200 Euro). Nimmt man den Medianwert her, der die Situation in der Mitte der Verteilung abbildet und insofern die ungleiche Verteilung eher abbildet, befindet sich das Vermögen bei 77 200 Euro brutto bzw. 60 400 Euro netto (51 400 Euro). Das liegt aber noch weit unter dem aktuellen Wert aus Italien. Dort sind es 138 000 Euro.Die Vermögensverteilung bleibt also trotz der veränderten zinspolitischen Eckwerte – zumindest bis 2014 – den Daten zufolge recht starr. Während sich in der Befragung davor 73 % aller Haushalte unterhalb des arithmetischen Durchschnitts befunden hatten, sind es 2014 mit 74 % nur wenig mehr. Auch der für die Ungleichheitsmessung gerne herangezogene Gini-Koeffizient – ein Wert von 0 % symbolisiert eine völlig gleiche Verteilung, bei 100 % eine maximal ungleiche Verteilung – liegt in beiden Befragungen bei 76 %. Das ist im internationalen Vergleich “sehr hoch”, wie es auch von Seiten der Bundesbank heißt. In Italien sind es 61 %, im Euroraum um die 69 %. Nur die USA brechen mit 80 % nach oben aus.