LEITARTIKEL

Die neue CDU

Die CDU ist im Glück. Die Wahl eines neuen oder einer neuen Vorsitzenden an diesem Freitag beim 31. Bundesparteitag in Hamburg hat eine Debattenkultur beflügelt, die die Partei lang nicht mehr erlebt hat. "Man darf wieder etwas sagen", ist...

Die neue CDU

Die CDU ist im Glück. Die Wahl eines neuen oder einer neuen Vorsitzenden an diesem Freitag beim 31. Bundesparteitag in Hamburg hat eine Debattenkultur beflügelt, die die Partei lang nicht mehr erlebt hat. “Man darf wieder etwas sagen”, ist allenthalben zu hören. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die empfundene Sprachlosigkeit im Parteiapparat nur an der straffen und vermeintlich unduldsamen Führung der langjähren Parteivorsitzenden Angela Merkel lag. Womöglich war es auch mangelnder Mut in der Basis aus übertriebener Sorge um die eigene politische Karriere. Drei Kandidaten stehen nun bereit, und die Partei hat noch etwas, das sie seit Jahrzehnten nicht mehr hatte: die Wahl.CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gilt als Favoritin Merkels. Sie hat als saarländische Ministerpräsidentin gezeigt, dass sie kritische Wahlen gewinnen und Koalitionen in den unterschiedlichsten Farbkonstellationen schmieden kann. Sie darf für sich in Anspruch nehmen, das sichere Amt als Landesmutter in Saarbrücken aufgegeben zu haben, um in Berlin als Generalsekretärin der Partei zu dienen. Es gibt keine Rückfahrkarte, wie sie einst Norbert Röttgen als Bundesminister nach Berlin ziehen wollte, als er in Nordrhein-Westfalen für das Ministerpräsidentenamt kandidierte. Aus der politischen Versenkung ist Friedrich Merz wieder aufgetaucht, der wegen der Aussichtslosigkeit, an Merkel vorbeizuziehen, seine Karrierechancen in der Privatwirtschaft suchte und fand. Als Wirtschaftsanwalt und Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Arms der US-Fondsgesellschaft BlackRock ist er zu Ansehen und mehr Geld gekommen, als es ihm jetzt in der öffentlichen Wahrnehmung guttut. Der Dritte im Bunde ist der noch junge, ehrgeizige und talentierte Jens Spahn, derzeit Bundesgesundheitsminister.Sicher ist für den Wahlausgang nur: Es dürfte sehr knapp werden. Überraschungen in Personalentscheidungen sind in der CDU inzwischen durchaus möglich. Die Wahl von Ralph Brinkhaus, der den langgedienten Volker Kauder als Fraktionschef im Bundestag unerwartet ablöste, ist so ein Fall. In Hamburg zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der 56-jährigen Kramp-Karrenbauer und dem 63-jährigen Merz ab. Spahn kann auf einen Achtungserfolg im ersten Wahlgang hoffen und darauf, dass Merz siegt. Spahns Chancen steigen bei einem älteren Vorsitzenden, später noch das Ruder zu übernehmen.Kurz vor dem Wahltag erschließt sich, warum andere Institutionen sich sinnvollerweise eine Schweigephase auferlegen. Die jüngste öffentliche Positionierung für den einen Kandidaten oder die andere Kandidatin hat einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie es um die Partei nach der Wahl des oder der Vorsitzenden steht. Wichtigste Aufgabe wird es sein, die Flügel wieder zu einen, die sich entweder für die eher vermittelnde Kramp-Karrenbauer oder den klare Kante zeigenden Merz ausgesprochen haben. Die öffentliche Positionierung des Parteigranden Wolfgang Schäuble für Merz hat andere herausgefordert, sich zu offenbaren, – und polarisiert.—–Von Angela Wefers Die Wahl der neuen Parteispitze beflügelt die CDU. Ihren Weg muss sie nach dem Ende der Ära Merkel erst noch finden – auch wirtschaftspolitisch. —–