IM INTERVIEW: KAY SCHELLER

"Die Kontrolle des Unternehmenserfolgs ist mangelhaft"

Der Präsident des Bundesrechnungshofs über das Beteiligungsmanagement des Bundes und den Katalog von Verbesserungsmöglichkeiten

"Die Kontrolle des Unternehmenserfolgs ist mangelhaft"

– Herr Scheller, der Bundesrechnungshof hat in diesem Jahr in seinen Bemerkungen das Beteiligungsmanagement des Bundes hervorgehoben. Gab es einen besonderen Anlass?Wir prüfen regelmäßig den Beteiligungsbericht der Regierung, der im Bundesfinanzministerium zentral zusammengestellt wird. Diese jährliche Berichterstattung ist sehr wichtig, um Transparenz in die Beteiligungen zu bringen. Für uns ist der Bericht ein Einfallstor für weitere Prüfungen. Dabei untersuchen wir, wie die Bundesressorts als Beteiligungsführer ihre Aufgabe wahrnehmen.- Ist Ihnen etwas Besonderes aufgefallen?Die Unternehmensbeteiligung muss im Interesse des Bundes sein und bleiben. Das Bundesinteresse muss ständig überprüft und dargelegt werden. Das ist sehr wichtig. Und der Bund muss den Erfolg kontrollieren. Da muss er besser werden.- Welche Bereiche haben Sie genauer geprüft?Insgesamt werden in 13 Ressorts der Regierung 60 unmittelbare und mehr als 500 mittelbare Beteiligungen geführt. Häufig betroffen sind die Bereiche Verkehr, Finanzen, außerdem Innen, Umwelt/Bau, Ernährung/Landwirtschaft, Justiz/Verbraucherschutz sowie Bildung und Forschung.- Es ging also um die Ressorts, nicht so sehr um die Unternehmen?Wir prüfen, wie die Ressorts das Beteiligungsmanagement gehandhabt haben.- Um welche Unternehmen ging es?Konkrete Unternehmen können wir nicht öffentlich nennen. Wir haben in den Ressorts punktuell Unternehmen angeschaut und nicht alle Unternehmen, die vom Ressort verwaltet werden.- Zu welchem Ergebnis ist der Rechnungshof gekommen?Die Kontrolle des Unternehmenserfolgs ist mangelhaft. In einem Fall war die Darstellung der Kosten der eigenen Unternehmensleistungen nicht transparent. In einem anderen Fall hat die Geschäftsleitung dem Überwachungsorgan eine andere Unternehmensplanung vorgelegt als dem Gesellschafter. Oder die Berichte einer Geschäftsleitung beschränkten sich auf reine Tätigkeitsbeschreibungen.- Was verlangt der Rechnungshof?Es geht um eine Erfolgskontrolle durch die Beteiligungsverwaltung: strukturiert, gut organisiert und planvoll sollte sie sein. Unsere Forderung lautet, dafür Standards zu definieren. Danach sollen alle Ressorts vorgehen.- Der Bund verfügt über Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung. Reicht das nicht?Es muss überprüft werden, ob die gesteckten Ziele erreicht worden sind. Dies bedeutet, es muss ein Vergleich zwischen dem Soll und dem erreichten Ist gezogen werden. Der explizite Soll-Ist-Vergleich fehlt in den Grundsätzen guter Unternehmens- und Beteiligungsführung. Deshalb wäre es gut, wenn die Beteiligungsverwaltung einen Standard erhielte. Das ist bisher nicht geschehen.- Wie soll das konkret aussehen?Die Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung sollen aus unserer Sicht erweitert werden. Sie sollen einen Standard für die Erfolgskontrolle mit zwei Elementen enthalten: erstens einem fortlaufenden Soll-Ist-Vergleich über das Jahr hinweg und nicht nur einmal jährlich oder zweijährig. Zweitens geht es um Zielvereinbarungen mit den Geschäftsführern. Diese Vereinbarungen sind wichtig, weil sie häufig mit der Vergütung der Unternehmensführung gekoppelt wird. Da haben wir auch Defizite entdeckt.- Welche Defizite?In mehreren Fällen wurden nicht objektiv messbare Ziele vereinbart wie die “Profilierung der Gesellschaft” oder die “Steuerung eines Programms”. Es wurde auch die “sparsame Mittelverwendung” als Ziel einer Geschäftsleitung vereinbart. Das ist eine Standardaufgabe, kein Ziel.- Soll es ein einheitlicher Standard für alle Ressorts sein?Das Bundesfinanzministerium als finanzverantwortliches Ressort, das alle Beteiligungen im Fokus hat, sollte der Nukleus für eine solche Standardisierung sein. Diese muss dann spezifisch ergänzt werden von den Anwendern in den Ressorts. Wir wollen nicht die inhaltliche Programmatik kreieren. Wir können nur Hinweise geben.- Welche Maßstäbe setzen Sie für die Erfolgskontrolle?Leitgedanke ist das Interesse des Bundes. Dieses muss sich in den Unternehmenszielen ausdrücken. Konkret muss man sich die einzelnen Beteiligungen anschauen, um zu realistischen Zielen zu kommen. Bei Unternehmen des Bundes, die Zuwendungen bekommen, um Förderprogramme zu entwickeln, kann man Ziele definieren: bei einem Förderprogramm zum Beispiel im Energieeffizienzbereich müssen bestimmte Ziele erreicht werden. Es geht darum, dass die Interessen des Bundes umgesetzt werden.- Welche Reaktion hat der Rechnungshof aus dem Bundesfinanzministerium in puncto Standardisierung?Wir erwarten mehr. Deshalb haben wir unsere Empfehlung nach einer Standardisierung in unseren Herbstbemerkungen erneuert. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags wird das Thema beraten und dazu einen Beschluss fassen.- Wann dürften die neuen Standards gültig sein?Die Beschlüsse des Bundestags enthalten meist einen Zeithorizont, bis wann unsere Empfehlungen umgesetzt werden sollen. In diesem Fall hoffe ich auf einen Zeitpunkt Ende 2017.- Hat die Bundesregierung die Beteiligungsüberwachung generell gut organisiert?Das Bundesfinanzministerium hat sich auf Beteiligungsfragen spezialisiert und ist gut aufgestellt. Die Beteiligungsverwaltung liegt zentral in einer eigenen Abteilung. Bei Ministerien mit wenigen Beteiligungen gibt es jedoch Nachholbedarf. Dort nehmen Fachreferate das Beteiligungsmanagement als weitere Aufgabe mit wahr. Manche fühlen sich für die Erfolgskontrolle nicht zuständig.- Die grundsätzliche Verteilung des Beteiligungsmanagements auf die verschiedenen Ressorts soll aber so bleiben?Der Ressortsachverstand wird sicher gebraucht. Deshalb sehe ich schon die Notwendigkeit, die Beteiligungen dort zu verorten, wo die Inhalte stattfinden. Einheitliche Standards und die Vorgabe für einen Soll-Ist-Vergleich würden den Anwendern in den Bundesministerien sicherlich helfen.- Müssen sich die Ministerien denn reorganisieren, wenn einzelne Fachreferate das Beteiligungsmanagement nebenher machen?Das haben sie teilweise schon gemacht. Es gibt Ministerien, die in einem Fachreferat auch die Beteiligungsverwaltung als Kerninhalt ihres Tuns angesiedelt haben. Dann gibt es aber Fachreferate, wo das Beteiligungsmanagement im Beipack ist.- Sie verlangen eine enge Taktung beim Soll-Ist-Vergleich – in welchen Abständen?Das hängt im Einzelnen von der Komplexität des Unternehmens ab. Ein guter Beteiligungsführer kann sich dazu Gedanken machen. Etwa bei der Deutschen Energieagentur oder der ÖPP GmbH gibt es Projekte mit einem bestimmten Zeitplan, den der Beteiligungsführer beobachten und begleiten muss. In vielen Fällen ist ein Soll-Ist-Bericht einmal im Jahr aber zu wenig.- Wie sieht es mit den kapitalmarkorientierten Beteiligungsunternehmen aus wie der Post oder der Telekom? Muss sich auch dort die Erfolgskontrolle verbessern?Wir schauen uns die Standards an, an denen sich die Beteiligungsführer zu orientieren haben. Sie müssen kompatibel mit dem Kapitalmarktrecht sein. Es ist Aufgabe des Bundesfinanzministeriums, ein Regel- oder Standardwerk zu schaffen, anhand dessen sich die Beteiligungsverwaltungen für ihr Monitoring orientieren können. Das muss auch an die unterschiedlichen Rechtsformen angepasst werden. Deshalb kommt der Rechnungshof auch nicht mit einem einzigen Vorschlag, sondern empfiehlt dem Bundesfinanzministerium, seine federführende Funktion wahrzunehmen.- Direkt gefragt: Betrafen die Missstände auch Kapitalmarkunternehmen?Sie betrafen unterschiedliche Rechtsformen. In einem Fall hat ein Mitglied der Geschäftsleitung eine Erfolgsprämie bekommen, obwohl eine für das Unternehmen besonders wichtige Maßnahme nicht erfolgreich umgesetzt wurde. Sein Bereich hat Verluste erwirtschaftet. Dennoch wurde eine durchschnittliche Erfolgsprämie auf alle Mitglieder der Geschäftsleitung verteilt. Die volle Prämie wurde auch auf das erfolglose Geschäftsleitungsmitglied ausgekehrt, das kurz darauf wegen Erfolglosigkeit entlassen wurde.- Bei Kapitalgesellschaften mit Bundesbeteiligung ist der Aufsichtsrat oder die Gesellschafterversammlung für die Vergütung zuständig. Dort sitzt ja ein Vertreter des Bundes …… der eigentlich Alarm schlagen sollte.- Aber das funktioniert nicht?Nicht immer. Das sehe ich kritisch. Es kann ja wohl nicht sein, dass jemand offensichtlich die Leistung nicht erbringt, eine Prämie bekommt und dann – weil er doch nicht so gut gearbeitet hat – entlassen wird. Das passt nicht zusammen. Dieses System muss das zuständige Ministerium oder der Vertreter im Aufsichtsrat unterbinden. Deshalb prangern wir das an.- Sind Sie denn generell zufrieden mit den Vertretern des Bundes in den Aufsichtsräten?Manche Aufsichtsräte könnten die Zügel etwas fester in die Hand nehmen. Die Grundlage dafür ist eine funktionierende Beteiligungsverwaltung, die die Bundesvertreter in Aufsichtsräten vorbereitet.- Ihr Petitum lautet?Diese Aufsichtsräte müssen ihre Aufgabe konsequent wahrnehmen. Als Prüfer kommen wir erst ex post. Die Dinge müssen aber schon im operativen Verlauf aufgeklärt werden, etwa die Verteilung von Boni. Deshalb brauchen wir ein enges Monitoring sowie bestimmte Regeln und Standards zur Orientierung. Das stärkt die Aufsichtsräte. Deshalb sind wir da so hinterher.- Betrifft das auch den Berliner Flughafen BER?Auch da gab es Versäumnisse. Es gibt einen Prüfbericht des Landesrechnungshofs Brandenburg mit wesentlichen Empfehlungen dazu.- Gilt das auch für die Deutsche Bahn?Das Projekt im Süden der Republik – Stuttgart 21 – ist im Projektverlauf erheblich teurer geworden. Auch dort sitzt der Bund im Aufsichtsrat. 100 % der Anteile hält der Bund. Die Bahn steht unter Druck. In den nächsten vier Jahren verzichtet der Bund auf seine Dividende und gewährt 2017 eine Kapitalerhöhung von 1 Mrd. Euro. Auch hier muss es eine Kontrolle und Anreize für den langfristigen Unternehmenserfolg im Interesse des Bundes geben.- Die Bahn ist zwar privatrechtlich organisiert, aber doch für den Bund kontrollierbar.Die Bahn bekommt jährlich 3,3 Mrd. Euro für den Ersatz von Schienen, Stellwerken und Brücken – Sonderprogramme nicht mitgerechnet. Für den Neu- und Ausbau kommen 1,4 Mrd. Euro jährlich dazu. Es gibt ein Kontrollinteresse des Bundes daran, ob die Mittel zweckentsprechend und wirtschaftlich ausgegeben werden. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und der Bahn über jährlich 3,3 Mrd. Euro erlaubt keinen umfassenden Einblick für den Budgetkontrolleur, also dem Haushaltsausschuss im Bundestag, und dem Bundesrechnungshof als Zulieferer der Expertise. Hier ist die Verwendung der Mittel durch die Bahn für uns quasi eine Blackbox. Begrenzten Einblick erhalten wir nur über die Angaben zu bestimmten Kennzahlen als Qualitätsnachweis. Was wir aber nicht sehen, ist, wie sich die Bundesmittel auf diese Kennzahlen auswirken.- Der Aufsichtsrat sieht auch keine besseren Zahlen?Im Wesentlichen nicht, auch Ministerium und Aufsichtsräte können nicht im Einzelnen nachvollziehen, wofür das Geld ausgegeben wird. Und ob es wirtschaftlich ausgegeben wird.- Was ist zu tun?Die gerade geschlossene Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ist durchaus verbesserungsbedürftig. Unsere Kritik ist, dass die Qualitätskennzahlen in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung den tatsächlichen Zustand der Schienenwege nicht transparent machen. Es fehlen Kontrollen und Anreize, die dort verbauten Bundesmittel wirtschaftlich einzusetzen. Wie die Bundesmittel eingesetzt werden, entscheidet ganz überwiegend das Bahnmanagement. Die Bahn muss keinen Nachweis über die zweckentsprechende Verwendung führen. Wir haben großes öffentliches Interesse, dass der Nachholbedarf abgebaut wird und die Schienenwege somit wieder in einen guten Zustand gebracht werden.- Wer kontrolliert das Beteiligungsmanagement, wenn die Standards da sind?Das Parlament und der Bundesrechnungshof. Wir haben dafür ein eigenes Beteiligungsprüfungsgebiet. Dann haben wir noch weitere Prüfungsgebiete für die drei Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasser.- Der Beteiligungsbericht 2015 des Bundes wurde im Januar 2016 veröffentlicht mit dem Stand der Unternehmen und Beteiligungen Ende 2014. Ist das noch hilfreich?Wir bekommen jährliche Berichte zu jeder Beteiligung von fünf bis 15 Seiten. Da können wir nach Risikotaxierung das Bundesinteresse prüfen und werden auf bestimmte Problematiken hingewiesen.- Das geht schneller als der Beteiligungsbericht?Ja, 2016 für 2015 – eine wichtige Ergänzung zum Beteiligungsbericht, der später kommt.- Wie misst man das Interesse des Bundes etwa bei der Commerzbank, der Post, der Telekom, den Flughäfen oder Häfen?Bei der Commerzbank sah die Politik die Notwendigkeit, zu handeln. Hier waren auch Geschäftsführergehälter gedeckelt. Post und Telekom wurden privatisiert. Sie stehen im Wettbewerb, nehmen aber auch wichtige Aufgaben der Grundversorgung wahr.- Bei der geplanten Infrastrukturgesellschaft für die Bundesautobahnen, besteht da Bundesinteresse?Aber hochgradig. Weil der Bund das Interesse hat, dass die Fernverkehrswege verfügbar bleiben und nutzbar sind. Der Verfassungsauftrag ist im Grundgesetz verankert. Bei den Bundesfernstraßen, aber auch bei der Bahn besteht ein Interesse der Daseinsvorsorge.- Bei der Infrastrukturgesellschaft haben sich eine Reihe von Investoren Hoffnung gemacht, in das Geschäft einzusteigen. Nun sollen Autobahnen und Gesellschaft voll im Staatsbesitz bleiben. Warum die ganze Reorganisation?Zunächst mal ist es gut, dass Aufgaben beim Bund gebündelt werden, für die Autobahnen und die vierspurigen Bundesstraßen. Geplant ist eine Gesellschaft im 100-prozentigen Eigentum des Bundes. Diese kann regionale Tochtergesellschaften gründen, die wiederum Dritte beauftragen und ihnen bestimmte Aufgaben überantworten können, beispielsweise bei der Planung, beim Bau oder Betrieb. Allerdings fragen wir uns, wie es für den Bund möglich sein soll, innerhalb von drei Jahren bis 2021 alle Aufgaben von Länderseite zu übernehmen.- Das kann aus Ihrer Sicht nicht gelingen?Das österreichische Beispiel spricht dagegen. Dort hat es bei einem Sechstel des Straßennetzes neun Jahre gedauert, die Autobahngesellschaft Asfinag aufzubauen. Das spricht nicht dafür, dass der Bund in drei Jahren alles allein übernehmen kann.- Das macht Ihnen Kopfzerbrechen?Die Funktionsfähigkeit der Bundesfernstraßen muss sichergestellt sein. Deshalb glauben wir, dass der Bund die Regieführung behalten sollte. Auch die Steuerung des Budgets über den Souverän, das Parlament, ist der richtige Weg, um die Straßen langfristig zu überschaubaren Kosten für die Bürger vorzuhalten.- Warum sollte dies auf dem Weg mit privaten Konzessionären nicht gelingen?Wesentlich sind hier Fragen der Mautregulierung, der Leistungsbeschreibung und deren Kontrolle. Ohne diese Kontrolle kann die Preisgestaltung bei der Autobahnnutzung nicht nachvollzogen werden. Darüber müssen wir diskutieren.- Sollte der Bund überhaupt Beteiligungen halten?Beteiligungen sind ein völlig legitimes Instrument. Die Frage wäre nur mit Nein zu beantworten, wenn kein wichtiges Bundesinteresse vorliegt. Gibt es ein Interesse, muss dieses nachgehalten werden. Und wenn ein Bundesinteresse auf anderem Weg besser erfüllt werden kann, sollte der Bund auf eine Beteiligung verzichten.—-Das Interview führte Angela Wefers.