Die Kleiderordnung von Bratislava

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 20.9.2016 Kleider machen Leute, sagt der Volksmund. Und Gipfeltreffen werden ohnehin nur nach ihren Ergebnissen beurteilt. Und so haben die EU-Staats- und Regierungschefs ihr Treffen in Bratislava...

Die Kleiderordnung von Bratislava

Von Andreas Heitker, BrüsselKleider machen Leute, sagt der Volksmund. Und Gipfeltreffen werden ohnehin nur nach ihren Ergebnissen beurteilt. Und so haben die EU-Staats- und Regierungschefs ihr Treffen in Bratislava kurzerhand mit der “Einigkeit” ummantelt. Der “Geist von Bratislava” wurde beschworen und die selbstgesteckte Agenda als Erfolg verkauft.Es fiel dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi die Rolle des Störenfrieds zu, der wie im Hans-Christian-Andersen-Märchen “Des Kaisers neue Kleider” bemerkte, dass der Kaiser ja gar nichts anhabe, dass das Gipfelergebnis quasi “nackt” sei. Es habe in Bratislava nicht sehr viel mehr als eine nette Schifffahrt auf der Donau gegeben, kritisierte Renzi im Nachgang zu dem Treffen. Und in einem Interview legte er am Wochenende noch einmal nach: “Wenn wir so weitermachen, werden wir bald vom Phantom Europas sprechen und nicht vom Geist Bratislavas.”Die EU steht – zumindest nach Meinung von Italiens Premier – mit leeren Händen da, wurde in der slowakischen Hauptstadt doch kein einziges drängendes Problem gelöst oder eine Lösung auch nur auf den Weg gebracht. Die innere Zerrissenheit in der EU besteht unverändert fort, und echte Reformen der Institutionen nach dem Brexit standen gar nicht erst auf der Tagesordnung. Die Erwartungen an den Gipfel waren mal viel höher gewesen. Aber nun muss schon die Einigung auf einen einfachen Arbeitsplan für die nächsten Monate als Erfolg herhalten.Flexibilität ist auf jeden Fall ein neues Zauberwort bei der weiteren Ausgestaltung der Europäischen Union. Die Visegrad-Staaten fordern eine “flexible Solidarität” in der Flüchtlingsfrage, und Renzi erhofft sich offenbar auch eine neue Flexibilität in der Haushaltspolitik. Die europäische Sparpolitik sei vollkommen gescheitert, betonte er gegenüber “Corriere della Sera”.Bis Ende März, bis zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge, wollen die Regierungschefs das Projekt Europa wieder auf die richtige Bahn geschoben haben. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger ist auf jeden Fall optimistisch, dass die Zusammenarbeit der 27 Partner künftig “viel leichter” fallen wird. Die Briten seien in allen Fragen einer gemeinsamen Politik schließlich immer “im Bremserhaus” gewesen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk gab sich Oettinger auch zuversichtlich, dass die Gefahr vorerst gebannt ist, dass der Brexit zu einer Blaupause für andere Länder wird.Ob sich dies bei den Wahlen 2017 in Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden auch zeigt, bleibt abzuwarten. Geist, Gespenst oder Phantom? Auch dieser Spuk ist möglicherweise noch nicht vorbei. ——–In Bratislava ist die EU kaum vorwärts gekommen. Ein simpler Arbeitsplan gilt schon als Erfolg.——-