Die Mittel und Grenzen der EZB

Draghi betont Flexibilität des QE-Programms - Debatte über Volumen und Dauer - Weidmann mahnt

Die Mittel und Grenzen der EZB

Die EZB hat ihre Handlungsbereitschaft untermauert, um im Notfall Wachstum und Inflation in Euroland anzukurbeln. Die Diskussion tobt – auch darüber, wann und wie die Euro-Hüter im Notfall handeln könnten.Von Mark Schrörs, FrankfurtEZB-Präsident Mario Draghi hat nach der Sitzung der Euro-Hüter am Donnerstag die Tür für eine weitere Lockerung der bereits beispiellos expansiven Geldpolitik in Euroland weit aufgestoßen. Falls sich der Ausblick für Wachstum und Inflation weiter verschlechterten, sei der EZB-Rat bereit und fähig zu handeln. Es gebe für die Europäische Zentralbank (EZB) “keine speziellen Grenzen”, wenn sie geldpolitisch einen Gang höher schalten wolle, sagte Draghi gar. “Mittelfristig orientiert”Nur einen Tag später, am Freitag, waren dagegen zurückhaltendere Töne aus dem EZB-Rat zu vernehmen. So betonte Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny in Tirol, die aktuelle Mini-Inflation gehe auf den fallenden Ölpreis zurück. “Die Notenbank ist mittelfristig orientiert, das heißt, dass wir nicht auf jede kleine Änderung reagieren”, sagte er.Und Bundesbankchef Jens Weidmann erinnerte beim G20-Treffen in Ankara daran, dass trotz ultralockerer Geldpolitik in vielen Ländern die Wachstumsaussichten getrübt seien. Dies zeige “die Grenzen dessen, was eine sehr expansive Geldpolitik leisten kann”. Zudem dämpfte er Sorgen wegen der Konjunkturabkühlung und der Börsenturbulenzen in China: “Eine dauerhafte Gefahr für die Weltwirtschaft sehe ich darin nicht.” Vor allem wegen China und den davon ausgehenden Schockwellen an den Weltfinanzmärkten hatte sich Draghi alarmiert gezeigt.Damit sind im EZB-Rat intensive Diskussionen vorgezeichnet, sollte sich die Lage weiter verschlechtern. Die meisten Volkswirte und Marktteilnehmer aber schießen sich bereits auf eine weitere Lockerung ein. Die zentralen Fragen, die sich dann stellen, lauten: Wann? Und wie?Zumal nach Draghis Auftritt nehmen Spekulationen zu, dass die EZB noch dieses Jahr nachlegt. Als wahrscheinlichster Termin gilt die Sitzung am 3. Dezember. Dann legen die EZB-Volkswirte auch neue Projektionen für Wachstum und Inflation vor. Eine erneute Abwärtsrevision – wie am Donnerstag – könnten Draghi und Co. zum Anlass nehmen.Was das Mittel der Wahl betrifft, hat Draghi selbst erneut die Flexibilität des Anleihekaufprogramms (Quantitative Easing, QE) hervorgestrichen – sowohl was das Volumen als auch was die Zusammensetzung und die Dauer angeht. Eine Option wäre es, dass die EZB auch nach September 2016 kauft. Bislang ist die Botschaft, dass QE mindestens bis dahin läuft. Am Donnerstag fügte Draghi erstmals ein “oder darüber hinaus” hinzu. So würde sich das Volumen von 1,14 Bill. Euro erhöhen.Die Frage ist aber, ob davon eine große Signalwirkung ausginge, zumal wenn die EZB tatsächlich noch dieses Jahr handeln sollte. Mehr Effekt könnte es da haben, das monatliche Kaufvolumen von 60 Mrd. Euro aufzustocken. Das könnte aber auch Spekulationen befeuern, dass bestimmte Anleihen knapp werden. “Dieses Signal könnte schnell auch ins Negative drehen”, hieß es am Freitag auch von der Commerzbank. Allerdings hat sich die EZB am Donnerstag bereits ein wenig mehr Spielraum verschafft: Sie erhöhte die selbst gesetzte Grenze, höchstens 25 % einer spezifischen Wertpapieremission zu kaufen, auf 33 % – vorausgesetzt, dass sie dadurch keine Sperrminorität erhält.Was die Zusammensetzung anbelangt, wäre es denkbar, dass die EZB – neben öffentlichen Wertpapieren wie Staatsanleihen, Kreditverbriefungen und Covered Bonds – auch ganz andere Papiere aufnimmt, etwa Unternehmensanleihen. Vor der QE-Ankündigung war spekuliert worden, dass auch generell Firmenbonds einbezogen werden könnten. Darauf hatte die EZB jedoch verzichtet. Für die Zukunft wurde das aber nicht ausgeschlossen. Führende EZB-Vertreter haben aber stets betont, dass die Volumina eher gering seien.Nicht ausgeschlossen ist auch, dass sich Debatten wie vor der QE-Entscheidung wiederholen. Damals war diskutiert worden, statt gemäß des EZB-Kapitalschlüssels – so wie es jetzt der Fall ist – anteilig an den ausstehenden Staatsschulden zu kaufen. Einige Volkswirte plädieren nun gar dafür, das Zinsniveau zum Maßstab zu nehmen. Die Idee bei all dem: Die EZB kauft dort, wo es am dringendsten nötig ist. Das würde aber Zweifel am geldpolitischen Charakter des QE-Programms nähren.Jenseits von QE könnte die EZB überlegen, ihren Einlagesatz von aktuell – 0,2 % weiter zu senken. Das wäre nach verbreiteter Einschätzung das effektivste Mittel, um den Euro zu schwächen. Im Frühjahr hatte der EZB-Rat das mehr oder weniger ausgeschlossen. Die Sorgen galten etwa dem Geldmarkt. Im Sommer schien sich aber EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré nach den bisherigen Erfahrungen dafür offener zu zeigen. Eine solche Senkung würde zudem das QE-Universum für die EZB erweitern – denn der Satz bildet die Untergrenze, bis zu der die EZB Staatstitel mit negativer Rendite kauft. Draghi sagte aber am Donnerstag, der Einlagesatz sei nicht diskutiert worden.