Die Königinnenmacher und ihre Forderungen
Auch mit ein paar Tagen Abstand wird in Brüssel und Straßburg noch immer darüber diskutiert, wie die knappe Mehrheit für Ursula von der Leyen im Europaparlament zustande gekommen ist. Wer hat sie zur neuen EU-Kommissionspräsidentin gewählt und wer nicht – und was folgt daraus eigentlich für ihr künftiges Arbeitsprogramm? Die polnische Zeitung “Rzeczpospolita” beschreibt die Situation ganz unverblümt so: “Die Unterstützung durch die polnische Regierungspartei PiS war entscheidend für den Erfolg Ursula von der Leyens. Sie erhielt gerade einmal neun Stimmen mehr als notwendig. Das Lager der Gegner war gewaltig. Die polnische Regierungspartei reichte von der Leyen in dieser Situation eine helfende Hand und lieferte ganze 26 Stimmen. Die PiS setzt darauf, dass sich von der Leyen ihr gegenüber dankbar zeigen wird. Und das zu Recht.” Die rechtsnationalen Königinnenmacher aus Polen, die jetzt ihren gerechten Lohn einfordern – in Form von etwas weniger scharfen Rechtsstaatsverfahren oder etwas mehr Verständnis für die polnische Kohleverstromung? Ja, aber die PiS-Abgeordneten waren nicht die einzigen Retter des Von-der-Leyen-Sieges. Ohne die Linkspopulisten der italienischen 5-Sterne-Bewegung (14 Abgeordnete) oder die Vertreter der ungarischen Orbán-Partei Fidesz (13 Abgeordnete) hätte es die CDU-Politikerin wohl auch nicht an die Spitze der EU-Kommission geschafft. Und dass die britischen Liberalen (17 Abgeordnete), die das Parlament nach dem Brexit in Kürze schon wieder verlassen werden, ebenfalls zu den Königinnenmachern zählen, stärkt auch nicht gerade die demokratische Legitimität der Juncker-Nachfolgerin. *Ganz transparent wird die Abstimmung in Straßburg wohl nie werden, da es sich ja um eine geheime Wahl gehandelt hatte. Aber dennoch ist klar, dass die CDU-Politikerin keine breite Mehrheit der wichtigsten proeuropäischen Kräfte erhalten hat. Nimmt man zum Beispiel die drei größten Fraktionen – die christdemokratische EVP, die Sozialdemokraten und die Liberalen von “Renew Europe” -, deren Fraktionsführungen sich alle für von der Leyen ausgesprochen hatten, so fällt auf, dass allein diese drei über 60 Abgeordnete mehr gehabt hätten, als von der Leyen Stimmen erhalten hat. Selbst in ihrer eigenen Parteienfamilie dürfte es Schätzungen zufolge damit wohl mindestens 20 bis 30 Abweichler gegeben haben. *Bei einem Blick in die internationale Presse fällt auf, dass die designierte Kommissionschefin in vielen Ländern offenbar weit weniger kritisch gesehen wird als im EU-Parlament. Die rechtsliberale dänische Tageszeitung “Jyllands-Posten” lobte beispielsweise: “Sie ist kompetent, zuverlässig und steht in der deutschen Tradition der Kunst des Kompromisses. Das kann die EU mehr denn je gebrauchen.” Und die slowakische Zeitung “Pravda” schrieb, von der Leyen habe zwar keine Erfahrung als Regierungschefin, aber sie kenne sich in den internationalen Beziehungen aus. Und, was entscheidend sei: “Sie ist eine überzeugte Europäerin.” Dies wird auch außerhalb Europas wahrgenommen. Die chinesische Zeitung “Jiefang Ribao” erwartet etwa, dass von der Leyen die Einheit Europas als leidenschaftliche Proeuropäerin entschieden vorantreiben werde. “Sie wird sich durchzusetzen wissen.” Und in Moskau hieß es, von der Leyen habe bereits als Verteidigungsministerin einen starken Charakter und eine große Willenskraft gezeigt. “Für die Populisten einiger Länder könnte sie zum roten Tuch werden”, kommentierte die Zeitung “Gazeta”. *Doch zurück zu den Forderungen aus dem EU-Parlament: Diese werden nämlich mittlerweile auch von den Parteien an die künftige Kommissionschefin gerichtet, die sie gar nicht mitgewählt haben. Die Grünen etwa, denen von der Leyen mit ihren Versprechungen am weitesten entgegengekommen war und die sich dann trotzdem trotzig verweigert hatten, verlangen jetzt Posten in der neuen Kommission und weitere Zugeständnisse. Ob sie da nicht mal zu hoch gepokert haben?