NOTIERT IN WASHINGTON

Die Illusion republikanischer Einheit

Als Donald J. Trump vor einem Jahr im Atrium seines Wolkenkratzers im Norden von Manhattan verkündete, dass er sich um das höchste Amt im Lande bewerben werde, nahmen die Medien kaum Notiz. Gekommen waren nicht Tausende, wie der...

Die Illusion republikanischer Einheit

Als Donald J. Trump vor einem Jahr im Atrium seines Wolkenkratzers im Norden von Manhattan verkündete, dass er sich um das höchste Amt im Lande bewerben werde, nahmen die Medien kaum Notiz. Gekommen waren nicht Tausende, wie der Immobilienunternehmer später Reportern weismachen wollte, sondern ein paar Dutzend Leute, um jenen ebenso skurrilen wie mittlerweile legendären Auftritt mitzuerleben, bei dem er mexikanische Einwanderer als “Mörder und Vergewaltiger” beschimpfte. Niemand, nicht einmal der vor Selbstbewusstsein strotzende Milliardär selbst glaubte, das hat er mittlerweile eingeräumt, dass er jemals gewinnen würde.In der Nacht zum Mittwoch nahm der 70-Jährige nun eine bedeutende Hürde. Delegierte beim Parteikonvent in Cleveland bestätigten Trump offiziell als Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei. Die Bosse der Partei geben sich damit aber einer gefährlichen Illusion hin, dass die Republikaner nun geschlossen hinter ihrem Kandidaten stehen würden.Seit Montag wird Trump von zweitrangigen Persönlichkeiten aus der Unterhaltungsbranche mit Lob überhäuft. Seine Kinder aus verschiedenen Ehen himmeln ihren Vater als fleißigen, tugendhaften und ehrenwerten Familienmenschen an. Selbst Paul Ryan, der einflussreiche Sprecher des Repräsentantenhauses, der sich monatelang geweigert hatte, dem Kandidaten seine Unterstützung zuzusagen oder ihm das Vertrauen auszusprechen, ließ sich sogar zu einem Auftritt breitschlagen. Dabei können sämtliche Lobgesänge – ebenso wenig wie die Zirkusatmosphäre in Cleveland – darüber hinwegtäuschen, dass von Einheit keine Rede sein kann. Die Oppositionspartei ist vielmehr tief gespalten.Es beginnt damit, dass der frühere Präsidentschaftskandidat John Kasich, der populäre Gouverneur von Ohio, der Megaveranstaltung in seinem Heimatstaat demonstrativ fernblieb. Auch weigerten sich die beiden ehemaligen Präsidenten George H. W. und George W. Bush ebenso wie die Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney sowie John McCain, am Nominierungskonvent teilzunehmen. Zwar konnten die Mitglieder des “Regelkomitees” Proteste der inbrünstigsten Gegner Trumps gerade noch abwürgen. Aber vor wenigen Wochen hatten sie sich selbst noch die Köpfe zerbrochen, wie man Trumps Nominierung blockieren könnte. Sie hatten erreichen wollen, dass Delegierte vom Ergebnis der Vorwahlen entbunden werden und frei nach ihrem Gewissen einen der Kandidaten nominieren dürfen. Das hat aber nicht geklappt.Dabei wird der ganze Show-Effekt spätestens kommende Woche verpuffen, wenn die Demokraten in Philadelphia die Bühne betreten und Trump ebenso wie seine Gefolgsleute schonungslos attackieren werden. Die Angriffsfläche ist ausgesprochen groß. Unfassbar ist etwa, dass sich der Kandidat und sein Sprachrohr, Wahlkampfmanager Paul Manafort, hartnäckig weigern, anzuerkennen, dass Ehefrau Melanias Rede teilweise wörtliche Passagen vom Redetext Michelle Obamas vor acht Jahren beim Parteitag in Denver enthalten hatte, also ein Plagiat darstellt. Das steht gerade einem Kandidaten, der von sich behauptet, im Gegensatz zu Hillary Clinton den Menschen immer reinen Wein einschenken zu wollen, nicht gut zu Gesicht.Auch fehlt es ihm bisher schlichtweg an Substanz. Am zweiten Abend des Parteikonvents sollten Wirtschafts- und Handelspolitik im Mittelpunkt stehen. Gäste und Redner beschränkten sich aber fast ausschließlich darauf, Clinton zu dämonisieren. Abgesehen davon, dass Trump bekundete, das Glass-Steagall-Gesetz wieder einführen zu wollen, das die Banken- und Wertpapierbranche voneinander trennt, war von Konjunktur, Arbeitsplätzen, Steuerpolitik und Außenhandel keine Rede.Jenseits des grellen Rampenlichts auf der Bühne der Quicken Loans Arena in Cleveland wird folglich ein informeller “Schattenkonvent” abgehalten. Mitglieder des republikanischen Establishment treffen sich in Konferenzräumen und Hotelsuiten. Sie zimmern bereits einen Plan für die Zukunft, sollte das eintreten, was sie seit langer Zeit befürchten: dass Hillary Clinton im November einen Erdrutschsieg feiert, Donald Trump wieder von der politischen Bühne verschwindet und die Partei in Trümmern liegt.